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Alles so schön bunt hier – Auftragsfotografie in der DDR

von Inge Pett (21.03.2014)
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Kurt Schwarzer, Paar mit Moped vor dem Kraftwerk Vockerode, 1963, Titelbild der Frauenzeitschrift „Für Dich“ (Heft 18/1963), © Stiftung Deutsches Historisches Museum

Alltäglich – und doch ideal. Gelebtes Leben – und doch inszeniert. Ein Widerspruch in sich? Für die Bildjournalisten Martin Schmidt (geb. 1925) und Kurt Schwarzer (1927-2012) war es das tägliche Brot, diesen Erwartungen gerecht zu werden. Ihre Aufgabe: Eine durchweg positive Darstellung des Lebens in der DDR.

Schmidt und Schwarzer arbeiteten im Auftrag von Redaktionen, Verlagen, Massenorganisationen und Betrieben. Und sie waren äußerst nachgefragt. Das Telefon der Fotoreporter habe selten stillgestanden, sagt Carola Jüllig. Sie ist die Sammlungsleiterin Alltagskultur und Projektleiterin der Ausstellung „Farbe für die Republik. Auftragsfotografie vom Leben in der DDR“, die bis zum 31. August im Deutschen Historischen Museum (DHM) zu sehen sein wird.

„Es war die offizielle Bildsprache“, erklärte Alexander Koch, Präsident der Stiftung Deutsches Historisches Museum. „Heute bedarf diese dargestellte Scheinwelt der Analyse und der Dekonstruktion“. Das Museum hatte die Archive von Schmidt und Schwarzer kurz nach der Wende erstanden. Für „kleines Geld“: Schmidt etwa hatte für 40.000 Bildträger 40.000 DM erhalten – und zudem einen Schnitt mit seiner beruflichen Vergangenheit gemacht.

Aufgrund ihrer emotionalen Wirkung galt die Farbfotografie als besonders geeignet, das Leben im Arbeiter- und Bauernstaat sprichwörtlich ins rechte Licht zu setzen. Zwar war das Filmmaterial teuer und aufwändig zu verarbeiten, aber es diente im hohen Maße der Propaganda, ganz im Sinne der SED. „Bilder wurden gemacht, damit man sich ein Bild machen konnte“, erklärte Jüllig. Ihr eigenes Bild der DDR sei schwarz-weiß gewesen, bevor sie sich mit dem Archiven vertraut gemacht hatte.

Martin Schmidt, Auszubildende eines Volkseigenen Gutes, 1967, Das Foto entstand für die Bildreportage „Berufe mit Zukunft“, die in der „FDGB-Rundschau“ veröffentlicht wurde (Heft 10-11/1967). © Stiftung Deutsches Historisches Museum

In sieben Segmenten nähert sich die Ausstellung nun dem bunten Bild der DDR. Die Fotos werden in Hörstationen erläutert durch die Beiträge von Zeitzeugen, Wissenschaftlern und Journalisten. „Ich bin Arbeiter, wer ist mehr!“ etwa lautet der Beitrag des Bundestagspräsidenten a. D. Wolfgang Thierse. Erstmals können auch die Besucher an PC-Stationen ihre Kommentare einsprechen, quasi als „elektronisches Gästebuch“.

Der Bereich „Im Betrieb“ verherrlicht den VEB, den Volkseigenen Betrieb, der den Arbeitnehmern Kinderbetreuung und medizinische Versorgung garantierte. Darüber hinaus bot er den Rahmen für alle Bereiche des Lebens: von der Kultur bis hin zum Urlaub. „Auf dem Land“ stellt das Pendant zu den VEB vor, die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften, kurz LPG. Martin Schmidt zeigt glückliche Kühe, saubere Ställe, moderne Maschinen und fröhliche Melkerinnen - das „perfekte“ sozialistische Dorf. Negative Bilder blendete Schmidt gänzlich aus.

Martin Schmidt, Traktoristin, um 1965, Erschien 1970 als Titelfoto der Zeitschrift „Lernen und Handeln“, dem Funktionärsorgan des Demokratischen Frauenbund Deutschlands (DFD), © Stiftung Deutsches Historisches Museum

Besonders interessant ist das Kapitel „Frauenbilder“. In der DDR gab es sie, die perfekte Frau, glaubt man den programmatischen Bildern in der Ausstellung. Gut ausgebildet und berufstätig, aufmerksame Partnerin und liebevolle Mutter. Und verführerisch und attraktiv noch zudem. Optimistisch lächelt Schmidts Traktoristin von 1965, während sie das landwirtschaftliche Nutzgerät steuert.

Kurt Schwarzer zeigt eine Frau im Badeschaum – fast könne man meinen, Doris Day lasse grüßen. Erotische weibliche Reize waren durchaus erwünscht in der DDR, wie ein Ausstellungstext verrät. Skurril hingegen die Werbekampagnen, die – in Zeiten den Fleischmangels - zum Fischkonsum motivieren sollten. Im Fokus der Bilder: die kunstvoll inszenierte Fischkonserve.

Weitere Segmente der Ausstellung beschäftigen sich mit „Lenin“, „Der sozialistischen Stadt“ sowie „Jung und Alt“. Von „internationaler Solidarität“ und „sozialistischer Völkerfreundschaft“ spricht der Text zu Schmidts Fotos, die Kinder aus Guinea mit jungen Pionieren zeigen. Rassismus – ein Fremdwort, wenn man den Aufnahmen glauben darf.

Konsequent werden die Schattenseiten wie Mangelwirtschaft, fehlende Freizügigkeit, Altersarmut, Umweltprobleme oder Repression und Anpassungsdruck ignoriert. Stattdessen spiegeln die Fotografen ein Schlaraffenland auf „Weltniveau“ – irreal, aber schön bunt.

Deutsches Historisches Museum
Ausstellungshalle
Unter den Linden 2
10117 Berlin
Tel. +49 30 20304 ‐444
mail: info@dhm.de
dhm.de/ausstellungen

Laufzeit: 21. März bis 31.August 2014
Öffnungszeiten: täglich 10–18 Uhr

Inge Pett

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