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Von einem Ausflug nach Köln: „Der Besuch erfolgt auf eigene Gefahr“ – Pierre Huyghe im Museum Ludwig

von Theresa Hartherz (03.07.2014)
vorher Abb. Von einem Ausflug nach Köln: „Der Besuch erfolgt auf eigene Gefahr“ – Pierre Huyghe im Museum Ludwig

Pierre Huyghe, The Host and the Cloud, 2009-2010, Film, HD video, Farbe / color, Ton / sound, 2h, 1 min 30

Es ist dunkel und ein bisschen kühl. Irgendwo plätschert Wasser. Das überlaute Summen von Bienen dröhnt aus der Ferne durch den Raum. Das Rufen des „Name Announcer“ kündigt eintretende Besucher an. Über die Gesichter der Neuankömmlinge flackert das unstete Licht der Videoprojektion von „The Host and the Cloud“. Es bannt ihre Blicke. Vielleicht, weil die Spannung zwischen inszenierten und zufälligen Ereignissen ihr Interesse weckt. Vielleicht, weil es etwas Verstörendes hat, wie die musikalische Untermalung dort dem Rudel Welpen etwas Bedrohliches verleiht. Vielleicht auch nur, weil alle darauf warten, dass endlich etwas geschieht, was „erst für Personen ab 16 Jahren geeignet ist“. Es ist nicht einfach zu klären, was die Anziehungskraft des Werkes von Pierre Huyghe ausmacht, dessen Arbeiten aktuell in einer großen Retrospektive im Kölner Museum Ludwig zu sehen sind. Aber wenn der mittlerweile zum Star avancierte Hund “Human” personaliter an einem vorbeitrabt oder ein Protagonist aus „The Host and the Cloud“ mit seiner leuchtenden Maske neben den Besuchern auftaucht, zeigt sich ein Überraschungsmoment, das ein tieferes Geheimnis hinter den Dingen vermuten lässt.

Pierre Huyghe, Timekeeper, 1999, Architektonische Intervention, Schichten von Ausstellungswänden, Architectural intervention, succession of Exhibition layers Dimensionen / dimensions variable

Der 1962 in Paris geborene Pierre Huyghe ist spätestens seit der dOCUMENTA (13) in den Blick des öffentlichen Interesses gerückt. Die Liste seiner Einzel- und Gruppenausstellungen ist lang und reicht bis in die 90er Jahre zurück. In der Wiener Secession legte Huyghe schon 1999 mit der Arbeit „Timekeeper“ die Ausstellungsgeschichte des Wiener Hauses offen. Eine Version dieses Werkes, das an die Jahresringe eines Baumes erinnert, ist auch jetzt im Museum Ludwig zu sehen und präsentiert die verschiedenen Wandanstriche der vergangenen Ausstellungen. Eine Abformung der Räume des Castello die Rivoli, in welchen Huyghe im Jahre 2004 ausstellte, liegt als leere Hülle im Raum des Kölner Museums. Die Fotografie „Stars“ ist ein Artefakt der Ausstellungseröffnung „theanyspacewhatever“ im Jahre 2008 im Guggenheim Museum in New York. Was anmutet, wie die Aufnahme des Sternenhimmels, bildet tatsächlich die Besucher ab, die sich mit unterschiedlich großen Stirnlampen im unbeleuchteten, spiralförmigen Aufgang des Hauses verteilten. Der Teppich, den Huyghe aus dem Verwaltungstrakt des Museum Ludwig in dessen Ausstellungsraum verfrachtet hat, wird mit der Ausstellung gemeinsam ins Los Angeles County Museum reisen.

Provisorisch aufgestellt bilden die Ausstellungswände im Kölner Haus verwinkelte Gänge, weisen den Weg zu den einzelnen Werken, in denen sich Huyghe verschiedener Medien, dabei hauptsächlich dem Film, der Installation und der Fotografie bedient hat. Noch wegen des animierten, weißen Kaninchens in „The Host and the Cloud“ das Wunderland im Hinterkopf, erscheinen die auf einem Podest installierten Schuhe zunächst wie das Überbleibsel aus Grimms Märchen der „Zertanzten Schuhen“. Der Titel enttarnt den Irrtum. „Singing in the Rain“ zeigt die Schuhe, in welchen eine Tänzerin zu Ehren Gene Kellys an dessen Todestag steppte. Das passende Regenfeeling liefert das gluckernde Wasser aus „Zoodram 4“, in dem ein Einsiedlerkrebs die Nachbildung von Constantin Brâncușis „Schlafende Muse“ belebt. Das Aquarium wird zum Sinnbild des musealen Raumes, in dem Kunstwerke und Besucher sich gegenseitig stimulieren. Von der anderen Seite des Raumes schaut Elmyr de Horys Fälschung einer Modigliani-Dame herüber. Über der Szenerie flackern die kreisförmig an der Decke installierten Neonröhren zeitgleich mit jenen in „The Host and the Cloud“ auf und fügen alles zusammen. „RSI“, so der Titel der Neonröhren, bezieht sich auf Jacques Lacans Zeichnungen, der die Beziehungen zwischen dem Realen, dem Symbolischen und dem Imaginären kartographierte.

L´Expedition scintillante, Act III (Black /ce Stage), 2002 Black ice rink, cooling system, Schwarze Eislaufbahn, Kühlsystem Structure: 35 x 1024 x 774 cm, lce surface: 1000 x 750 cm (75 m2), Gestell: 35 x 1024 x 774 cm, Eisfläche: 1000 x 750 cm (75 m2) Edition of 3 plus 2 artists´ proofs (PH 080), Ausstellungsansicht / Installation view Museum Ludwig, Cologne, 2014, Photo © Andrea Rossetti

Immer wieder tauchen in Huyghes Arbeiten Verweise auf Kunst- und Ausstellungsgeschichte auf, in die sich der Franzose zugleich mit seinen Werken einreiht. Auch die Bezüge zwischen seinen eigenen Arbeiten sind nahezu aufdringlich. Sich wiederholende Themen und Motive machen die Retrospektive zu einer Art Gesamtkunstwerk, in dem sich die einzelnen Werke gegenseitig durchdringen. Der Künstler schafft sich einen eigenen roten Faden, den er mal verfolgen, dem er mal vorauseilen kann. Der Film „A Journey That Wasn`t“ hält unter anderem Huyghes Reise in die Antarktis dokumentarisch fest. Diese Expedition hatte Huyghe in einer Installation mit drei Akten imaginär vorweg genommen. Ursprünglich im Jahre 2002 für das Kunsthaus Bregenz entwickelt, vermittelt die „L´Expédition scintillante“ dem Betrachter eine Idee einer solchen Expeditionserfahrung. Zwei der drei Akte sind im Museum Ludwig zu sehen. Und so liegt der Geruch von Eis und Kälte in der Luft. Eine schwarze Eisfläche (dritter Akt der „L´Expédition scintillante“) erstreckt sich durch den gesamten Raum, die in regelmäßigen Abständen durch einen Eisläufer verändert wird, indem dieser Muster in sie hineinkratzt. Im letzten Ausstellungsraum wölbt sich der Vorhang, der die Lichtbox (zweiter Akt der „L´Expédition scintillante“) verschließt, unter einem Windzug. Beiseite genommen gibt er den Blick auf eine Installation frei, die in absoluter Dunkelheit ein Schauspiel von Licht- und Nebelsignalen erzeugt. Dazu erklingen Erik Saties „Gymnopédies“.

Es ist nicht zuletzt das Ineinandergreifen, das Interagieren der Arbeiten, das den Reiz der Retrospektive ausmacht. Der Besucher erkennt wieder, verknüpft, empfindet und kann sich dem Sog, der sich aus einer sinnlichen, sensualistischen und einer geisteswissenschaftlich orientierten Konzeption entwickelt, nicht entziehen. Gewiss nutzt die Ausstellung auch ihren Erlebnischarakter für sich - “Der Besuch erfolgt auf eigene Gefahr” -, jedoch ohne dabei zum Spektakel zu verkommen.

Noch bis zum 13. Juli ist die Ausstellung „Pierre Huyghe“ im Museum Ludwig zu sehen.

Pierre Huyghe
11. April - 13. Juli 2014

Museum Ludwig
Hein­rich-Böll-Platz
50667 Köln
Dienstag bis Sonntag 10 - 18 Uhr
museum-ludwig.de

Theresa Hartherz

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