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Weltall-Radieschen und blaue Kartoffeln

von Dr. Inge Pett (10.02.2015)
vorher Abb. Weltall-Radieschen und blaue Kartoffeln

Copyright Kunsthalle am Hamburger Platz

Besprechung: Die ifa-Galerie Berlin präsentierte ihre "Stadtspaziergänge" diesmal in einem neuen Format, dem „LAB_A im Thinktank“.

Blaue Kartoffeln? „Das Bauhaus muss immer mit der Farbe spielen“, scherzte Heike Brückner, Mitarbeiterin der Stiftung Bauhaus Dessau.

Seit einem Jahr unterhält die renommierte Institution – gemäß dem erweiterten und immer wieder zu erweiternden Kunstbegriff der Moderne – eine Urban Farm inmitten der Stadt. Damit reagiert das Bauhaus auf die zurückgehenden Bevölkerungszahlen in Sachsen-Anhalt: Alleine in Dessau ist die Population in 25 Jahren um ein Drittel gesunken. Nun geht es dem Bauhaus darum, neue Strategien der Nah- und Fernversorgung zu erschließen – es setzt auf Agrikultur in den Wohnquartieren.

„Solidarische Ökonomie“, so das Schlagwort. Ziegen fungieren als „emissionsfreie Rasenmäher“, ein Gerätepool wurde organisiert, Gärtner bieten Kurse für den Bau von Hochbeeten und auf dem Acker wachsen Kartoffeln. Blaue eben. Gelbe und rote sollen hinzukommen, freut sich Heike Brückner. Dass alteingesessene Dessauer diesen Innovationen eher verhalten begegnen, verwundert die gelernte Gartenarchitektin nicht: „Das braucht eben Zeit“.

Keinesfalls jedoch solle das Projekt als „dauerhafter Pflegefall mit öffentlichen Geldern“ stagnieren. Potenzialanalysen hält Brückner dennoch für überflüssig: „Wir haben einfach mal angefangen“. Ganz offensichtlich ist das Bauhaus, das 2019 sein hundertjähriges Bestehen feiert, nicht in die Jahre gekommen. Der alte Geist weht.

Die Urban Farm ist nur eines von diversen experimentierfreudigen Projekten, die am Sonntag, den 8. Februar 2015, in der Kunsthalle am Hamburger Platz in Berlin Weißensee vorgestellt wurden. Eingeladen hatte dazu die ifa-Galerie Berlin, die ihre beliebten Stadtspaziergänge diesmal in einem neuen Format, dem „LAB_A im Thinktank“, präsentierte. Genau genommen war es der erste Spaziergang ohne Spaziergehen. „Wir bringen unser Publikum einfach mit in die Kunsthalle“, erklärte Barbara Barsch, die Leiterin der ifa-Galerie.

Ausgehend von der aktuellen Ausstellung „Klasse Schule – So baut die Welt“ in den Galerieräumen in der Linienstraße 139/40, die bahnbrechende Architekturmodelle von Schulen weltweit vorstellt, warf Elfi Müller, Moderatorin und Initiatorin des Thinktanks, die Frage auf, was nach dem Schulbesuch geschieht. Welche Räume gibt es dann noch zum Lernen und Experimentieren?

Thaddäus Hüppi, künstlerischer Leiter der Kunsthalle, proklamierte das von der Kunsthochschule Weißensee bespielte Gebäude als „Experimentierlücke“, als „Laboratorium“. Mit seinen Studenten hatte der Kunstprofessor 2011 den DDR-Supermarkt der Kette „Konsum“ besetzt und die Räumlichkeiten so vor dem Abriss bewahren können. Ziel sei es, die inzwischen legal genutzte Kunsthalle nach außen zu öffnen und so die Schnittstelle zwischen Universität und freiem Kunstmarkt aktiv zu gestalten. Die dort ausgeführten Experimente würden später exportiert und verfeinert. Der Vorteil der Kunsthalle, die von Alumni, professionellen Künstlern und verschiedenen Einrichtungen unterstützt wird, sei der experimentelle Charakter. „Wir sind nur den Studierenden gegenüber verantwortlich und keinem Markt oder fixen Strukturen.“

Wesentlich komplizierter stellt sich die Situation äthiopischer Künstler dar, wie Yenatfenta Abate anschaulich ausführte. Sie selber kam 1990 als Stipendiatin nach Deutschland und schloss 2008 als Meisterschülerin von Franz Erhard Walther ein Studium an der Hochschule für Bildenden Künste Hamburg ab. Die für sie essentiell wichtige Begegnung mit der freien Kunst wollte sie auch den jungen Leuten ihrer Heimat vermitteln, deren künstlerische Ausbildung damals akademisch-traditionell ausgerichtet war. So realisierte sie unmittelbar nach dem Studium diverse „Free Art Felega“ Projekte mit der Hochschule in Adis Abeba sowie Ausstellungen im Rahmen des vom Goethe Institut angebotenen Artists in Residence-Programms. Abate sieht ganz klar das Dilemma junger afrikanischer Künstler, eine eigene Identität zwischen globalem Kunstmarkt und lokalen Wurzeln auszuloten. Zu übermächtig sei der Einfluss westlicher Künstler und Kuratoren, die guten Willens das Falsche erreichten. „Umso dankbarer bin ich für die Unterstützung des Goethe Institutes, das uns künstlerisch jede Freiheit gelassen hat“, erklärte Abate. Auch hier hätte sich unverhofft ein wertvoller Raum des Experimentierens, der Selbstfindung geöffnet. Ob sie sich weiterhin dem Nachwuchs in ihrer Heimat verpflichtet fühle? Die Antwort folgte prompt: „Was sonst?“

Dass auch staatliche Institutionen offen sein können für Experimente, zeigt das Engagement von Fotini Mavromati, der Kulturbeauftragten des ebenfalls in Dessau angesiedelten Umweltbundesamtes. Dieses habe einen Aufklärungsauftrag und sei gedacht als Anlaufstelle für die Öffentlichkeit. Um deren Schwellenangst abzubauen, zieht es die Kulturbeauftragte in den öffentlichen Raum. So in dem Projekt „Das Utopische Institut“, einer nomadischen Rauminstallation von Christoph Ziegler. Inmitten der Dessauer Fußgängerzone konnten im Jahr 2013 bei Kaffee und Keksen Fragen nach der Stadt von morgen und unserer Zukunft diskutiert werden. „Wir haben einen Zwischenraum für sozialen Austausch und künstlerische Interaktion geschaffen“, so Mavromati.
Und natürlich kamen in bester ifa-Tradition auch diejenigen zu Wort, die immer schon die Gesellschaft gegen den Strich dachten – die Künstler.

Während Dominik Fraßmann ein „Amt für die Feststellung des Bildes für die Nachwelt“ gegründet hat, mit dessen Hilfe Menschen ein von ihnen gewünschtes Image für die Ewigkeit bewahren lassen können, zeigt sich Christine Niehoff fasziniert vom Leben des verstorbenen sowjetischen Kosmonauten Juri Gagarin. Ihre Vision: Radieschen im Weltall. Blau sind diese jedoch bislang nicht – vielleicht bedarf es eines „LAB_B im Thinktank“ der ifa-Galerie, um diesbezüglich neues Querdenken anzuregen.

Dr. Inge Pett

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Weltall-Radieschen und blaue Kartoffeln
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