18 Uhr: im Rahmen der Ausstellung "Do you feel me now? Frauenbilder zwischen Realität und Projektion" Galerie im Saalbau | Karl-Marx-Straße 141 | 12043 Berlin
Schleimpilze – das klingt für die allermeisten erstmal nicht sehr ansprechend. Auf Theresa Schubert hingegen üben sie eine ganz eigene Faszination aus. Physarum polycephalum, so betont sie, sei ein ganz besonderer Organismus - im plasmodialen Zustand der größte Einzeller der Welt. „Und ´clever` ist er auch noch“, fügt die Berliner Künstlerin hinzu. Er wachse nicht nur, sondern wandere auch, indem er sich immer die kürzesten, effizientesten Wege suche – weg vom Licht, hinein ins Dunkel.
Schubert hat beobachtet, welche – ästhetisch überaus ansprechenden - Netzstrukturen er beim Wandern und Wachsen schafft. Inspiriert von einem Experiment aus dem Jahr 1948, bei dem ein Forscherteam Spinnen unter Drogen setzte, um dann die Funktionalität der danach gesponnenen Netze zu untersuchen. (Eine gute Nachricht für alle, die Cannabis für harmlos halten: Spinnen on speed bauten bessere Netze als jene mit Koffein im Leib.)
Schubert ließ ihre Schleimpilze in formschönen Glaskolben heranwachsen und verabreichte ihnen darin Entspannungsmittel - Baldrian, Tabak und Cannabis. Das Ergebnis ist nicht nur intellektuell interessant, sondern auch von verblüffender Schönheit, wie die Fotografien der tiefenentspannten Schleimpilze aus den Jahren 2011 bis 2013 demonstrieren.
Bis zum 20. September sind sie in der Ausstellung „Growing Geometries – Evolving Forms“ bei Art Laboratory Berlin zu sehen. Filigran, fragil, faszinierend erscheinen diese Gebilde mit ihren zarten Verästelungen, die sich da durchs Glas schlängeln, unwirklich und poetisch wie aus einer anderen Welt. Dabei dient die Wanderung des Physarum polycephalum so etwas Trivialem wie der Nahrungssuche.
Längst hat die Wissenschaft den Schleimpilz, der genau genommen gar kein Pilz ist, für sich entdeckt. Das biologische Kuriosum dient als Modellorganismus für alle Arten von Netzwerkoptimierung, so etwa bei der Städteplanung oder im Medienbereich. Als „Akteur“ kann er distribuiert geometrische Probleme so effizient lösen wie sonst nur ein Mega-Computer.
In der Installation „bodymetries“ lässt Schubert dem Besucher einen virtuellen Schleimpilz auf seiner Hand wachsen. Dazu werden die dunklen „futterreichen“ Regionen der Haut – Falten, Leberflecken, Schatten – eingescannt. Danach simuliert eine Laserprojektion, wie der virtuelle Schleimpilz seine Umgebung erkundet und die idealen Verbindungen sucht. Nach der Exploration folgt die Optimierung des Netzwerkes, das die ´Futterquellen` verknüpft. Jede Vernetzung folgt denselben Algorithmen und bringt dabei Unikate hervor, so individuell wie die eingescannten Hände der Probanden.
Auch bei Schuberts „Untersuchung zu selbstwachsenden Geometrien (1-3)“ stehen die Pilze im Mittelpunkt. Die Science-Künstlerin hat geometrische Formen auf Austernpilze, Steinchampignons und den italienischen Pioppino tätowiert und in Schaukästen gesetzt. Kameras dokumentieren, wie sich die geometrischen Tattoos im Lauf des Pilzwachstums verändern. Wird ein Kreis zum Quadrat? Ein Quadrat zum Kreis?
Am wohlsten fühlt sich bisher der Pioppino, auf Grund seiner südlichen Herkunft an hohe Temperaturen gewöhnt. Seine Fruchtkörper entwickeln sich innerhalb von kürzester Zeit bereits ein zweites Mal. Über einen Monitor sowie über einen Internetstream ist die Entwicklung des Experimentes im Zeitraffer zu verfolgen. Die ausgestellten Arbeiten sind Teil eines PhD-Projektes an der Bauhaus-Universität Weimar, in dem das gängige Verständnis von Kreativität hinterfragt und eine posthumane Sicht auf die Welt und ihre Lebenwesen verfolgt wird. Inwiefern sind Wachstumsprozesse steuerbar und wo dominiert der Eigensinn der Natur?
Es ist eben diese Schnittstelle zwischen Natur und Kunst, die in der aktuellen Ausstellung des Art Laboratory Berlin beschrieben wird. So wie die Projektraumleiter Regine Rapp und Christian de Lutz seit Jahren mit einer ganzen Reihe von Formaten die Schnittstellen der Kunst zu Technologie und Naturwissenschaft erforschen. Die von ihnen herausgegebene Publikationsreihe „(macro)biologies & (micro)biologies“ zum Beispiel beschäftigt sich mit dem „biologischen Sublimen“ in der Kunst des 21. Jahrhunderts.
Bleibt die Frage, wer nun die eigentliche Künstlerin in der Ausstellung „Growing Geometries – Evolving Forms“ ist: Theresa Schubert oder die Natur? Immerhin sei der tätowierte Pilz „Leinwand und Maler zugleich“, sagt Schubert. Sie selber schaffe mit ihrer Installation die Rahmenbedingungen und greife nur beim Tätowieren gestaltend ein. Sie überlegt kurz: „Im Grunde sind wir Kollaborateure.“
Ausstellungsdauer: Ausstellung: 29.8. - 20.9.2015
Während der laufenden Ausstellung Fr-So 14-18 Uhr geöffnet.
Art Laboratory Berlin
Prinzenallee 34
13359 Berlin
www.artlaboratory-berlin.org/
Titel zum Thema Theresa Schubert:
Magic Mushrooms - Theresa Schubert bei Art Laboratory Berlin
Nur noch dieses Wochenende: Hier unsere Ausstellungsbesprechung ...
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