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Wiederentdeckung einer Unangepassten. Fotografien von Germaine Krull im Martin-Gropius-Bau

von Dr. Barbara Borek (23.01.2016)
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Germaine Krull: Selbstportrait mit Icarette, um 1928, Silbergelatineabzug, 23,6 x 17,5 cm, Ankauf dank des Mäzenats von Yves Rocher, 2011. Frühere Sammlung Christian Bouqueret, Centre Pompidou, Paris. Musée national d´art moderne/Centre de creation, industrielle. © Estate Germaine Krull, Museum Folkwang, Essen, Photo © Centre Pompidou, MNAM-CCI, Dist. RMN-Grand Palais / image Centre, Pompidou, MNAM-CCI

Germaine Krull zählt zu den bedeutendsten Fotografinnen der Moderne, ihr Werk wurde bisher jedoch kaum erforscht. Nach der ersten großen Ausstellung in Essen 1999 präsentierte das Paris Jeu de Paume im Sommer erfolgreich eine Retrospektive, diese ist nun in Berlin angekommen. Der Martin-Gropius-Bau stellt die Avantgardistin mit rund 130 Originalabzügen und einer Auswahl an Fotoreportagen vor. Krulls schwarz-weiß-Aufnahmen geben einen eindrucksvollen Einblick in ein eigenwilliges und erlebnisreiches Künstlerinnenleben.

Vor allem in Paris hält sich die 1897 in Ostpreußen, dem heutigen Polen, geborene Germaine Luise Krull auf, im Alter von knapp 30 Jahren lässt sie sich in der französischen Hauptstadt nieder und eröffnet ein Studio für Modefotografie. Nach einer bewegten und unkonventionellen Kindheit, die Familie lebt in Italien, Frankreich sowie der Schweiz und befindet sich oft auf Reisen, zieht die junge Germaine nach Schwabing. Sie studiert an der Münchner Lehr- und Versuchsanstalt für Photographie und macht sich im Alter von 21 Jahren mit einem Fotoatelier selbstständig. Die Beteiligung an der Münchner Räterepublik 1919/20 führt Krull aus der bayrischen Metropole für drei Jahre nach Berlin. Hier entstehen im Atelier von Karl Hübschmann Aktaufnahmen von Frauen, oft arrangiert als moderne Tanzstücke der Körper.


Germaine Krull: Alte Architektur: Druck der Uhrzeit, 1928,Silbergelatineabzug, 21,9 x 15,2 cm, Amsab-Institut für Sozialgeschichte, Gent, © Estate Germaine Krull, Museum Folkwang, Essen

Seit 1925 dann in Frankreich ansässig, wird Germaine Krull Mitglied der Pariser Avantgarde. Sie ist eng verbunden mit Sonia und Robert Delaunay, Man Ray, André Kértész und auch Walter Benjamin, der sie als Fotografien außerordentlich schätzt und 1931 in seine "Kleine Geschichte der Fotografie" aufnehmen wird. Paris bleibt für viele Jahre das Sujet ihrer Bilder. Stadtmotive wie den Eiffelturm (La Tour, 1928) oder Einblicke in Marktszenen (Les Halles in der Nacht, um 1920) arrangiert sie wie Stillleben, entwickelt eine Ästhetik der ungewohnten Perspektiven. Doch auch ihre Aufnahmen von Personen sind ein Inne- und Festhalten eindrücklicher Begegnungen (Vor dem Kaufhaus, ca. 1929). Mit sozialkritischem Blick hält sie die Kamera auch auf Menschen am Rande der Gesellschaft, realisiert Fotoreportagen, beispielsweise 1928 über die Pariser Clochards in der neugegründeten Wochenillustrierten VU.


Germaine Krull: Selbstportrait, Paris, 1927, Silbergelatineabzug, 23,9 x 17,9 cm, Stiftung Ann und Jürgen Wilde, Pinakothek der Moderne, München, © Estate Germaine Krull, Museum Folkwang, Essen

Dicht gehängt sind die vorwiegend kleinformatigen Aufnahmen im zweiten Stock des Gropius-Baus, fordern Konzentration von den Besuchern: Mit Serien von Industrie-Bauwerken, neben dem Eiffelturm auch Häfen und Fabrikanlagen (Brückenkran, Rotterdam, um 1926), schafft Krull einen neuen Typus technischer Fotografie (Serie Métal, 64 Tafeln, 1927/28). Außerdem entstehen Aufnahmen von Wegbegleitern wie Kurt Eisner (1918) und Walter Benjamin (1927) und Selbstporträts (Selbstporträt mit Icarette, um 1928; Selbstporträt, Paris, 1927). Beindruckend sind ihre Fotografien von Händen bekannter und weniger bekannter Zeitgenossen. Für Michel Frizot, Kurator des Jeu de Paume und Autor des auch in deutscher Übersetzung vorliegenden Kataloges, nähert sich die Fotografin diesen, als „handele es sich um das Gesicht dieser Person“.


Germaine Krull: Brückenkran, Rotterdam. Serie “Metall“, um 1926, Silbergelatineabzug, 21,9 x 15,3 cm, Stiftung Ann und Jürgen Wilde, Pinakothek der Moderne, München, © Estate Germaine Krull, Museum Folkwang, Essen

Krulls Lebensweg führt sie nach London, in die Niederlande, deren Staatsangehörigkeit sie im Jahre 1927 durch eine Scheinehe mit dem Filmemacher Joris Ivens annimmt, sie arbeitet Ende der 1940er Jahre als Kriegsfotografin, reist durch Lateinamerika und übersiedelt nach Asien. Hier leitet sie seit 1946 das Hotel Oriental in Bangkok, weitere tausende Fotografien buddhistischer Monumente entstehen. Sie bleibt eine reisende und kritische Beobachterin ihrer Zeit, Ende der 1960er Jahre wird Tibet und das Schicksal der Exilanten ihr Thema. Erst 1983 kehrt sie nach Deutschland zu ihrer Schwester Berthe zurück und stirbt zwei Jahre später in Wetzlar.

Germaine Krull hinterlässt ein umfassendes, facettenreiches Werk, entstanden auf einem nicht allein interessanten und oft abenteuerlichen, sondern vor allem auch mühevollem Lebensweg. Das Jeu de Paume hat es sich zur Aufgabe gemacht, künstlerische Positionen von Frauen aufzuarbeiten und einem breiten Publikum vorzustellen, besondere Aufmerksamkeit gilt dem Werk von Fotografinnen. Durch das finanzielle Engagement des Sparkassen-Kulturfonds kehrt Germaine Krull nun nach Berlin zurück. Ihre Momentaufnahmen von Orten und Menschen „halten die Zeit an“, übergeben sozusagen an die Betrachter und zeigen auf diese Weise eine „bewegte Realität“.

Germaine Krull – Fotografien
bis 31. Januar 2016
Martin-Gropius-Bau
Niederkirchnerstraße 7
10963 Berlin
Mi. – Mo. 10.00 – 19.00 Uhr
gropiusbau.de

Dr. Barbara Borek

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