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Do it yourself – Die Freiheit der Kunst

von Inge Pett (24.01.2016)
vorher Abb. Do it yourself – Die Freiheit der Kunst

Antonio Dias, Do it yourself: Freedom Territory,1968/2016. Foto: Vertretung des Landes Niedersachsen beim Bund, Courtesy Kunstmuseum Wolfsburg

Freiheit – ein großes Wort. So groß, dass man kaum darüber reden könne. Es war ein Mann des Wortes, der dies gleich zu Beginn der Diskussionsveranstaltung „Freedom. Ein Abend zur Freiheit der Künste“ einwarf, der Kunstkritiker Georg Imdahl. Mit ihm auf dem Podium Ralf Beil, Direktor des Kunstmuseums Wolfsburg, sowie der Künstler Benjamin Walther.

Eingeladen hatte die Niedersächsische Landesvertretung in Berlin. Der Weg zur Veranstaltung führte durch das haushohe Foyer - und über die Kunst. Genauer über eine Bodenarbeit von Antonio Dias.

Der Künstler schuf sie 1968 – zu Zeiten der brasilianischen Militärdiktatur – und nannte sie: „Do it Yourself: Freedom Territory“. Wie eine Spielfeldmarkierung aus lauter kleinen Zellen bilden helle Kreuze aus Titan ein großformatiges Raster, das beliebig erweitert werden könnte. Aus den damaligen Lebensumständen in seinem Land heraus hatte Dias seine eigene Sicht auf die Freiheit und die Kunst. Ob jedem Besucher der Niedersächsischen Landesvertretung bewusst war, worauf er da seine Fuß setzte? Welch kleines Reich der Freiheit er durchquerte?

Steht die Frage nach der Freiheit noch auf der künstlerischen Agenda knapp ein halbes Jahrhundert nach Dias Arbeit? Wie steht es heute um die künstlerische Freiheit? Wie trägt Kunst heute dazu bei, Freiheit in unserer Gesellschaft zu wahren und in der Welt zu verteidigen?

Angesichts der aktuellen Geschehnisse in Europa und der internationalen Krisen mit all ihren Folgen für die Freiheit, die Kunst und die Freiheit der Kunst ein in der Tat äußerst wichtiges Thema. Entsprechend hoch gespannt waren die Erwartungen an eine Debatte mit Flughöhe.

Eingangs monierte Benjamin Walthers per Videobotschaft präsente Partnerin Manon Awst die Beschneidung der Freiheit durch die Dauerpräsenz in Sozialen Netzwerken. Zwischen E-Mails und Facebook käme der Künstler kaum noch zur Besinnung, könne keine Nischen finden. Was Awst nicht abhielt, sich von Walther ein paar Handyfotos vom Publikum nach Wales schicken zu lassen. Imdahl immerhin widersprach dem „Lamento übers Internet“, da dessen Gebrauch vom Nutzer durchaus mitbestimmt werden könne.

Der nächste Schauplatz der Debatte: die harten Gesetze des Kunstmarktes, der finanziellen und sozialen Druck auf die Künstler ausübe. So etwa der Zwang, Vernissagen besuchen zu „müssen“. Benjamin Walther sieht darin die Freiheit des künstlerischen Individuums einschränkt. Auch Imhof, der eine Professur an der Kunstakademie Münster innehat, erkennt ein strukturelles Problem der Kunst darin, unter dem Druck der Ökonomie intellektuelle Spielräume zu bewahren. „Was kann Kunst demnach in einem gesättigten Land noch leisten?“ Vielleicht „runterfahren anstelle von aufblähen“?

Ralf Beil fügte hinzu, dass ebenso große Kunst-PR-Agenturen die Freiheit der Kunst in Deutschland beschnitten, indem sie Journalisten beeinflussten sowie einzelne Künstler, Galerien und Einrichtungen promoteten. Auch müsse in den öffentlichen Museen mit viel Geschick agiert und die Interessen von Lobbys berücksichtigt werden. Während Beil als Kurator und Kunstkritiker nach eigenen Angaben bisweilen einen Maulkorb aufgesetzt bekommen habe, erklärte Imhof, sich in seiner Tätigkeit noch nie gegängelt oder unfrei gefühlt zu haben.

Was man in der Landesvertretung von Niedersachsen vernahm, war teils die übliche Kapitalismuskritik und die Kritik an einem Markt mit allen Nach- und Vorteilen. Immerhin generiert er für viele Künstler gleichwohl die Mittel und Möglichkeiten der Selbstverwirklichung.

Aber sind das wirklich die drängenden Probleme der Zeit? Von welchem Freiheitsbegriff war auf dem Podium überhaupt die Rede? Schließlich leben auch Künstler, Kritiker und Kuratoren nicht im luftleeren Raum. Die Kunst als einzige narrenfreie Bastion der Welt?

Mäzene und ein Kunstmarkt sind ja nicht neu. Und immer schon gab es Vorlieben des Publikums, die einige Künstler eben geschickt bedienten und andere nicht. Es war und ist in der Regel ihre freie Entscheidung, dem mit allen Konsequenzen zu entsprechen oder eben nicht. Und viele Künstler haben gerade deshalb einen Marktwert, weil sie sich ihre Eigenart bewahren. Nicht für die Teilnahme am Marktgeschehen wurden und werden Künstler verfolgt. Abgesehen davon, dass wohl schon Maler wie Vermeer oder Raffael vergleichbaren Marktzwängen ausgesetzt gewesen sein dürften, fragt sich der Zuschauer, ob angesichts des vorgegebenen Themas nicht auf sehr hohem Niveau gejammert werde.

Sicher ist die Kunst ein Seismograph der Freiheit. Freiheit ist ihre Voraussetzung. Kunst wiederum kann befreiend wirken. Welche Rolle spielt Kunst also im politischen und öffentlichen Leben? Heute und morgen? Hier und anderswo?
In anderen Teilen der Welt – Polen, Ungarn, Saudi-Arabien oder China – hätten Künstler erst gar nicht die Wahl, an einem Kunstleben teilzunehmen oder nicht, relativierte Imhof. „Auch haben sie keinen Kokon, in den sie sich zurückziehen können“.

„Global Player“ hingegen wie Ai Weiwei seien „gleichermaßen draußen und drinnen“, so Beil. Der chinesische Dissident hatte in seiner Ausstellung im Martin-Gropius-Bau die eigene Gefängniszelle ausgestellt. Beil kritisierte, dass die Unfreiheit der Kunst hier von einem „mittelständischen Unternehmen“ zu Markte getragen werde.

Was erstaunlicherweise nicht debattiert wurde, ist eine neue Generation von Künstlern, die partizipatorische Konzepte erproben und dabei das eigene Ego in den Hintergrund zu rücken bereit sind. Eine Generation, die wie Antonio Dias an basisdemokratische Veränderung und Verantwortung glaubt. Und die bereit ist, das Territorium der Freiheit auszudehnen, indem sie von ihr Gebrauch macht. Do it yourself – auch 2016 in Berlin.

Inge Pett

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