Hans-Peter Feldmann vor seinen Arbeiten
Bereits 2013 waren in drei Berliner Galerien Einzelausstellungen von Hans-Peter Feldmann zum Gallery Weekend zu sehen. Jetzt, anlässlich seines 75. Geburtstages, präsentiert C/O Berlin eine Retrospektive mit etwa 250 Bildern – angefangen bei Positionen der späten 1960er Jahre bis hin zu Feldmanns neuesten Arbeiten. Nur eine Ehrung an einen - aus kunsthistorischer Sicht - bemerkenswerten Künstler, der Autorenschaft und Sehgewohnheiten in der Kunst neu auslotete? Oder eine Präsentation, die Feldmanns Reflexion über die Ambivalenz von Bildwelten als aktuelles Statement erneut manifestiert?
Hans-Peter Feldmann, 1941 in Düsseldorf geboren, arbeitet vor allem mit vorgefundenen, aber auch mit eigenen Fotografien und Alltagsgegenständen. Er bezieht alle möglichen fotografischen Genre wie Porträts oder Urlaubsaufnahmen, Collagen und Cut-Outs sowie Zeitschriften und Fotokopien in sein Werk ein. Er sammelt, arrangiert und stellt Bilder zumeist als Serie nach bestimmten Kriterien zusammen wie beispielsweise die Sequenz Sonntagsbilder aus den 70er Jahren. Ein Konvolut aus ursprünglich 21 Fotografien mit Motiven von Pferden, Liebespaaren, einem Sonnenuntergang, Schwänen, Seelandschaften oder einer kleinen Katze, übertragen in Offsetdruck, in Schwarz-Weiß und ohne Rahmung auf die Wand gebracht. Sehnsuchtsmotive einer heilen Welt, die aus der Werbung stammen könnten, doch als Schwarz-Weiß-Motive seltsam nüchtern und fremd wirken.
Wie die Sonntagsbilder rufen viele Werke des mehrfachen documenta Teilnehmers persönliche Erinnerungsmomente hervor, evoziert durch ihren kollektiven Charakter und ihre dargestellte Alltäglichkeit, die jeder kennt, in der sich jeder wiederfindet. Manchmal wirken die Bilder fast didaktisch, wenn wie bspw. auf den "Familienbildnissen" die Köpfe ausgeschnitten sind und das Motiv als Projektionsfläche zu offensichtlich eingefordert wird. Manchmal bleiben sie rätselhaft und beziehen daraus einen komplexen Spannungsmoment wie auf der Fotografie des rollerfahrenden Mädchens. Dort berührt das Mädchen die Silhouette eines anderen Kindes, das wie bei den Familienporträtköpfen ausgeschnitten wurde. Die dahinterliegende weiße Wand kommt zum Durchschein und entfaltet ihre Wirkkraft unmittelbar im Bild. Zwei unterschiedlicher Realitätsebenen treffen aufeinander: die materiellen Realität der Fotografie und die abfotografierte Wirklichkeit. Offensichtlich geht es nicht nur um das Bild als Projektionsfläche, sondern auch um das Medium als solches.
Betritt man den mittleren Ausstellungsraum, der insgesamt vier Räume umfassenden Ausstellung, verblüfft die Sogkraft, welche die Serie 100 Jahre ausübt. 100 und 1 Person hat Feldmann aus seinem Bekanntenkreis fotografiert - beginnend bei einem 8 Monate alten Baby und endend bei einer hundertjährigen Frau. Sofort assoziiert man Menschen aus seinem eigenen Umfeld und imaginiert sie in den Fotografien, sich selbst eingeschlossen. Rückblenden tauchen auf und Zukunftsbilder erscheinen. Wie war das noch mit 20? Wie wird es sein mit 85? In der Mitte des Raumes steht ein großer Blumenstrauß und vermittelt den Eindruck, dass es sich hier um einen Andachtsraum handelt.
Der Fundus öffentlicher Bilder weicht dem Blick ins Private. Doch was macht ein Bild öffentlich, was privat? Aus Feldmanns Verständnis heraus ist die Bildwelt demokratisch, sie gehört keinem und allen zugleich. Häufig erwirbt er Fotografien auf Märkten oder in Antiquariaten, kombiniert sie und entwirft seine visuelle Sprachstruktur, die man versuchen kann zu entschlüsseln oder die eben die Basis für das Eigene bildet.
Feldmanns demokratisches Bildverständnis führt fast automatisch zu der Frage, was er denn, in Zeiten von Instagram & Co., vom Internet halte. Der Künstler antwortete, dass er damit nichts anfangen könne. Selbst sein Smartphone läge im Hotel, weil er damit nicht richtig umgehen könne.
Hans-Peter Feldmann studierte zunächst Malerei und arbeitete ab Ende der 60er Jahre konzeptuell mit dem Medium Fotografie. Zwischen 1968 und 1975 entstand seine Werkreihe „Bilderhefte“. Zwischen 1980 und 1989 zog sich Hans-Peter Feldmann aus der Kunstwelt zurück. Ende der 90er Jahre publizierte er im Eigenverlag (Feldmann-Verlag) und war Mitbegründer der textlosen Zeitschrift „OHIO“ sowie der Zeitschrift „cahiers des images“ gemeinsam mit Celine Duval. Seine Werke hat er in zahlreichen Ausstellungen weltweit präsentiert – im Guggenheim Museum, New York City, in der Pinakothek der Moderne, München, im Fotomuseum Winterthur, in den Deichtorhallen, oder im Museo Reina Sofía, Madrid. 2011 bekam Feldmann den Hugo-Boss-Preis und tapezierte mit dem Preisgeld den Ausstellungsraum. Sein 1979 in Düsseldorf eröffneter Andenkenladen für Dinge, die ihm gefielen, wurde 2015 vom Münchner Lehnbachhaus angekauft.
Ausstellungsdauer: 30. April bis 10. Juli 2016
Öffnungszeiten täglich . 11 bis 20 Uhr
Eintritt 10 Euro . ermäßigt 6 Euro
C/O Berlin . Amerika Haus
Hardenbergstraße 22-24 . 10623 Berlin
co-berlin.org
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