Wie schön es sei, durchatmen zu können, schwärmt Udo Kittelmann beim Betreten der historischen Ausstellungshalle im Hamburger Bahnhof. Dem Direktor der Nationalgalerie bedeutet es sehr viel, die minimalistischen Werke des amerikanischen Künstlers Carl Andre ausstellen zu können. Im Alter von 22 Jahren stieß er erstmals auf die Skulpturen des heute 80-Jährigen Andre, was sein Verständnis von Kunst nachhaltig prägte.
Über 300 Arbeiten von Carl Andre werden auf rund 7500 Quadratmetern des Hamburger Bahnhofs bis zum 18. September 2016 gezeigt. Seine bisher umfangreichste Einzelausstellung bietet einen umfassenden Überblick über das in den vergangenen 50 Jahren entstandenen Werk. Andre, einer der bedeutendsten Pioniere der Minimal Art, ist bekannt für seine puristischen Skulpturen und großflächigen, geometrischen Bodenarbeiten, die zum Teil in ihrer Formensprache den Einfluss von Frank Stella oder Brancusi erkennen lassen.
Radikal befreite der Künstler die Skulptur vom Sockel und formulierte bestechend einfach mit den für ihn maßgeblichen Begriffen Form, Struktur und Ort sein Verständnis von Skulptur. Er verwendet Roh- und Industriematerialien – unbearbeitetes Holz, unterschiedliche Metalle, Beton und Gesteine. Vorgefertigt, häufig unbearbeitet, ordnet er die Materialien jeweils nach einem strengen, meist geometrischen System. Dabei spielen metallurgische Gesichtspunkte eine Rolle, die ihre Entsprechung im Periodensystem haben. Aufeinander gestapelte oder nebeneinander gelegte Platten, Blöcke und Barren - um nur wenige Formen und Formationen zu nennen - bilden dann jeweils eigenständige Arbeiten, die durch ihre Einfachheit und Reinheit - nicht zuletzt aufgrund ihrer Größe - auch heute noch bestechen.
Überzeugend ist das Konzept der Kuratorin Lisa Marei Schmidt, die den Arbeiten genügend Raum gibt, der nicht verstellt wird, sondern sich in seiner Weite öffnen kann - genau wie die Arbeiten es erfordern. Es wurden für die Ausstellung zusätzlich die Rieckhallen genutzt, so lassen sich die Skulpturen systematisch „abschreiten“, häufig auch begehen. Ist man sonst als Museumsbesucher darauf bedacht, den Kunstwerken nicht zu nahe zu kommen, verlangt Carl Andre genau das Gegenteil.
Neben Andres Bodenarbeiten und Skulpturen befasst sich die Ausstellung „Sculpture as Place, 1958-2010“ auch mit einer unbekannten Seite des Künstlers. Papierarbeiten sowie eine Serie kleiner Assemblagen unter dem Titel „Dada Forgeries“ und eine erstaunliche Anzahl an Gedichten Andres, die sich als konzeptuelle Erweiterung seiner Skulpturen verstehen lassen, ergänzen das Gesamtwerk.
Carl Andre: Sculpture as Place, 1958-2010
5. Mai - 18. September 2016
Hamburger Bahnhof - Museum für Gegenwart Berlin
Invalidenstraße 50/51, 10557 Berlin
Weitere Infos:
www.smb.museum/ausstellungen/detail/carl-andre
Titel zum Thema Carl Andre :
Bestechend einfach - Carl Andre im Hamburger Bahnhof
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