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The different ´In-between`. XXII Rohkunstbau im Schloss Roskow

von Shantala Sina Branca (15.07.2016)
vorher Abb. The different ´In-between`. XXII Rohkunstbau im Schloss Roskow

Schloss Roskow, Foto: Shantala Sina Branca

Aus deutscher Sicht ist es nahezu selbstverständlich, dass Kinder Kinder, Jugendliche Jugendliche sein dürfen bevor das Erwachsensein sie einholt. Aus deutscher Sicht erscheint so vieles als selbstverständlich. Doch trotz UN-Kinderrechtskonvention weiß man, dass Kinder nicht überall eine Kindheit, Jugendliche nicht überall eine Jugend haben.

Wie unterschiedlich das ´Dazwischen` - die Zeit zwischen Kindheit und Jugend zum Erwachsenenalter - auf unserer Welt sein kann, thematisiert die seit 1994 regelmäßig stattfindende Ausstellungsreihe Rohkunstbau mit der aktuellen Ausstellung „Zwischen den Welten - Between the Worlds“, die von Mark Gisbourne kuratiert wurde. Das im 17. Jahrhundert erbaute und teilweise marode anmutende Schloss Roskow bei Brandenburg, das schon mehrere Male als Ausstellungsort von Rohkunstbau diente, unterstreicht passenderweise das ´Dazwischen` verschiedener Welten. Wurde es einst als Flüchtlingsunterkunft und Schulgebäude genutzt, ist es heute ein verwunschener Ort für Kunst und Kultur - zwischen einer Millionenmetropole und dem brandenburgischen Landleben.

Werkabbildung
Ausstellungsansicht, Arne Schreiber, #643, 2016, Öl, Siebdruck auf Leinwand/Oil, silk screen on canvas, 259 × 190 cm
#653, 2016, Buche/Beech tree, ca. 600 × 40 cm, Courtesy Galerie koal, Berlin, Foto: Shantala Sina Branca

Mark Gisbourne vereint elf künstlerische Positionen unterschiedlicher Herkunft und thematisiert das Recht des Kindes auf Kindheit. Der Potsdamer Künstler Arne Schreiber bedient sich seiner Kindheitserinnerungen aus der ehemaligen DDR und bespielt einen Raum des Schlosses, welches nach 1952 zur ehemaligen deutschen demokratischen Republik gehörte, mit zwei großformatigen Fotografien aus gemeinsamen Badeferien mit seiner Familie an der Ostsee. Die von den Eltern mit einer Super-8-Kamera aufgenommenen Fotos stellen für Schreiber die einzig flüchtige Erinnerung an diese doch mehrheitlich unbeschwerten Kindertage dar. Schwarze, sich zunehmend verdichtende Farbbalken auf den Fotografien verstärken den Eindruck des Verblassens der eigenen Erinnerungen. Neben der Unbeschwertheit, die Schreiber damals als Kind im Urlaub erleben durfte, sieht er das Meer im Allgemeinen heute als ambivalent - einerseits Erholungsort, andererseits tragischer Ort, an dem - wie auch schon zu DDR-Zeiten - zahlreiche Flüchtlinge ihr Leben verloren haben.

Die aus China stammende Konzeptkünstlerin und Kalligraphin JIA erinnert an schätzungsweise 60 Millionen zurückgelassene Kinder von chinesischen Wanderarbeiterinnen und -arbeitern. Aufgrund des seit einigen Jahrzehnten bestehenden „Hukou-Systems“, welches chinesische Kinder im Hinblick auf die staatlich vorgeschriebene Schulzeit an ihre Heimatprovinzen bindet, kommt es dazu, dass die große Mehrheit der Kinder bei ihren Großeltern - wie die Künstlerin selbst - oder in Waisenhäusern aufwächst. In einer für uns anderen Welt, in der Kinder ohne ihre Eltern aufwachsen, erschuf sich JIA damals ihre ganz eigene Welt. Die mittlerweile in Berlin ansässige Künstlerin bringt den magischen Ort - einen Mini-Shop, den bunte Kinderzeichnungen schmücken und in dem Kinder Süßigkeiten kaufen können - zu uns nach Europa und gewährt uns Einblick in den fantasievollen Zufluchtsort der zurückgelassenen Kinder.


Ausstellungsansicht XXII. Rohkunstbau, Jia (China), Mini-Shop, 2016, verschiedene Materialien und Videoprojektion //
Mixed material and video projection, 25 min, Foto: Shantala Sina Branca

Wie unterschiedlich und dramatisch Kindheiten auf dem Weg zum Erwachsenwerden verlaufen können, zeigt der syrische Künstler und Comiczeichner Hamid Sulaiman, dessen künstlerisches Schaffen durch den Arabischen Frühling Popularität erlangte. So unbeschwert das Kindsein eigentlich sein sollte, so ist sie auch die gefährlichste Lebensepoche. Ehrlich, unvoreingenommen und rein - aber auch schutzlos, unerfahren und manipulierbar. Hamid Sulaiman, der selbst vor dem Krieg in Syrien flüchtete, thematisiert in seinem „brainwash project“ den Einfluss der Medien auf Kriegskinder und die Tatsache, wie dramatisch schnell und einfach Kinder zu Kriegszwecken missbraucht werden. Comiczeichnungen in chronologischer Abfolge zeigen die Entwicklung eines Kindes auf dem Weg zum Erwachsenen. Nachdem im jugendlichen Alter eine große Blase im Kopf - das Suchen nach einer eigenen Identität und Perspektive - entsteht, wird diese im letzten Bild der Abfolge mit einem „Gotteskrieger“ gefüllt. Der Künstler bewertet Bildung und Erziehung als ausschlaggebendes Moment, das das Schicksal vieler Kinder von Beginn an in eine bessere und kindesgerechte Richtung lenken könnte.

„Zwischen den Welten - Between the Worlds“ ist ein spannendes und (in vielerlei Hinsicht leider) wohl immer aktuell bleibendes Thema, das Mark Gisbourne in der Ausstellung gelungen aufgreift.

Künstlerinnen und Künstler:
Edouard Baribeaud (F), Ammar al-Beik (SYR), Sokari Douglas Camp (NG/GB), Angela de la Cruz (E), Anthony Goicolea (CUB/US), JIA (CHN), Clemens Krauss (AT), Ryan Mosley (GB), Arne Schreiber (D), Peter Stauss (D), Hamid Sulaiman (SYR)

Ausstellungsdauer: 10. Juli bis 18. September 2016

Rohkunstbau
Schloss Roskow
Dorfstraße 30
14778 Roskow, Brandenburg
rohkunstbau.de

SA + SO 12-18 Uhr
Eintritt: 8 Euro / 5 Euro ermäßigt, Kinder und Jugendliche bis 12 Jahre freier Eintritt

Shantala Sina Branca

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