Im Rahmen dieses Tages bieten viele Berliner Moscheen Führungen, Vorträge, Ausstellungen, Folklore, Informationsmaterialien und Begegnungsmöglichkeiten an.
„Ordnungsgemäß ablaufen“, „in Betrieb sein“, „von der Hand gehen“– das sind nur einige Synonyme des substantivierten Verbs „Funktionieren“.
FUNKTIONIEREN – in großen Lettern – lautet auch der Titel einer Ausstellung des Künstlers Nasan Tur. Und Nasan Tur wird funktionieren: Bis zum 28. Januar hat er im Erdgeschoss des 40 Meter langen Galerieraums von Blain Southern eine Druckwerkstatt eingerichtet.
Der Künstler knüpft damit an die Tradition des Gebäudes an, in dem Geschriebenes verbreitet wurde. Früher befand sich dort die Druckerei der Tageszeitung „Der Tagesspiegel“. Längst übernehmen Computer die Arbeit des Setzers. Und noch früher waren es die Buchdrucker, die Buchstabe für Buchstabe mit der Hand gestalteten, um Texte zu reproduzieren.
In der temporären Druckerei werkeln nun Nasan Tur und seine Assistenten vor den Augen der Galeriebesucher. „Jeder Schritt in dieser Werkstatt soll transparent sein“, betont der Künstler. Doch welche Worte/ Werte sind es, die er verbreiten möchte? Oder sind es vielmehr Provokationen? „Empathy is Naive“ etwa lautet eines der polemischen Statements, frisch gedruckt auf Papier.
Mit dem Holzschnitt – der ältesten Drucktechnik der Welt – greift Tur Sprüche auf, wie sie heute die Sozialen Medien verbreiten: einfache Lösungen, plakativ – und sicherlich zu hinterfragen. „Knowledge is Dangerous“ und „Control is Necessary“ etwa lauten Parolen aus früheren Arbeiten. Im Laufe der Ausstellung werden neue, spontan entwickelte, hinzukommen.
Der Kontakt mit dem Besucher interessiert den in Berlin lebenden Künstler nicht. Auch sieht er den Werkstattbetrieb nicht als Performance, möchte stattdessen den Prozess der künstlerischen Arbeit hervorheben. „Ich spule zurück von den Neuen Medien hin zur Handarbeit.“
Und auch die Flüchtlingskrise hat Einzug gehalten in die noblen Galerieräume von Blain Southern. Zwei großformatige idyllische Fotografien vom Meer – darunter ein Sonnenuntergang - hängen dort an den Stirnseiten. Tur erinnert in seiner Serie „Seaviews“ daran, dass weltpolitisch derzeit vieles ganz und gar nicht funktioniert, gewaltig aus den Fugen geraten ist. So sind Abertausende von Menschen, die ihre Heimat verloren haben, auf der Flucht nach Europa ertrunken, ertrinken immer noch in überfüllten, funktionsuntüchtigen Booten.
Menschen und Boote sind auf den Fotos allerdings nicht zu sehen – diese hat der Künstler von den Pressebildern gecropped. Dass es sich um Fotos aus dem Internet handelt, zeigt auch die Qualität der Abbildungen. Die Auflösung ist grob, die Bilder sind verpixelt.
„Ich möchte der Ohnmacht des Rezipienten entgegenwirken“, erklärt der Künstler. Mit seiner Arbeit wolle er ein Zeichen gegen das Abstumpfen gegenüber Schreckensnachrichten setzen. Er zeigt die reine Schönheit, indem er das Furchtbare auslässt – und betont dieses umso mehr, indem er die „Grenze zwischen Fakten und Fiktion“ aufhebt. Eine Schönheit, die sich in den großzügigen Räumen noch potenziert.
Dringlich möchte Tur so den Betrachter daran erinnern, dass das Mittelmeer - Ziel unserer Sehnsüchte – auch ein „großer Friedhof“ ist. Um seine Message zu transportieren, zählt er die Toten, hält Datum und Ort in anthrazitfarbener Aquarellschrift fest. Die Zahl 772 und die Erläuterung „Mossul Irak 27. Oktober 2016“ zeugen von einer anderen menschlichen Katastrophe. Insgesamt sind es sieben Erinnerungstafeln (1, 3, 5, 6, 20, 73, 107) an der Längswand zwischen den beiden Seaviews. Ein „Memento Mori“ und zugleich ein Kontrapunkt zu den schnellen Bildern des Internet.
NASAN TUR
FUNKTIONIEREN
Ausstellungsdauer: 26.11.2016 – 28.1.2017
Blain|Southern
Potsdamer Straße 77–87
10785 Berlin
blainsouthern.com/
Titel zum Thema Nasan Tur:
Zwischen Fakten und Fiktion. Nasan Tur bei Blain Southern
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