19 Uhr: Archivpräsentation. Werner Heegewaldt (Direktor des Archivs der AdK). Lesung mit Erdmut Wizisla (Literaturwissenschaftler) und Mathias Bertram (Kurator). Galerie Pankow | Breite Str. 8 | 13187 Berlin
Lady Gaga, Exzentrikerin unter den Popstars, machte es 2010 weltberühmt, das „Flesh Dress for an Albino Anorexic“. Die Künstlerin Jana Sterbak designte das Kleid bereits 1987, wobei sie ein ungewöhnliches Material verwandte. Anstelle von edlen Stoffen wählte sie rohes Rindfleisch. Während das Time Magazine das Flesh Dress zum „modischen Top Statement 2010“ kürte, gingen engagierte Tierschützer auf die Barrikaden.
Eine Neuanfertigung der umstrittenen Oberbekleidung ist nun im Rahmen der Retrospektive „Jana Sterbak. Life-Size. Lebensgröße“ im Museum Lehmbruck in Duisburg zu besichtigen. „Uns Mitarbeiter stellte das vor ungewohnte Aufgaben“, berichtet Kurator Michael Krajewski. Unter dem strengen Blick der Künstlerin hätte das Team die Fleischstücke zusammengenäht – eine Aufgabe, die den Mitarbeitern, darunter zum Glück keine Vegetarier, einiges an Überwindung sowie handwerklichem Geschick abverlangte.
Die Restauratorin wiederum zeigte sich besorgt, dass das faulende, an einer Mannequinpuppe präsentierte Fleischkleid Fliegen und Ungeziefer anziehen könne. Und auch die Sinne des Ausstellungsbesuchers sind auf eine harte Probe gestellt, denn die ausgedörrten, im Laufe der Zeit dunkler werdenden Fleischfetzen bilden keineswegs einen appetitlichen Anblick.
Vorsorglich hält mancher Betrachter erst einmal die Luft an, wenn er sich dem Exponat nähert, was sich jedoch als unnötig erweist. Da das Flesh Dress aus gepökeltem Fleisch genäht ist, entwickelt sich keine faulige Ausdünstung. Anders jedoch bei Sterbaks „Chair Apollinaire“, der einen penetranten Geruch verströmt. Während das „Flesh Dress for an Albino Anorexic“ eine zeitgenössische Interpretation des Vanitas-Motivs darstellt, geht es der tschechisch-kanadischen Künstlerin bei dem Sitzmöbel aus Fleisch vielmehr um den Tod des Begehrens. Im Fernsehsessel versacken Couch Potatoes und mutieren zu schlaffen Stubenhockern. Für Leidenschaft ist das die Endstation.
Doch nicht nur der lokale Metzger, der dem Museum das Fleisch lieferte, war in das Ausstellungsprojekt involviert. Auch einen Duisburger Bäcker hatte Krajewski bereits gefunden, um das „Bread Bed“ (1996), ein mit einer Matratze aus Brot ausgelegtes Bett, auszustatten. Doch kurzerhand entschied Jana Sterbak dann, es bei dem zuvor in Wien gebackenen Brot zu belassen. Diese Arbeit war nach einem Aufenthalt der Künstlerin bei den Shakern, einer Freikirche in den USA, entstanden: Brot und Bett stehen hier für die elementaren Bedürfnisse des Menschen.
Die Schau zeigt Werkgruppen der 1955 in Prag geborenen Künstlerin von den späten 1970er-Jahren bis heute, wobei das Oeuvre Skulpturen, Installationen, Zeichnungen, Performances, Fotografien und Filme umfasst. Vor allem der menschliche Körper und seine Bedürfnisse bzw. Vergänglichkeit stehen im Fokus des Werks. Einige Arbeiten erinnern auf beklemmende Weise an orthopädische Hilfsmittel, so etwa „Remote Control“ oder „Monumental“. Der Mensch, der sie nutzt, ist nur noch bedingt selbstbestimmt, läuft Gefahr, die Kontrolle zu verlieren. Wie auch im Falle von „Sisyphus III“, einer Art schulterhohem Käfig mit rundem Boden. Ein Video zeigt, wie ein Mann mühsam versucht, darin die Balance zu halten, nicht vom Fleck kommt, immer wieder strauchelt und dennoch nicht kapituliert. Eine starke, wenn auch nicht gerade optimistisch stimmende Metapher für menschliches Leben.
Die emotional aufgeladene Arbeit „I Want You To Feel The Way I do... (The Dress)“ bezieht sich auf die mythologische Figur der Medea, die ihrer Rivalin ein vergiftetes Kleid zukommen lässt, das deren Körper verbrannte. Die Installation wird vervollständigt durch ein Gedicht Sterbaks, dessen leidenschaftliche Intensität einen persönlichen Zugang der Künstlerin zu der Thematik vermuten lässt. So wie überhaupt viele ihrer Arbeiten, obwohl oft von den Feministinnen für sich vereinnahmt, vor allem eines sind: hochgradig subjektiv.
Ebenfalls persönlich ist Sterbaks Auseinandersetzung mit dem als übergroß empfundenen Joseph Beuys und dem Leistungsdruck, den dieser Heros der zeitgenössischen Kunst in ihr auslöst. Immer neu, immer originell, so die Forderung des Kunstbetriebs, wobei Beuys den Maßstab bildet. Dem Gefühl der Überforderung wirkt Sterbak kurzerhand entgegen, indem sie zur Motte mutiert – und die 100 Filzanzüge von Beuys einfach auffrisst.
Jana Sterbak. Life-Size. Lebensgröße
Ausstellungsdauer: noch bis 11. Juni 2017
Wilhelm Lehmbruck Museum – Zentrum Internationaler Skulptur
Düsseldorfer Straße 51
47051 Duisburg
lehmbruckmuseum.de/
Titel zum Thema Jana Sterbak:
Rindfleischkleid und Couch Potato – Retrospektive von Jana Sterbak im Museum Lehmbruck
Von einem Ausflug nach Duisburg (Teil 2): Unsere Ausstellungsbesprechung zu Jana Sterbak. Life-Size. Lebensgröße“ im Museum Lehmbruck im Wilhelm Lehmbruck Museum – Zentrum Internationaler Skulptur
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