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Der Maler als Grafiker - Lucian Freud im Martin-Gropius-Bau

von Anna Wegenschimmel (20.10.2017)
vorher Abb. Der Maler als Grafiker - Lucian Freud im Martin-Gropius-Bau


Lucian Freud: The Painter´s Mother, 1982
Radierung, 29,5 x 24,2 cm
© The Lucian Freud Archive/Bridgeman Images UBS Art Collection


„Die kompromisslose Wiedergabe einer verhärmten Greisin wirkt zunächst gewiss nicht anziehend, aber es ist der Mühe wert, gegen die erste Regung anzukämpfen, denn gerade ihre unbedingte Ehrlichkeit macht die Zeichnung zum großen Kunstwerk.“ Was Ernst Gombrich in Bezug auf die Idee der Schönheit in seiner „Geschichte der Kunst“ über das berühmte Bildnis von Albrecht Dürers Mutter schreibt, trifft auch auf Lucian Freuds Radierung „The Painter’s Mother“ zu: Mit gerunzelter Stirn, zerzaustem Haar und zusammengepressten Lippen starrt die alte Frau aus dem Bild heraus. Der erste (und weitaus größte) Raum der Ausstellung „Lucian Freud: Closer“ im Martin-Gropius-Bau ist dem Genre des Porträts gewidmet und zeigt insgesamt 30 ungeschönte Bildnisse von Menschen mit Makeln wie müden Augen oder tiefen Falten. Wobei „tief“ durchaus wörtlich zu verstehen ist, handelt es sich doch um das Medium der Radierung, bei der Linien in Kupferplatten gekratzt und anschließend mit Tinte auf Papier gedruckt werden.



Ausstellungsansicht „Lucian Freud: Closer“, © Foto: Anna Wegenschimmel

Bis 22. Oktober kann man sich im Martin-Gropius-Bau in das grafische Spätwerk des deutsch-englischen Künstlers Lucian Freud vertiefen. Es ist eine Ausstellung der UBS Art Collection, der ca. 30.000 Objekte umfassenden Sammlung der Schweizer Großbank UBS Group. Kuratiert wurde sie von der Leiterin der Art Collection, Mary Rozell. Normalerweise hängen die Bilder in Büros, Fluren und Besprechungsräumen von UBS-Gebäuden weltweit, seit Samstag sind 54 Arbeiten von Lucian Freud nun öffentlich zugänglich. Nach der wenig geglückten Präsentation der Kunstsammlung des Unternehmens Würth im Jahr 2015, deren scheinbares Credo „Mehr ist Mehr“ die Besucher*innen förmlich erschlagen hat, arbeitete der Martin-Gropius-Bau nun wieder mit einer Firmensammlung zusammen – dieses Mal aber glücklicher Weise mit spezifischer Auswahl. Der Fokus auf Lucian Freud ist naheliegend, wurde der Künstler doch 1922 in Berlin geboren und lebte nicht weit entfernt vom Martin-Gropius-Bau (der damals noch das Museum für Vor- und Frühgeschichte beherbergte), bis er mit seiner Familie 1933 nach England fliehen musste. Die letzte Einzelausstellung in Berlin fand 1988 in der Nationalgalerie statt, weshalb eine neuerliche Beschäftigung mit einem der wenigen figurativ arbeitenden Maler der Nachkriegszeit – so der scheidende Direktor des Martin-Gropius-Baus Gereon Siervernich – „überfällig“ sei.



Lucian Freud: Large Sue (Benefits Supervisor Sleeping), 1995
Radierung, 82,5 x 67,3 cm
© The Lucian Freud Archive/Bridgeman Images UBS Art Collection


Nach der Präsentation der Porträts im ersten Raum, ist der zweite Raum der thematisch geordneten Schau dem Akt gewidmet. In zwölf Radierungen zeigt sich die Vielfalt an Posen und vor allem Perspektiven, in denen der Enkel Sigmund Freuds seine männlichen und weiblichen Modelle festhielt: in Frontalansicht, stark verkürzter Unteransicht oder aus der Vogelperspektive, mal auf einer Couch verankert, mal frei im Raum schwebend, manche in close-up, manche in Vollbild. Wie in den Porträts, steht auch in den Nacktdarstellungen die Haut als fleischliche Hülle des Menschen im Vordergrund und wird durch verdichtete Linien modelliert. Ins Auge sticht das Bildnis der schwergewichtigen Sue Tilley, die Freud auch in einem seiner berühmtesten (und auf dem Kunstmarkt teuersten) Gemälde auf einer Couch schlafend porträtiert hat. Losgelöst von jedem Hintergrund – die eine Hand auf dem Oberschenkel, die anderen als Kopfstütze genutzt – ist sie in der Radierung „Large Sue“ in realistischer Manier abgebildet und lässt sich als wertfreie Darstellung einer beleibten Frau gerade in Zeiten von „Fat Shaming“ als starkes Statement lesen.

Die kleineren Räume Nr. 3 und 4 sind mit weiteren zwölf Arbeiten unter anderem den Tier- und Landschaftsdarstellungen gewidmet. Freuds Hund Pluto, der immer wieder in seinen Werken auftaucht, ist den Betrachtenden wohlbekannt. Das berühmte Gemälde „Double Portrait“, das Freuds Tochter mit dem Windhund auf einem Bett liegend abbildet, hängt (als nur eines von zwei Gemälden) am Fluchtpunkt der Ausstellung und ist somit an prominenter Stelle platziert. Durch diese starke Hervorhebung scheint es jedoch seltsamer Weise die Relevanz der grafischen Arbeiten und damit den Schwerpunkt der Schau selbst in Frage zu stellen.



Ausstellungsansicht „Lucian Freud: Closer“, © Foto: Anna Wegenschimmel

Wer mit den Gemälden Freuds vertraut ist, wird auch in seinen Radierungen sofort seine Bildsprache erkennen: Die Motivik und Auswahl der Bildausschnitte ähneln sich in beiden Medien stark. Der pastose Farbauftrag bzw. die fleckige Struktur der Malerei entsprechen in den Radierungen den wilden Kreuzschraffuren. Es ist eine kleine, unaufgeregte Ausstellung, die dazu einlädt, den Maler Lucian Freud einmal als Grafiker genau unter die Lupe zu nehmen. Während in den ersten beiden Räumen unverkennbar ist, welchen Künstler man vor sich hat, stellen die Landschaftsdarstellungen und hier vor allem die Radierung „Thistle“ eine aufschlussreiche Neuentdeckung im Oeuvre Freuds dar. Die genaue Wiedergabe der verschiedenen Blüten-Stadien der Distel und der verschiedenen Ansichten ihrer Blätter würde man auf den ersten Blick wohl kaum einem der berühmtesten Porträtisten der Nachkriegszeit zuschreiben.

„Lucian Freud: Closer — Radierungen aus der UBS Art Collection“
22. Juli — 22. Oktober 2017

Martin-Gropius-Bau
Niederkirchner Straße 7
10963 Berlin
berlinerfestspiele.de/de/aktuell

Öffnungszeiten: Mittwoch bis Montag 10 – 19 Uhr, Dienstag geschlossen
Eintritt: 10€ (ermäßigt 7€), Eintritt frei bis 16 Jahre

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog im Hatje Cantz Verlag (35€/27€).

Anna Wegenschimmel

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