Im Rahmen dieses Tages bieten viele Berliner Moscheen Führungen, Vorträge, Ausstellungen, Folklore, Informationsmaterialien und Begegnungsmöglichkeiten an.
Foto: Bernd Borchardt, Courtesy Kienzle Art Foundation
Ein gelbes Rechteck sitzt auf einer hellblauen Gitterfläche aus horizontalen und vertikalen Farbbahnen. Darunter hat der Künstler braune Flecken platziert, die an manchen Stellen durch das halbtransparente Blau des Gitters durchscheinen. Bei genauem Betrachten lässt sich die Abfolge des Malprozesses Schicht für Schicht und Strich für Strich nachvollziehen. Eine gelbe Linie begrenzt das Gemälde und erinnert an den daruntersitzenden Keilrahmen. Diese eigens festgesetzte Grenze wird jedoch an einigen Stellen von der blauen Farbe gleich wieder negiert und überschritten.
Die Arbeit stammt aus dem Jahr 2012 und ist damit eine der jüngsten von Gary Stephan, die momentan in der Kienzle Art Foundation unweit des Savigny-Platzes präsentiert wird. Insgesamt 16 Werke — sieben aus Jochen Kienzles Sammlung plus neun Leihgaben von anderen Privatsammlungen — geben einen differenzierten Einblick in das malerische Werk des amerikanischen Künstlers. Der 1942 geborene Gary Stephan ist in Deutschland relativ unbekannt, in New York zählte er vor allem in den 1980er- Jahren zu den Avantgardist*innen im Bereich der abstrakten Malerei. Er verkehrte im Kreis rund um die legendäre Kunsthistorikerin Mary Boone, deren Galerie in SoHo größten Einfluss am Kunstmarkt besaß.
Foto: Bernd Borchardt, Courtesy Kienzle Art Foundation
Die Schau in der Kienzle Art Foundation, die sich auf Kunst der 1960er Jahre bis hin zu zeitgenössischen konzeptuellen Tendenzen konzentriert, zeigt in drei Räumen die verschiedenen Werkphasen aus Gary Stephans fünf Schaffensjahrzehnten. Sie sind nicht chronologisch gehängt, sodass mittels Blickachsen vielfältige Bezüge zueinander hergestellt werden können. Und dennoch fallen die Charakteristiken der einzelnen Phasen leicht ins Auge: In den 70er-Jahren malt Stephan flächig und mit wenigen Details, wobei er die Acrylfarbe teilweise in dickem Impasto auf die Leinwand aufträgt und damit die Zweidimensionalität von Malerei in Frage stellt. Dann wieder arbeitet er mit Schablonen aus rundlichen Formen, die er als tiefschwarze Lackoberflächen aus dem Hintergrund hervortreten lässt. Wie stilisierte Zeichen schweben die Gebilde auf den Gemälden, ohne eindeutig lesbar sein zu wollen. Seit den 2000er-Jahren wirken Stephans Arbeiten abermals geometrischer. Es gibt nun zahlreiche Überschneidungen im Bild, Malschichten werden überlagert, immer wieder glaubt man, Räumlichkeiten im Bild zu erkennen. So lautet der Titel einer Arbeit aus dem Jahr 2009 auch „Dorm“, also „Schlafraum“.
Foto: Bernd Borchardt, Courtesy Kienzle Art Foundation
Aus seinem vielseitigen Œuvre (das übrigens auch Grafik, Skulptur, Fotografie und Video umfasst) lässt sich eine tiefgehende Beschäftigung mit dem Medium der Malerei herauslesen: Sei es ihre Zweidimensionalität, die Frage nach der Begrenzung des Bildes, das Changieren zwischen Vorder- und Hintergrund oder abstrakte Darstellung als Projektionsfläche für die Betracher*innen. Der Kurator Klaus Merkel umschreibt das in recht lyrischer Art und Weise in dem begleitenden Katalog: „Eine gemalte Form beginnt sich vor unseren Augen zu morphen, um Hintergrund zu werden, während der Hintergrund versucht, nach vorn zu kommen, um zentrale Figur zu werden. Ein optischer Flächentausch, eine Verkehrung, die ständig im Kippen begriffen ist.“ Dabei wendet Gary Stephan verschiedene Maltechniken an, die mit den Dichotomien pastos versus aquarellhaft, opak versus durchscheinend und klare Umrisslinien versus ineinanderlaufende Farbstrukturen spielen.
Die Ausstellung, die gemeinsam mit dem Künstler konzipiert wurde, ist recht überschaubar, lohnt aber gerade deswegen den genauen Blick. Wer die Gemälde aus nächster Nähe betrachtet, sieht erst die Maltechniken, die Handschrift des Künstlers und versteht den Aufbau des Werkes. Mit der Präsentation eines hier wenig bekannten Künstlers passt die Ausstellung übrigens gut in das Konzept der Kienzle Art Foundation, wie es auf der Homepage formuliert ist: „Erklärtes Ziel der Foundation ist es, marginalisierte und quasi-vergessene oder wenig bekannte Positionen der 60er-Jahre bis heute wiederzuentdecken und deren Impulse – unabhängig von etablierten Kategorien – für nachrückende Künstlergenerationen aufzunehmen.“ Auftrag ausgeführt!
„Gary Stephan. The Future of Reading“
13.09. 2017 – 13.01.2018
Kienzle Art Foundation
Bleibtreustraße 54, 10623 Berlin
Öffnungszeiten: Donnerstag und Freitag: 14 – 19 Uhr, Samstag: 11 – 16 Uhr
Eintritt frei
Titel zum Thema Gary Stephan:
Farbe - Zeichen - Fläche - Raum. Eine Retrospektive zu Gary Stephan in der Kienzle Art Foundation
Heute endet die Ausstellung, letzte Gelegenheit also. Wer´s nicht schafft, dem sei unsere Ausstellungsbesprechung empfohlen.
GEDOK-Berlin e.V.
GalerieETAGE im Museum Reinickendorf
Galerie 15
Japanisch-Deutsches Zentrum Berlin
Freundeskreis Willy-Brandt-Haus e.V.