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19 Uhr: mit dem Klangkünstler und Performer Antti Tolvi aus Turku, Finnland im Rahmen der Ausstellung "Sound, light, silence" Galerie Pleiku | Eugen-Schönhaar-Str. 6a | 10407 B

Über den Umgang mit dem Rechtspopulismus in der Kunst

von Ferial Nadja Karrasch (26.05.2019)
vorher Abb. Über den Umgang mit dem Rechtspopulismus in der Kunst

Candice Breitz, Profile, 2017,Variante B, Video, 3:37 Minuten
Commissioned by the South African Pavilion, Venice Biennale 2017, Courtesy: KOW, Berlin


Was sind die Ursachen des Wiedererstarkens des Rechtsextremismus? Was sind die Ausprägungen und Auswirkungen und wie werden diese von Künstler*innen aufgegriffen? Dies sind Fragen, denen sich die Ausstellung „GLOBAL NATIONAL – Kunst zum Rechtspopulismus“ im Haus am Lützowplatz stellt.

Nicht wenig Raum nimmt bei dieser Befragung die Position des Künstlers Ulf Aminde (*1969, lebt und arbeitet in Berlin) ein. In „Initiative ´Herkesin Meydanı – Platz für alle` Das Mahnmal an der Keupstraße“ (2019) stellt er seinen Entwurf des geplanten Mahnmals vor, das an die Bombenattentate in Köln 2001 und 2004 der Gruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ erinnert. Die als virtuelles Haus konzipierte Gedenkstätte soll per Smartphone besucht werden können und enthält u.a. Dokumentationen zum alltäglichen Rassismus. Der Entwurf gewann 2016 einen städtischen Wettbewerb, doch die Stadt hatte es versäumt, den konkreten Ort für die Realisierung des Projekts zu sichern; die Eigentümergemeinschaft des vorgesehenen Ortes stimmte der Realisierung nicht zu. Bis heute fehlt in Köln eine offizielle Erinnerung an die Anschläge des NSU. Das Projekt, das vor Ort einen Raum für Erinnerung und Auseinandersetzung hätte schaffen und ein Zeichen gegen Vergessen hätte sein sollen, ist nun, präsentiert im Rahmen von „GLOBAL NATIONAL“, ein Zeichen der Versäumnisse im Umgang mit den Taten des NSU.


Ulf Aminde, Initiative „Initiative ´Herkesin Meydanı – Platz für alle“ Das Mahnmal an der Keupstraße (Dummy 1.0), 2019, Polystyrol-Hartschaum, 255 x 62 x 3 cm + Augmented-Reality-App-Vorschau + Full-HD-Video, 4 Min

Die in den vorderen Räumen der Ausstellung aufgestellten Schilder gehören zu der Installation „widersprechen“ (2019) der Künstlerin Christine Würmell (*1972, lebt und arbeitet in Berlin). Ausgangspunkt der Arbeit ist die Plakatkampagne des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, mit der Ende 2018 Geflüchtete dazu bewegt werden sollten, für eine Geldzahlung in das eigene Herkunftsland zurückzukehren. Die Plakate waren damals unmittelbar von Unbekannten übermalt und mit Farbe beworfen worden. Aufnahmen dieser anonymen Interventionen fanden sich schnell in den sozialen Medien wieder. Diese medialen Bilder greift Würmell auf, indem sie Ausschnitte auf Protestschilder anbringt und diese wiederum „als Ausdruck eines kollektiven Widerspruchs“ im Ausstellungsraum aufstellt. Bleibt nur die Frage, inwiefern diese Weiterverarbeitung dem öffentlich kommunizierten Dissens etwas hinzufügt? Ist es nicht vielmehr so, dass der wirksamste Ort dieser Artikulation des Nicht-Einverstandenseins eben genau der öffentliche Raum der Stadt und nicht der Ausstellungsraum einer Institution ist? Auch die gewählte Präsentationsform ist schwierig, denn ein für eine Ausstellung hergestelltes Protestschild, das (wahrscheinlich) niemals auf einer Demonstration eingesetzt wird, verliert schlicht seine Funktion und erstarrt zu einem passiven Zeichen.


Peter Friedl, Kill and Go, Video, 1995, Video 10:17 Minuten

Dass eine Aktion nicht unter ihrer Präsentation ersticken muss, wird in anderen Arbeiten deutlich, beispielsweise in Peter Friedls (*1960, lebt und arbeitet in Berlin) „Kill and Go“ (1995). Das Video dokumentiert eine Aktion des Künstlers aus dem Jahr 1995, zu der sich Friedl aufgrund der Ermordung vierer Roma in Österreich veranlasst sah. Auf einer Leuchtreklameanlage am Wiener Europaplatz platzierte der Künstler die Worte „Kill and Go“, monatelang tauchte der Schriftzug zwischen der Werbung für Kaffee, Warenhäuser, Kurzdauerparkplätze, Bier und Eigentumswohnungen auf. Die so erzeugte Irritation des business as usual, die Unterbrechung des Alltäglichen und die daraus resultierende Verstörung wird auch durch das Video transportiert.

Auch die Arbeit „Die neue Rechte“ (1995) des österreichischen Künstlers und Aktivisten Oliver Ressler (*1970, lebt und arbeitet in Wien) in Zusammenarbeit mit Martin Krenn verliert durch seine Neukontextualisierung nicht an Gehalt. Das Ausstellungsstück ist Teil einer Plakatserie, die im November 1995 für mehrere Wochen an zahlreichen öffentlichen Orten in Wien zu sehen war. Ressler und Krenn kombinieren hier Zitate rechtspopulistischer Politiker mit Textausschnitten, die sich kritisch mit diesen Positionen auseinandersetzen. Durch diese direkte Gegenüberstellung kann sowohl bei der spontanen Rezipientin im öffentlichen Raum als auch bei der Ausstellungsbesucherin eine Auseinandersetzung initiiert werden. Gleichzeitig spielt die Arbeit auf die Rolle der Neuen Rechten als Stichwortgeber für den politischen Diskurs an – ein Problem, mit dem wir heute in Zeiten von Twitter und Facebook und dem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom einiger Medien ungleich stärker konfrontiert sind.


Olaf Metzel, Türkenzimmer Abstand 12 000,– DM VB, 1982
Aufnahme der Intervention (kein Video-Still), Copyright VG Bild-Kunst, Bonn 2019


In Olaf Metzels (*1952, lebt und arbeitet in München und Berlin) Video „Türkenzimmer Abstand 12.000,- DM VB“ von 1982 dokumentiert der Künstler die Herstellung einer Skulptur, die er später in einer Annonce in der Süddeutschen Zeitung und in der B.Z. gegen einen Abstand anbot. Für die Aktion hatte er eine Einraumwohnung in Berlin-Wedding von einer türkischen Familie übernommen, der zuvor gekündigt worden war. Mit einer an der Kamera befestigten Flex gravierte Metzel ein Hakenkreuz in die Wand der von ihm zuvor ausgeräumten Wohnung – diese „Skulptur“, die den gesamten Raum einbezog, wurde schließlich in der Zeitungsanzeige beworben. Die Aktion ist eine Antwort auf die sinngemäß getroffene Aussage des damaligen Berliner Innensenators Heinrich Lummer, man könne Türken drei Meter gegen den Wind riechen und reagiert auf die Tatsache, „daß Hakenkreuze auf jeder öffentlichen Toilette zur gewöhnlichen Ornamentik zählen“ (Metzel). Das Video, eine irre Kamerafahrt entlang der Bewegungen der Flex spiegelt die Brutalität und Gewalt wider, die in Aussagen wie jener des Politikers Lummer liegen und für die sich auch oder gerade heute zahlreiche Beispiele finden lassen.


Martha Rosler, Point n‘ Shoot, 2016-2018, Digitaldruck, 112 x 168 cm.
Courtesy Galerie Nagel Draxler, Berlin / Köln


Die Liste diskriminierender, gewaltvoller Aussagen von Personen in öffentlichen Positionen führt unweigerlich zu Donald Trump. Martha Rosler (*1943, lebt und arbeitet in New York) zieht in ihrer Fotocollage „Point n´ Shoot“ (2016–18) Parallelen zwischen der verbalen Gewalt Trumps und der physischen Gewalt durch den Gebrauch von Schusswaffen. Die Aufnahme Trumps, der mit ausgestrecktem Finger auf den Betrachter zielt und die Lippen in für ihn typischer Weise schürzt, erinnert an Uncle Sam und wirkt gleichzeitig bedrohlich, verweist die Handhaltung doch auch an die Geste einer zum Schuss bereit gehaltenen Pistole. Trumps Aufnahme wird von einem Zitat überschrieben: „Where I could stand in the middle of Fifth Avenue and shoot somebody and I wouldn´t lose any voters ok? It´s like incredible“. Sowohl das Bild als auch die Aussage Trumps stammen aus der Zeit seines Wahlkampfes 2016.

Im Hintergrund der Fotocollage sind Namen unbewaffneter US-Amerikaner*innen gelistet, allesamt People of Color, die durch Schusswaffen der amerikanischen Polizei ums Leben kamen, ohne dass sich hierdurch Konsequenzen für die jeweiligen Schützen ergeben hätten. Die Arbeit unterstreicht die Gleichzeitigkeit der aktiven Gewalt, die vom Schusswaffengebrauch ausgeht und der passiven Gewalt, die im Ausbleiben der Folgen für die Nutzer dieser Waffen besteht.

Während diese Arbeiten beispielhaft die „Ausprägungen und Auswirkungen“ veranschaulichen, bleiben die Ursachen in der Ausstellung jedoch unerforscht. Dafür eröffnet der hintere Raum Einblicke in künstlerische Ausformulierungen einer besseren Gesellschaft. Neben der Installation der Künstlerin Nadira Husain (*1980, lebt und arbeitet in Berlin), in der Husain Ästhetiken unterschiedlicher Kulturen zu einem neuen Ganzen kombiniert, ist hier vor allem „Profile (Variante B)“ (2017) von Candice Breitz (*1972, lebt und arbeitet in Berlin) zu nennen. Das Video entwirft eine Identität, die sich jenseits von Hautfarbe, Gender und Alter definiert. Zehn südafrikanische Künstler*innen bekennen „My name is Candice Breitz“ und mischen im Folgenden Erzählungen der eigenen Identität mit jener von Breitz. So entsteht das Bild eines vielstimmigen, widersprüchlichen und komplexen Subjekts, dass sich fern der engen Grenzen einer qua Geburt festgeschriebenen Identität bewegt.

Ausstellungsdauer: bis 26.05.2019

Haus am Lützowplatz (HaL)
Fördererkreis Kulturzentrum Berlin e.V.
Lützowplatz 9
10785 Berlin

Tel. +49 30 - 261 38 05
www.hal-berlin.de

Öffnungszeiten
Dienstag–Sonntag 11–18 Uhr
Montag geschlossen (außer an Feiertagen)

Ferial Nadja Karrasch

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