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„Es war toll, aber ich habe nichts verstanden.“ – Ein leerer Raum voller Entwürfe des Utopischen

von Ferial Nadja Karrasch (01.05.2019)
vorher Abb. „Es war toll, aber ich habe nichts verstanden.“ – Ein leerer Raum voller Entwürfe des Utopischen

Futurzwei-Workshop „Zukunftsbilder“ zur Vorbereitung der Ausstellung „Karin Sander: Telling Art and Futures – Die Dialektik des Utopischen“, 27.10.2018 Foto © Dana Giesecke

„Es war toll, aber ich habe nichts verstanden.“(1) – Ein leerer Raum voller Entwürfe des Utopischen
Karin Sanders Ausstellung „Telling Art and Futures – Die Dialektik des Utopischen“ in der Akademie der Künste.


Wer Karin Sanders Werk und Arbeitsweise nicht kennt, den mag der leere Raum, Halle 3 der Akademie der Künste im Hanseatenweg, irritieren. Immerhin verspricht der Ausstellungstitel Berichte über Utopisches, Zukunftsaussichten also, Erbauliches, Erkenntnis vielleicht.
Wer Karin Sanders Werk und Arbeitsweise kennt, der weiß, dass irgendwo in dieser Leere die „Antwort“ liegt. Dass die Künstlerin sie in ihrem typisch minimalistischen, reduzierenden Stil irgendwo versteckt hat. Findet sich die Antwort vielleicht in dem iPad, das am Eingang bereitsteht? Wissen die anderen Anwesenden etwas, das ich nicht weiß? Man könnte sie fragen. Doch wer gibt sich schon gern die Blöße und enttarnt sich als unvorbereitet? Tragen doch alle den Vernissagen-Einheitslook: sich auskennender Gesichtsausdruck.
Derweil hat sich um das iPad eine Menschentraube gebildet. Der Zugang zur Antwort ist vorerst verstellt.
Gut so. Bleibt Raum für… Achtung: Emotionen. Aber hierzu später mehr.

Karin Sanders (*1957, lebt in Berlin und Zürich) Ausstellung Telling Art and Futures – Die Dialektik des Utopischen ist Teil des künstlerischen Forschungslabors wo kommen wir hin, das Sander mit der Schriftstellerin Kathrin Röggla und dem Komponisten Manos Tsangaris konzipierte und das sich mit der Frage beschäftigt, wie sich künstlerische Strategien verschiedener Richtungen zueinander verhalten.
Vom 21. März bis zum 2. Juni werden die Räume der Akademie der Künste im Hanseatenweg zu einer experimentellen Versuchsanordnung, innerhalb derer die viel besprochene Öffnung der künstlerischen Disziplinen sichtbar gemacht werden soll.
Für ihren Beitrag lud Karin Sander, selbst Mitglied der Akademie der Künste, Mitglieder aller Sektionen - also Bildende Kunst, Baukunst, Musik, Literatur, Darstellende Kunst, Film- und Medienkunst - in einer Mail dazu ein, ihr einen Text zu schicken. Inhalt des Texts sollte ein Kunstwerk sein, dem er oder sie eine besondere Bedeutung zuschreibt. Die 57 Antwort-Mails können auf besagtem iPad gelesen oder unter www.tellingaworkofart.de abgerufen werden.
Die Erinnerungen fallen mal ausführlich, mal knapp, mal gezeichnet, mal gedichtet, mal theoretisch, mal philosophisch, mal persönlich reflektiert aus. Beim Lesen entstehen Imaginationen der beschriebenen Werke, kleine, subjektive Kunstgeschichten, die Brücken bauen zwischen dem Gestern, dem Heute und dem Zukünftigen. Als bedeutend empfundene Momente werden in Worte gefasst und somit zumindest zu einem gewissen Grad teilbar gemacht. Sie beschreiben Augenblicke der Wertbildung, des Verstehens, der Erkenntnis, des Staunens, der Prägung und lassen sich somit als Fragmente einer positiven Begegnung mit der Vielfalt der Welt beschreiben.

Und was ist also mit den Emotionen?
Man stelle sich den Besuch der Ausstellung auf einem Zeitstrahl vor: Der erste Augenblick, das Betreten des Raumes, ist voll mit Erwartungen, schließlich soll es etwas zu sehen geben. Dann, irgendwann, ist da der Augenblick, sagen wir der Aha-Moment, in dem ersichtlich wird, worum es in der Ausstellung geht, wie sie zugänglich wird. Dazwischen: eine Zeitspanne gefüllt mit Emotionen – Neugier, Verwirrung, eventuell Unzufriedenheit, Missbilligung, Frustration. Die Erwartungen (worin genau bestehen diese eigentlich?) werden zunächst nicht, oder zumindest nicht ohne eigenes Zutun erfüllt. Ich muss selbst aktiv werden, agieren.
Und eh die Besucherin sich versieht, steht sie in diesem leeren Raum, ohne Antworten und überlegt, wie sich die eigene Utopie formulieren und realisieren ließe. Gleichzeitig sieht sie sich in dieser Leere mit den eigenen Reaktionen konfrontiert, die hervorgerufen werden durch die Begegnung mit etwas, das sie nicht sofort versteht.
Beim Schreiben dieses Textes komme ich immer wieder zurück zu der Antwort-Mail der Komponistin Carola Bauckholt, in der sie schreibt: „Als ich 17 Jahre alt war, erlebte ich im kleinen Theater am Marienplatz in Krefeld eine Aufführung, die mich tief beeindruckt hat. Es war „Repertoire“ aus „Staatstheater“ von Mauricio Kagel.
Ahnungslos saß ich wie gebannt da, völlig fasziniert über eine knappe Stunde. Danach saß man noch zusammen und ich sagte zu dem Leiter, Pit Therre: „Es war toll, aber ich habe nichts verstanden.“ -„Ja, was hast Du nicht verstanden?“, fragte er (...)“.
Es sind genau diese Haltungen: die Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen, auch wenn es zunächst nicht verständlich ist, das Fasziniert-sein, das Nicht-Verstehen und der Austausch darüber, die im Kern der Ausstellung liegen und die wesentliche Aspekte einer zu realisierenden Utopie bilden – zumindest in meiner persönlichen Vorstellung davon.

(1) Carola Bauckholt in einer Email an Karin Sander vom 21. April 2019.

Akademie der Künste, Hanseatenweg 10, 10557 Berlin
www.wokommenwirhin.de

Ferial Nadja Karrasch

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