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Hauswald im Ausland: Unbekannte Reisebilder in der Fotogalerie Friedrichshain

von Urszula Usakowska-Wolff (29.06.2019)
vorher Abb. Hauswald im Ausland: Unbekannte Reisebilder in der Fotogalerie Friedrichshain

Harald Hauswald, AUSLAND, Manhattan, New York, 2004, © Harald Hauswald

Am 3. Mai wurde Harald Hauswald 65 Jahre alt, ein Fotograf, der nach der Wende als Chronist des Alltags in der DDR international bekannt wurde. Zu seinem Geburtstag schenkte er der Fotogalerie Friedrichshain eine Ausstellung, die eine Premiere ist. Zum ersten Mal überhaupt zeigt er dort Bilder, die er seit 1979 auf seinen Reisen aufgenommen hat: in der Sowjetunion, ČSSR, Türkei, Schweiz, in Polen, Litauen, Rumänien, Tschechien, Russland, China, Italien, Spanien, Ägypten und den USA. Die knapp 60 Fotografien, die meisten davon schwarzweiß, folgen keiner Chronologie, in ihrem Mittelpunkt stehen, wie immer bei diesem Fotografen, die Menschen, ihre Verletzlichkeit, Einsamkeit, Vergänglichkeit, ihre Bemühungen, auch unter schwierigsten Bedingungen zu bestehen und Würde zu bewahren. Harald Hauswald begegnet seinen Sujets mit Sympathie und großer Empathie, er hat viel Verständnis für ihre Unzulänglichkeiten und manche seltsamen Gewohnheiten wie den Herdentrieb, der sie wohl dazu verleitet, den Urlaub in der Masse zu verbringen: So wie auf dem Bild Polnische Ostsee bei Gdansk (2004), wo ob der vielen Erholungssüchtigen und Sonnenhungrigen fast kein Strand und Meer zu sehen sind. Ganz anders wirkt die Fotografie Riesengebirge ČSSR (1979) mit einem Schäfer und zwei Hunden, seinen vierbeinigen Kameraden, die gemeinsam eine kleine und offensichtlich sehr disziplinierte Schafsherde beaufsichtigen.


Harald Hauswald, AUSLAND, Blick vom Empire State Building auf Manhattan, New York, 2004, © Harald Hauswald

Das Außergewöhnliche im Gewöhnlichen

Hauswald im Ausland – ein Ausstellungstitel, der durch seine Knappheit und Präzision kaum zu überbieten ist und genau das im Sinne hat, was in der Fotogalerie Friedrichshain geboten wird: eine Reise durch die Welt, keine fremde, eine sehr vertraute, denn sie wird von gewöhnlichen Menschen bewohnt. Harald Hauswalds Aufmerksamkeit gilt solchen Individuen, die von den anderen keines Blicks gewürdigt werden, denn sie sind unscheinbar, alt, von der Last ihrer Armut, Krankheit oder Arbeit erdrückt. Er ist einer, der das Außergewöhnliche im Gewöhnlichen entdeckt: die Schönheit und Eleganz der Alten (Budapest, Ungarn, 1980; Jelenia Góra, Hirschberg, Schlesien, 1995), den Stolz der Straßenverkäufer (Istanbul, Türkei, 1989) und der von Lepra gezeichneten Menschen (Lepradorf im Donaudelta, 2003). Auch wenn viele der Fotografien in von Touristen gern frequentierten Orten entstanden sind, gibt es darauf keine touristischen Attraktionen zu sehen. Waghalsige Kinder tummeln sich auf den Dächern von Budapest (1980) und Hermannstadt (1992), ein Mönch, offensichtlich ein Franziskaner, rauft sich die schütteren Haare vor einer Mauer (Assisi, Italien, 1990), Jugendliche fallen in Ekstase im Konzert der Berliner Rockband The Inchtabokatables in Warschau (1995), auf dem schneebedeckten Rasen im Central Park steht ein Kindersitz, und eine Taube blickt auf die Skyline von Manhattan herab.


Harald Hauswald, AUSLAND, Mittelpunkt Europas, Litauen, 2004, © Harald Hauswald

Nach acht Jahren wieder im Ausland

Nur einige der Bilder, die in der Ausstellung gezeigt werden, stammen aus den Jahren 1979-1980. Das hängt damit zusammen, dass der Fotograf, der seinen Lebensunterhalt als Restaurator, Heizer, Telegrammbote und Laborant verdiente und von der Stasi massiv überwacht wurde, seit 1981 kein Visum für Reisen in die sozialistischen Länder bekam. Erst 1989, kurz vor dem Fall der Mauer, durfte der aus Radebeul stammende Ostberliner für zehn Tage zu seinen in der BRD lebenden Eltern fahren. Er ging aber nach Westberlin, wo er sich einen bundesdeutschen Pass holte und zu einem Freund in die Türkei flog. „Nach acht Jahren wieder im Ausland als weltfremder DDR-Bürger ohne Englisch-Kenntnisse näherte er sich mit seiner Kamera und natürlichen Offenheit den Menschen. Er führte Kneipengespräche, in denen Keiner den Anderen verstand, sich jedoch mit Augen, Händen, Füßen, Bleistift und Zettel ganze Lebensgeschichten erzählt wurden“, so Wolfram Arton am 10. Mai in seiner bemerkenswerten Einführungsrede zur Hauswalds Ausstellung. „Das führte nicht selten dazu, dass ihn sein Gegenüber zu sich nach Hause einlud, und er die ganze Familie kennen lernen musste. Zurück in Berlin mit 50 entwickelten Bildern in der Tasche war seine DDR-Sozialisation schlagartig weg. Er wusste plötzlich: ´Ich kann meine Fotos überall machen, weil mich die Menschen interessieren. Ich brauche die DDR nicht.` Und wenig später brauchte niemand mehr die DDR und Harald konnte, ja musste sogar viel reisen, weil seine DDR-Fotos plötzlich international gefragt waren.“


Harald Hauswald, AUSLAND, Istanbul, Juli 1989, (c) Harald Hauswald

Leise, poetisch und ergreifend

Die Ausstellung Hauswald im Ausland zeigt einen kleinen, unbekannten Ausschnitt aus dem 230.000 Einzelbilder zählenden Archiv des Fotografen, dessen unverkennbare Handschrift auf Anhieb erkennbar ist, unabhängig davon, ob er seine Aufnahmen in Ostberlin, wo er seit 1977 wohnte, in Schanghai, New York, Paris oder wie zuletzt in Hurghada machte. Der Mann mit dem sanften und verständnisvollen Blick ist einer, dem die Menschen vertrauen, denn sie merken, dass er ein offenes Herz für ihre Nöte hat. So werden die leisen, intimen und ergreifenden Bilder dieser rundum gelungenen und an vielen Stellen sehr poetischen Schau lange in Erinnerung bleiben. Wie das Porträt des Trägers, der sich auf einem Markt in Istanbul unter der Last eines Teppichs beugt, dabei schelmisch in die Kamera blickt und seine rechte Hand zur Faust ballt. Und das von Lepra entstellte Gesicht eines Mannes mit schönen Haaren, der vor einer Kopie des Wandgemäldes Das letzte Abendmahl von Leonardo da Vinci sitzt und die Lippen bewegt, als wollte er sagen: Auch hier bin ich Mensch, auch hier darf ich´s sein.

Hauswald im Ausland
1979-2019
10. Mai bis 28. Juni 2019
Fotogalerie Friedrichshain, Helsingforser Platz 1, 10243 Berlin
Di, Mi, Fr, Sa 14-18 Uhr, Do 10-20 Uhr, Eintritt frei
fotogalerie.berlin

Urszula Usakowska-Wolff

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Titel zum Thema Fotogalerie Friedrichshain:

Der Sonne hinterher („Ab in den Süden“, Buddy 2001)
Besprechung: Tja, Buddy und friends. Der Traum ist... wohl verbrannt? Vor lauter Flug- und Cabriocapriolen – immer weiter – von Malle bis Malta. Kein Sonnenschein verpasst, ... Die Ausstellung Hot in der Fotogalerie Friedrichshain.

Hauswald im Ausland: Unbekannte Reisebilder in der Fotogalerie Friedrichshain
noch bis 30.6.2019 zu sehen, --> Ausstellungsbesprechung

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