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Dokumentieren, kommentieren, positionieren: die Comic-Reportage

von Barbara Borek (20.08.2019)
vorher Abb. Dokumentieren, kommentieren, positionieren: die Comic-Reportage

„Zeich(n)en der Zeit. ComicJournalismus weltweit“, © Sarah Glidden

Gezeichnete Reportagen in bunten Farben, mit Sprechblasen und Text, gesellschaftliche und politische Themen, Geschichten über Gewalt und Flucht, über das Vertriebenwerden und Ankommen. Die Ausstellung Zeich(n)en der Zeit im Museum für Kommunikation zeigt einen besondere Sparte des Journalismus: die Comic-Reportage.

In Zusammenarbeit mit dem Deutschem Comicverein e.V. entstand eine kleine Kabinett-Ausstellung, die in hoch konzentrierter und informativer Form einen Einblick in die internationale Szene gibt. Joe Sacco gilt als Erfinder der Comic-Reportage, die sich ab den 1990er Jahren zu entwickeln begann: Journalist_innen und Zeichner_innen aus anderen Ländern entwickelten ein über Illustration und Karikatur hinausgehendes, ganz eigenständiges Genre. Rund 40 Arbeiten zeigt die Ausstellung, begleitet von einem umfangreichen Rahmenprogramm.

„Ich glaube nicht an die Objektivität, wie sie in amerikanischen Journalismusschulen gelehrt wird“, so Sacco. „Wenn man Sachen sieht, die den eigenen Überzeugungen widersprechen, muss man sie zeigen.“ Den amerikanisch-maltesischen Zeichner (*1960) führten Anfang der 1990er Jahre Recherchereisen in die Region Westjordanland und Gaza. In seinen Arbeiten haben vor allem Menschenrechtsthemen einen Platz, sein Werk Palästina wurde 1996 in zwei Bänden publiziert.


„Calais“, Olivier Kugler, © Olivier Kugler

Der Ausstellungsraum ist dicht gefüllt: An einem Computerbildschirm können über Hashtags die Themen der Comic-Reportagen angeklickt. „Mittlerweile bordet die Szene nur so über vor gelungenen Beispielen, “ so die Kuratorinnen Lilian Pithan und Nathalie Frank. „Thematisch ist von Menschenrechtsthemen über Außen- und Wirtschaftspolitik bis Kultur und Gesellschaft alles dabei.“ Die Besucher_innen können Interviews ansehen und -hören, an einem Tisch in eine Vielzahl von Comic-Büchern und -Magazinen schauen oder in den Bänden der Revue Dessinée, dem einzigen Magazin für Comic-Journalismus in Europa, blättern. 2013 in Frankreich gegründet, erscheint das Heft mittlerweile viermal im Jahr und hat eine Auflage von 20.000 Exemplaren.

Neben Ausschnitten aus den Comics werden auch großformatige Bilder an den Wänden präsentiert, so die Bilder von Oliver Kugler (*1970), der u.a. mit Ärzte ohne Grenzen in Flüchtlingscamps reiste und das dort Gesehene zeichnerisch verarbeitete. Seine sehr reduzierten, großflächig gezeichneten Szenen aus Dem Krieg entronnen (2017) zeigen den Der Dschungel von Calais. Der Reportagenband wurde mit den European Design Awards ausgezeichnet.


„Der Riss“ (2016), Carlos Spottorno & Guillermo Abril, © Carlos Spottorno & Guillermo Abril: avant-verlag

Auch der Berliner Bo Sovensky (*1983), Mitglied der Urban Sketchers Berlin, einem Netzwerk von Künstlern, die „die Welt … zeigen, Zeichnung für Zeichnung", ist vertreten. Er bietet am 16. Juni von 10-16 Uhr im Rahmen der Ausstellung einen Comic-Tour-Workshop zur Geschichte und Gegenwart des Berliner Zeitungsviertels an (www.bosoremsky.de). Der Fotograf Carlos Spottano und der Journalist Guillermo Abil fuhren im Auftrag des spanischen Magazins El Pais Semanal 2013 nach Lampedusa und dokumentierten das Bootsunglück, bei dem mehr als 300 Menschen starben. Basierend auf Texten aus 15 Notizbüchern und 25.000 Fotos entstand der Comic Der Riss (2016, dt. 2017), dessen Bildgrundlage die Fotografien bilden. „Als Journalist habe ich gelernt, dass sich die besten Geschichten nur Stück für Stück schreiben lassen“, beschreibt Guillermo Abril ihre Arbeit. „Sie brauchen Zeit, um zu reifen, Form anzunehmen und eine Perspektive zu bekommen.“

Die US-amerikanische Zeichnerin Sara Glidden (*1980) nimmt sich ebenfalls für ihre autobiografischen Comics viel Zeit. Israel verstehen in 60 Tagen oder weniger (2010) sowie ihr zweites Buch Im Schatten den Krieges(2016) führten sie in den Nahen Osten. Aus genau transkribierten Aufzeichnungen von Gesprächen, Interviews und klaren, farbigen Skizzen entstanden in den USA die Comics. Die Offenlegung des Rechercheprozesses ist der Künstlerin wichtig, es folge ein „dokumentarisches Erzählen“. So bezeichnet auch die österreichische Comiczeichnerin Ulli Lust (*1967) ihre Arbeit, Kurzreportagen oder den 450 Seiten starken, preisgekrönten autobiografischen Comic-Roman Heute ist der letzte Tag vom Rest deines Lebens, der 2009 beim deutschen avant-verlag erschien.


„Die Unsichtbaren und die Zornigen“, (2018) Reproduktion, deutsche Ausgabe, © Victoria Lomasko: diaphanes

Dokumentieren, kommentieren, positionieren: die Comic-Reportagen und ihre Zeichner_innen mischen sich mit ihren Arbeiten in die gesellschaftspolitischen Diskurse ein – und bereichern diese inhaltlich und künstlerisch. Eine sehenswerte Ausstellung, die kurzweilig ist und gleichzeitig viel zum Nachdenken anregt.

Am 28. Mai findet um 17.30 Uhr eine Expressführung mit den Kuratorinnen durch die Ausstellung statt. Um 18.30 Uhr folgt dann die von Nathalie Frank moderierte Diskussion Was kann Comic-Journalismus? Neue Erzählmöglichkeiten aus aller Welt, u. a. mit Lars von Törne, Journalist & Comic-Spezialist (Tagesspiegel), Beatrice Davies, Illustratorin & Comiczeichnerin, Augusto Paim, Journalist & Comicforscher, Karoline Bofinger, Fotografin & Comicredakteurin (Le Monde diplomatique).

Am 13. und 14.7. sind Journalist_innen und Comiczeichner_innen zu einem Workshop mit Lilian Pithan und Sascha Hommer, Comiczeichner, eingeladen: Profi-Zeich(n)en. Neue Comic-Reportagen aus Berlin.

Zeich(n)en der Zeit. Comic-Journalismus weltweit
23. Mai bis 25. August 2019
Eine Ausstellung des Deutschen Comicvereins in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Comic-Salon Erlangen

Museum für Kommunikation Berlin
Leipziger Straße 16
10117 Berlin
Di 9-20, Mi – Fr 9-17, Sa, So, Feiertag 10-18
www.mfk-berlin.de

Barbara Borek

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Titel zum Thema Museum für Kommunikation:

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Ausstellungsbesprechung: Zeich(n)en der Zeit.Comic-Journalismus weltweit im Museum für Kommunikation. Letzte Woche ...

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