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KLASSE DAMEN! 100 Jahre Öffnung der Berliner Kunstakademie für Frauen im Schloss Biesdorf

von Ferial Nadja Karrasch (21.06.2019)
vorher Abb. KLASSE DAMEN! 100 Jahre Öffnung der Berliner Kunstakademie für Frauen im Schloss Biesdorf

Blick in die Ausstellung KLASSE DAMEN!: Milly Steger, „Kopf einer jungen Frau“, um 1937, Marmor, Courtesy of Kolbe Museum / else (Twin) Gabriel, „Zschäpe in Öl“, 2018/19, Öl auf Leinwand, Foto: Birgitta Schmidt

Im Januar 1919 konnten die Frauen in Deutschland erstmals vom aktiven und passiven Wahlrecht Gebrauch machen, kurze Zeit später, im März, wurden – wenn auch widerwillig – die Türen der Königlichen Kunstakademie in Berlin für Frauen geöffnet. Das Jubiläum dieses Ereignisses nimmt die Ausstellung Klasse Damen! im Schloss Biesdorf zum Anlass, historische Positionen dieser Generation und zeitgenössische Künstlerinnen aus Berlin zusammenzubringen.

Der Zugang zur Akademie bedeutete einen wesentlichen Schritt, um die künstlerische Ausbildung von Frauen in Deutschland zu professionialisieren. Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts organisierten sich Künstlerinnen in Vereinen wie beispielsweise dem Verein Berliner Künstlerinnen (gegr. 1867) und versuchten so, den Vorwurf des Dilettantismus zu entkräften. Oder sie mussten – sofern sie sich gegen die Vorbehalte der Väter und Ehemänner durchsetzen konnten – auf Privatlehrer zurückgreifen, eine der überteuerten „Damenklassen“ besuchen oder sich in einer Kunstgewerbeschule einschreiben, die der Vorbereitung auf eine pädagogische Laufbahn diente. Abgesehen vom Lehrerinnenberuf war eine professionelle Laufbahn für Künstlerinnen nicht vorgesehen, jede sonstige künstlerische Tätigkeit galt lediglich als vornehmer Zeitvertreib. Eine Illustration in der satirischen Zeitschrift Simplicissimus aus dem Jahr 1901 bringt diese gesellschaftliche Haltung auf den Punkt. Eine Frau schaut dem vor ihr stehenden Mann wissbegierig über die Schulter, während dieser an der Staffelei arbeitet und sie belehrt: „Sehen Sie, Fräulein, es gibt zwei Arten von Malerinnen: die einen möchten heiraten und die anderen haben auch kein Talent.“ Dennoch weist die damalige Ausstellungstätigkeit und Mitgliedschaft von Künstlerinnen wie u.a. Julie Wolfthorn, Käthe Kollwitz, Charlotte Berend-Corinth oder Renée Sintenis in der Berliner Secession um Max Liebermann und Lovis Corinth bereits auf eine fortgeschrittene Entwicklung, der die Kunstkritik hinterherhinkte.


Lotte Laserstein: Madeleine und Frau mit Zigarette o.J. (frühe 40er Jahre), Kohle auf Papier, 48,5 x 63,8 cm, Courtesy of Salongalerie Die Möwe

Nun hat sich seither einiges, vieles geändert; dass jedoch sowohl gesamtgesellschaftlich als auch in der Kunstwelt längst nicht alle Arbeit auf dem Weg zur Gleichstellung getan ist, wird anhand der Werke in der Ausstellung Klasse Damen! unterstrichen. Während die zwölf historischen Positionen eine Ahnung davon vermitteln, was immer noch überwiegend im Bereich des Unsichtbaren verweilen muss und in Archiven und Depots darauf wartet, aufgearbeitet und gezeigt zu werden, hinterfragen die vierzehn zeitgenössischen Arbeiten die Ausstellungspraxis, Förderstrukturen und das Wertesystem des heutigen Kunstbetriebs. Dabei stellten die Kuratorinnen die Arbeiten in einer Weise zusammen, die den einzelnen Exponaten ausreichend Raum lässt und sie nicht in einen zu engen Bedeutungszusammenhang drängt. Gleichzeitig ergeben sich beim Gang durch die Räume Querverweise zwischen den in den Werken behandelten Themen und Fragestellungen, es zeigen sich Parallelen und Konstanten, die durch das Jahrhundert, das seit der Eröffnung der Akademie für Frauen vergangen ist, fortdauerten.

Während sich beispielsweise Milly Steger (1881–1948) in der Skulptur Kopf einer jungen Frau (1937) und Lotte Laserstein (1898–1993) in der Kohlezeichnung Madeleine und Frau mit Zigarette (o.J., frühe 40er Jahre) mit dem Typus der Neuen Frau auseinandersetzen, die sich selbstbewusst ihren Platz in der Gesellschaft sucht, thematisiert Ines Doleschal (*1972, lebt in Berlin) in Posters for Parity (2019) berufliche Hindernisse und Vorurteile, mit denen sich Künstlerinnen auch heute noch konfrontiert sehen.


Seraphina Lenz, von unterwegs, 2019, diverse Materialien, Foto © Birgitta Schmidt

Seraphina Lenz´ (*1963, lebt in Berlin) Arbeit quote, again (2019) besteht aus achtzehn Mappenumschlägen der Serie Meisterwerke der Kunst, die die Künstlerin noch aus dem Schulunterricht der 1980er Jahre kennt und die auch heute verwendet werden. Die Zusammenstellung der Umschläge mit den darauf gelisteten Namen verdeutlicht den einseitigen, weil beinah ausschließlich männlich dominierten Überblick über die Kunstgeschichte, der in den Bänden geboten wird. In einer von der Künstlerin erarbeiteten „Übersicht der Kunstmappen Folge 1/1952 bis 67/2019“ unterlegte sie die Namen der wenigen Künstlerinnen mit Textmarker – wobei vier Unterstreichungen auf einer Seite leider als „viel“ bezeichnet werden müssen. Dem stellt Lenz eine „Übersicht über 106 alternative Vorschläge für die Kunstmappen Folge 68/2020 bis 75/2027“ gegenüber, in der sie Paare aus jeweils einer männlichen und einer weiblichen Position bildete und so eine ausgewogene und damit wahrheitsgetreuere Darstellung der Kunstgeschichte präsentiert.


Blick in die Ausstellung KLASSE DAMEN!: Elisabeth Sonneck, „Rollbild65 ritardando“, 2017-2019, Öl auf Papier / Birgit Bellmann, „Bildbetrachtung in drei Bildern“, 2019, Monotypie – Öl auf Ingrespapier / Gaby Taplick, „Das nicht Vorhandene – es ist Etwas, überall“, 2019, gesammeltes Holz / Erna Schmidt-Caroll Frau im Mantel und Pelzkragen, 1933, Aquarell, Courtesy of Salongalerie „Die Möwe”, Foto: Birgitta Schmidt

Um Sichtbarkeit und Sichtbarmachen geht es auch in Bildbetrachtung in drei Bildern (2019) von Birgit Bellmann (*1973, lebt in Berlin). Ausgangspunkt der Monotypie ist eine in einem Künstlerkatalog abgedruckte Aufnahme aus den 1920er Jahren, auf der im Hintergrund eine anonyme weibliche Person zu sehen ist, die direkt in die Kamera blickt. Bellmann fokussiert sie in ihrer Arbeit als eine von vielen Frauen der Epoche der 20er Jahre, deren Geschichte nicht erzählt wurde und in Vergessenheit geriet. Bildbetrachtung in drei Bildern wird so nicht nur zu einer Hommage an eine Unbekannte, sondern spannt auch einen Bogen zu jenen Künstlerinnen dieser Epoche, deren Arbeiten bisher noch unbeachtet blieben.

Klasse Damen! erschöpft sich nicht nur im Erinnern an die Öffnung der Königlichen Kunstakademie in Berlin für Frauen, vielmehr rufen die Ausstellung und die in ihr versammelten Werke ins Gedächtnis, dass noch einiges getan werden muss. Ebenso wie das Bild der Neuen Frau im ersten Drittel des letzten Jahrhunderts sich nicht von alleine durchsetzen konnte, sondern Frauen brauchte, die es realisierten, braucht es auch Institutionen und Akteur*innen, die dazu beitragen, den heutigen Kunstbetrieb diverser und gerechter zu gestalten. Die Ausstellung im Schloss Biesdorf ist ein Beispiel, wie dies gelingen kann.

KLASSE DAMEN! 100 Jahre Öffnung der Berliner Kunstakademie für Frauen

Ausstellungsdauer: bis 13.10.2019

Öffnungszeiten:
täglich von 10–18 Uhr, freitags von 12–21 Uhr, dienstags geschlossen

Schloss Biesdorf, Alt-Biesdorf 55, 12683 Berlin, Tel. 030–516567791
Schloss Biesdorf

Ferial Nadja Karrasch

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Titel zum Thema Schloss Biesdorf:

Eine Frage der Sichtweise. Point of view(s) – Blick und Richtung im Schloss Biesdorf
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KLASSE DAMEN! 100 Jahre Öffnung der Berliner Kunstakademie für Frauen im Schloss Biesdorf
Ausstellungsbesprechung: Seit Januar 1919 wurden angehende Künstlerinnen erstmals an der Königlichen Kunstakademie in Berlin zugelassen. Die Ausstellung nimmt das Ereignis zum Anlass, historische Positionen und zeitgenössische Künstlerinnen zusammenzubringen.

500 Quadratmeter für die Kunst - ZKR – Zentrum für Kunst und öffentlichen Raum Schloss Biesdorf
Nur noch an diesem Wochenende zu sehen, hier unsere Besprechung:

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