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Perfekte Zustände: Junge Kunst in alten Gemäuern

von Urszula Usakowska-Wolff (18.07.2019)
vorher Abb. Perfekte Zustände: Junge Kunst in alten Gemäuern

Nooshin Ravanshadi, Sie sagen: Mach dir keinen Kopf, 2019, Installation, Foto © kuag

Am Ende des Sommersemesters 2018/2019 stellt sich die Weißensee Kunstschule dem Publikum und präsentiert vom 13. Juli eine Woche lang die Abschlussausstellung der Studiengänge Malerei und Bildhauerei in dem einstigen Gebäudekomplex des Speditions- und Möbeltransportunternehmens Silberstein in der Reichenbergerstraße 154 in Kreuzberg. Ein Ort, wo sich heute die von den Berliner Kreativen gern in Anspruch genommene Location namens X Lane befindet.

Die knapp 50 angehenden Künstlerinnen und Künstler haben dort viel Platz, um ihr handwerkliches und intellektuelles Können unter Beweis zu stellen. Auf zwei Häuser verteilt zeigen sie auf insgesamt fünf Etagen 50 Arbeiten, darunter ganze Werkgruppen und raumgreifende, begehbare Installationen. Der morbide Charme der Innenräume, in denen die Zeit ihre melancholisch-malerischen Spuren hinterlassen hat, ist eine geeignete Bühne für die multimediale Schau unter dem Titel Perfekte Zustände.

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Léllé Demertzi, Tapel, 2019, Performance, Foto © kuag

Kunst unserer Zeit

Der Titel ist gut gewählt – und das ist schon die halbe Miete, denn er macht neugierig. Ist das Ironie angesichts dessen, dass die Zustände sowohl im X Lane als auch in der Welt weit davon entfernt sind, perfekt zu sein? Von Name June Paik stammt der Satz: „Wenn zu perfekt, liebe Gott böse!“ In dieser Hinsicht ist die Abschlussausstellung der Studiengänge Malerei & Bildhauerei der Weißensee Kunsthochschule eine recht gelungene Sache. Die Werke der angehenden Künstlerinnen und Künstler setzen sich häufig spielerisch und ohne moralischen Zeigefinger mit wichtigen Themen unserer Zeit auseinander: mit den sozialen Medien; der Werbung, dem optimierten, leidenden oder begehrenden Körper, der Umweltverschmutzung oder mit seelischen Problemen, die durch Sucht oder Trauma ausgelöst werden. Die an den Perfekten Zuständen Beteiligten sind aufmerksame und mitunter auch sensible Menschen, die die großen und kleinen Probleme der Welt und des Ich in ihren Werken reflektieren, benennen oder erahnen. Das ist nicht außergewöhnlich, denn die Kunst ist sowohl ein Spiegel als ein Seismograf ihrer Zeit.

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Irene Fernández Arcas, An Altar for Self Transformation, 2019, Sublimationstinte auf Papier auf Textil, Keramik, Holz, Obst, Buch, Stein, Sound. Foto © Urszula Usakowska-Wolff

Alles in einer Person

Was auch in dieser Ausstellung auffällt: Die neue Kunst ist, wie heute nicht anders zu erwarten, interdisziplinär, multimedial und international, vereint häufig in einem Werk mehrere Genres wie Malerei, Objekte, Videos, selbstkomponierte Musik und selbstgeschriebene Texte. Perfekte Zustände liefern einen erneuten Beweis dafür, dass Künstlerinnen und Künstler als Bühnenbildner, Dramaturgen und Mimen in einer Person agieren: Sie schaffen sich Bühnen und Dekorationen, in denen sie ihre selbst choreografierten und selbstvertonten Performances aufführen. Dazu gehören die Installationen An Altar for Self Transformation von Irene Fernández Arcas, Sunniva Innstrands Workshop about the materialized body und Cora Marins, Cardew, & Other Tributes.

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Shelley Tootell, Katzenbaum, 2018, verschiedene Materialien, Foto © Urszula Usakowska-Wolff

Katzenbaum & Telefonkiste

Für andere spielt die Interaktion mit dem Publikum eine zentrale Rolle. Unter den Arbeiten, die dessen Geschmack am besten getroffen haben und von Neugierigen belagert werden, befinden sich der dreiteilige Katzenbaum von Shelley Tootell, sehr gut geeignet für Paare, die sich dorthin, vom vielen Gehen, Treppensteigen und Gucken müde geworden, gern zurückziehen, um die enge Zweisamkeit unaufgefordert barfüßig zu genießen. Im Stehen können Menschen und Hunde (denn auch sie leisten ihren Frauchen und Herrchen in nicht unerheblicher Zahl bei der Besichtigung Gesellschaft) die in der Tat witzige und hoffentlich zum Nachdenken anregende Telefonkiste von Edi Palenka erkunden, der aus Weggeworfenem, darunter Kippen, Kaugummi und allerlei Gerümpel, einen ansprechenden und sprechenden postdadaistischen Bau schafft.

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Akio Shimotsuma, Feeling is all, 2019, Installation. Foto © Urszula Usakowska-Wolff

Feeling & Breathing

Etwas ganz Besonderes ist Akio Shimotsumas Feeling is all. Warum dieses auf einen Keilrahmen gespannte schwarze Stück Stoff eine zur Meditation anregende Installation sein soll, ist nicht leicht verständlich, weil beim Berühren eine kleine Eruption entsteht, die lange als Staubwolke im Raum hängen bleibt. Das große schwarze Viereck ist jedoch sehr populär, denn alle wollen mindestens einen Finger hinein stecken: Kunst zum Anfassen, die mit Schleimhäuten und Atemwegen, auch wenn nicht unbedingt wohltuend, interagiert, ist noch immer eine Rarität. Dagegen scheint Malerei, darunter mit Öl und Acryl auf Leinwand, Holz oder Hinterglasmalerei, wieder einmal en vogue zu sein. Sie ist aber nicht unbedingt die Stärke dieser Ausstellung. Die Videos mit und ohne 3D-Animationen lassen auch viele Wünsche offen, aber Übung macht bekanntlich den Meister.

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Eri Qubos, Tell me what is real (through Seeing, through You, 2019, Video Installation, Foto © kuag

Natura morte vivente

Was von den Perfekten Zuständen mit Sicherheit in meinem Gedächtnis bleiben wird, sind – neben Palenkas Telefonkiste – einzelne Bestandteile zweier Installationen: der von Julia Dorothea von Schottky Skin of a Birch mit Gläsern und Karaffen, die auf einem Holzbrett an der weißen Wand stehen, und die Geschichten, die - umgeben von einem Metalltischchen, Stühlen und dem Fußboden stehenden Flaschen -, in der komplexen Videoinstallation von Eri Qubos Tell Me What Is Real erzählt werden. Zum einem deshalb, weil es immer Fragmente sind, die ins Auge springen und dort lange verweilen. Zum anderen, weil sie an die Stillleben von Giorgio Morandi und an Salvador Dalís Nature Morte Vivante erinnern. In die Dreidimensionalität überführt, zeugen sie von der Beständigkeit bewährter Kunstmotive unabhängig von ihrer Form. „Und in der Kunst ist das Beste gut genug“, wusste schon der alte Goethe.

Perfekte Zustände
Finissage: Freitag, 19. Juli 2019, 19-22 Uhr, Eintritt frei
www.perfektezustaen.de

Urszula Usakowska-Wolff

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