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Berlin Daily 23.04.2024
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19 Uhr: BERLIN 3000. Was kann das Hochhaus für die Stadt? Gespräch über einen kontroversen Bautyp mit Markus Penell und Sabrina Zwach im Gespräch mit Ephraim Gothe und Christian von Oppen. Ortner & Ortner Baukunst | Leibnizstr.60 | 10629 B

Dialoge im Innenhof

von Maximilian Wahlich (22.11.2020)
vorher Abb. Dialoge im Innenhof

Jeroen Jacobs, No Title, 2020, Foto: ©Stephan Klee, Courtesy frontviews at HAUNT

frontviews bietet als Verein aus 21 Künstler*innen und Theoretiker*innen einen Ort für aktuell virulente Strömungen zeitgenössischer Kunst in Berlin. Hier können Formen des Zusammenseins ausgetestet und der Austausch mit Künstler*innen gesucht werden.
frontviews, bislang durch verschiedene Kollaborationen mit anderen Orten bekannt, hat seit diesem April für die kommenden 2 Jahre einen festen Ort im Innenhof der Kluckstraße 23, ehemals ein Schulungsort des Grünflächenamtes. Heute können die ausgestellten Werke mit der angelegten Bepflanzung, den unterschiedlichen Bodenbelägen sowie mit dem sozialen Wohnungsbau der 1970er Jahre korrespondieren. Die Ausstellungsreihe Concrete #1 beginnt unter dem Titel RESPIRATION (4. September 2020 - 13. Februar 2021) direkt mit dem Innehalten: Einatmen, Ausatmen, der Wahrnehmung des natürlichen Rhythmus und dem Annehmen einer anderen Zeitlichkeit.

Gleich neben dem Eingang versteckt sich hinter einem knochigen Gestrüpp das erste Kunstwerk Köln des UdK-Professors Manfred Pernice (*1963), dessen Studierende hier teilweise vertreten sind. Pernice fand das Objekt aus drei überkreuz liegenden Stäben, die eigentlich als Verkehrsstopper dienen, auf der Straße. Er zerlegte es und montierte es anschließend wieder zusammen. Allerdings hält das Objekt sein Versprechen nicht: Seiner fragilen Neukonstruktion wegen ist es als Blockade nicht mehr funktionsfähig. Pernice Kunstwerk lässt vermuten, dass hier so mancher Gegenstand mit seinem Funktionieren blufft wie auch Kopfelement 3 von einem seiner Studenten Ole Meergans (*1988). Lässig an die Wand gelehnt entzieht sich die Maske lächelnd der Logik ihres Materials. Beton, gewöhnlich rein funktional im städtischen Kontext verwandt, tritt nun als menschliches Wesen auf. Individualisiert und freundlich wird die bekannte Verwendungsweise verweigert. Ebenso boykottieren auch die Werke des Studenten Philipp Modersohn (*1986) ihre Funktion. Sie bewegen sich im Dazwischen von alltäglichem Objekt und Kunstwerk, wenn beispielsweise ein Verkehrsspiegel in der Ecke hängt, der so vergilbt ist, dass er auf Nichts mehr blicken lässt.


Marta Dyachenko, Ebene 2, 2019, Foto: ©Stephan Klee, Courtesy frontviews at HAUNT

Der künstlichen Verweigerung gegenüber Nutzbarkeit widersprechen die Sitzmöbel von Marta Dyachenkos (*1990) oder Jeroen Jacobs (*1968). Leise schiebt sich Jacobs kreisförmige Bank in die Zone zweier Abstellplätze des Grünflächenamtes. Funktionalistisch angelegt, messen die harten Kanten der Betonplatten die rechtwinklige Abstellfläche exakt aus, schneiden in die natürliche Bewachsung ein. Jacobs jedoch schlägt ein Gegenmodell vor: Seine Bank, ebenfalls aus Beton, formt sich beispielsweise um ein dünnes Bäumchen. Zudem verwendet er den Beton selbst wie natürliches Material (und sperrt ihn in keine Gussform). Wie nasse Lappen legte er die Betonschwarten über die Bank. Während die teigige Masse trocknete, änderte sie Struktur und Form – der Beton lernte zu atmen, dünstete aus.

Dagegen wirkt der gedrungene Korpus von Dyachenkos Möbel fest, nicht atmend: Er ist streng architektonisch und kantig, fast konstruktivistisch. Die Bank, die bislang im Garten der UdK stand, wird damit zum direkten Kontrapost der benachbarten Werke von Philipp Röcker (*1984) und David Zink Yi (*1973).
Wie Seeanemonen – unter dem Druck des Wassers und im fliehenden Tanz der Strömungen – räkeln sich drei farbkräftige Plastiken Zink Yis. Als seien sie schon immer hier gewesen, setzen sie eine Baumreihe fort. Die Bäume wurden vermutlich vom Grünflächenamt für diesen Schulungsort ausgemustert. Auch Zink Yi hat seine Arbeiten einst aussortiert und wollte beobachten, wie die glänzenden Glasuren auf die Witterung reagieren.


David Zink Yi, Untitled, 2020, Foto: ©Stephan Klee, Courtesy frontviews at HAUNT

Während Zink Yis Flora tänzelnd emporsteigt, werden die schweren Massen von Philipp Röckers rauen, unwirschen Gebilden aufgeklotzt – unter Schweiß und Schnaufen. Die braunen Betonbatzen werden unter anderem mit Sand, Stroh und Erde angemischt. Wenn die Besucher*innen so davor stehen, dass die Sichtachse zur Sitzbank Jeroen Jacobs weist, erinnern die klumpigen Haufen an kleine Ziegelöfen, Schlammberge. Hingegen wird mit Blick auf Dyachenkos Bank die konstruktive Seite der Aufschichtungen ersichtlich. Röckers formt die erdige Masse, indem er sie an Platten drückt. Dabei entstehen architektonische Formen wie Winkel, Einschüsse oder viereckige Öffnungen. Von hier erscheinen sie plötzlich wie Fragmente einer lehmigen Wand.

Eine eigenständige Position innerhalb der Ausstellung bildet das Duo Astali / Peirce (*1974, *1977), die mit den meisten Arbeiten vertreten sind.


Astali Peirce, Untitled Monobloc, 2020, Foto: ©Stephan Klee, Courtesy frontviews at HAUNT

Das Kunstwerk Monobloc von Astali / Peirce zeigt den gleichnamigen Plastikstuhl, dessen Mittelteil so herausschnitten ist, dass er seiner Funktion enthoben ist. Die Atmung in diesem Stuhl ist abgeschnürt. Gerade die Gegenwart anderer Sitzmöbel betont seine Anti-Funktion, der auch die eingangs beschriebenen Werke verpflichtet sind.
In einer weiteren Arbeit wird der Umgang mit künstlichen Materialien und Natur reflektiert. Ein großer Polyesterdruck einer Fotografie liegt in Scherben auf dem Boden. Mittlerweile in nahezu unsichtbare Teilchen zerbröselt und zermahlen, verstreuen sich die dünnen Scherben auf dem Boden. In den kommenden Monaten werden die Scherben immer kleinteiliger, sie werden vom Wind auf den Hof verteilt und schließlich wird die Kunststoffplatte zu mehlartigem Staub.

Die voll umgehbaren Objekte rufen immer wieder dazu auf, andere Standpunkte innerhalb der Ausstellung einzunehmen. Neu eingenommene Sichtachsen erlauben unterschiedliche Assoziationen. Die kleine Schau mit gerade einmal 14 Arbeiten auf runden 500qm Fläche vermag überraschend vielen Gedanken Raum zu geben.
Dieser assoziativen Expansion entspricht auch der Plan, längerfristig Projekte mit den Anwohner*innen zu realisieren. Ebenso möchte der äußere Garten um den Pavillon bespielt werden. Das braucht Zeit. Wie Prozesse in der Natur muss auch ein Kulturort wachsen und sich seiner Umgebung anpassen. Hierfür bedarf es allerdings einer längerfristigen Planungssicherheit. Hoffen wir also, dass hier noch viele Ausstellungen stattfinden, auch nach den 2 Jahren.

Künstler_innen: Astali / Peirce, Marta Dyachenko, Jeroen Jacobs, Ole Meergans, Philipp Modersohn, Manfred Pernice, Philipp Röcker, David Zink Yi

Mi-Fr 14-19 Uhr geöffnet, sonst per Absprache.

frontviews at HAUNT
Kluckstraße 23
10785 Berlin
frontviews.de | office@frontviews.de
www.frontviews.de

Maximilian Wahlich

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Titel zum Thema frontviews:

Dialoge im Innenhof
Besprechung: Concrete #1: RESPIRATION - eine Ausstellungsreihe des Vereins frontviews.

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