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The Age of Cyberia: Digitale Nähe beim CTM Festival 2021

von Hanna Komornitzyk (02.02.2021)
vorher Abb. The Age of Cyberia: Digitale Nähe beim CTM Festival 2021

CTM Cyberia screenshot
Image by CTM / Lucas Gutierrez


Transformation an der Tagesordnung: Der Lockdown zwang auch das CTM Festival in diesem Jahr in ein neues Format. Vom 19. bis zum 31. Januar 2021 fand das Programm für experimentelle und elektronische Musik online statt, hybride Veranstaltungen sollen bis zum Sommer folgen.

Seit Mitte Dezember bleiben Berlins Kulturinstitutionen geschlossen und schon jetzt verblasst die Erinnerung an zuletzt erlebte Ausstellungen, an Theater und Tanz. Für die Club- und Musikszene ist der Lockdown hingegen bereits seit Pandemiebeginn ein Dauerzustand. Dementsprechend schwer fällt nach nunmehr rund zehn Monaten des entzerrten Zusammenlebens die Vorstellung eines Festivalbesuchs: Hitze, Schweiß, Menschenströme, die sich vom kalten Winterwetter berlinweit in gut gefüllte Veranstaltungsorte drängen. Undenkbar erscheinen solche Szenarien und aus einer anderen, längst vergangenen Zeit, in der die eigenen vier Wände – sofern man das Glück hat, diese zu besitzen – noch nicht als Hauptaustragungsort sämtlicher privater und öffentlicher Aktivitäten galten. In die selbst für den Januar ungewöhnliche Stille hinein projizierte das diesjährige CTM Festival ein neues Format, das die erzwungene Kontemplation der aktuellen Situation als Chance formulierte: Transformation war Titel und Aufruf für die 22. Ausgabe des Festivals, das sich als Geschwisterkind der transmediale mit Kunst im Kontext zeitgenössischer elektronischer wie experimenteller Musik befasst. Umgedacht wurde das eigene Format nicht nur in Bezug auf eine Ebene, die bis auf Weiteres rein digital funktioniert, sondern auch hinsichtlich aktueller Diskurse, die Kunst wie Musik in die gesellschaftliche Verantwortung ziehen.

CTM 2021 Transformation Keyvisual

Schon der Aufbau der Plattform, von der das CTM 2021 sich sternförmig in andere digitale Formate verteilt, lädt zur Interaktion ein (eine stabile WLAN-Verbindung vorausgesetzt): Kleine, charmante Details machen deutlich, das Websites heute weitaus mehr als representative Datensammlungen sind. Im Programm kann über zwei Icons – Sonne und Mond – zwischen Veranstaltungen für Tagschwärmer und Nachteulen gewählt werden. In monochromem Violett und Neongelb erscheint die Seite wie ein lebendiger Organismus, von dem es sich in die Tiefen des Internets zu klicken gilt. Im hacklab entstanden über die Veranstaltungsdauer in ausgewählten Online Communities neue musikalische Formate. Auf Telegram fasste das CTM täglich sein Programm zusammen – ein subtiler Mechanismus, der Nähe impliziert: Messengerdienste sind gerade im Pandemiejahr 2020 zum Austauschort und Treffpunkt geworden. Hier finden familiäre Debatten genauso statt wie Lerngruppen oder Teamcalls. Messenger suggerieren Intimität, auf unseren Smartphones begleiten sie uns pausenlos – und nun gibt es direkt neben dem Chat mit Mama einen Begleiter für das CTM. Auch in den Bereich des Home Office dringt das Festival vor: Über Discord – eine Software, die ähnlich wie Slack oder Teams digitales Arbeiten strukturiert – können auf einem Server Inhalte ausgetauscht und Veranstaltungen mit Organisator*innen und anderen Teilnehmenden diskutiert werden. Eine eigens entwickelte Applikation bringt nicht nur den Spielplan auf das Smartphone, sondern operiert auch als Zeichen der Solidarität: Finanziert über den CTM 2021 Solidarity Pass erhält jede*r User*in 500 Stimmanteile in Form von Drops, die teilnehmenden Künstler*innen zusätzlich zu ihrer Gage ausgezahlt werden.

CTM 2021 Transformation Keyvisual

Private und öffentliche Räume verschwimmen auf den verschiedenen Kommunikationsebenen des Festivals, die weit mehr sind als bloße Beschäftigungstherapie und in erster Linie einem Zweck dienen: dem Appell an unsere Emotionen. Auf Discord und YouTube, wo alle Veranstaltungen live übertragen wurden, herrschte reger Austausch zwischen Teilnehmenden. Die Panels, Interviews und Begleitveranstaltungen umfassen sozial- und umweltpolitische Themen vor einem digitalen Hintergrund: von Gegenkulturen und Bewegungen wie #BlackLivesMatter über einen neuen Anspruch an das gemeinschaftliche Handeln bis hin zu von Vorurteilen bestimmten Algorithmen und KI. Was dem weitläufigen Netzwerk, als welches sich das CTM in diesem Jahr neu definiert, gut gelingt, ist das Überwinden eines kulturellen Schockzustands. Nach und nach werden auch für dieses Jahr geplante Großveranstaltungen wie die Kunstmesse Art Basel verschoben. Der neuen Takt, den die Pandemie vorgibt, muss aber nicht zwangsläufig Chaos und großflächiges Kultursterben nach sich ziehen: Auch kann er als Chance dienen, Gesetzmäßigkeiten neu zu verhandeln und sich auf lokale Szenen rückzubesinnen. Ob es angesichts einer drohenden Klimakatastrophe wirklich notwendig ist, ein Massenpublikum an überfüllte Orte zu ziehen, steht dabei genauso zur Diskussion wie die Sichtbarkeit von Kulturschaffenden im Allgemeinen. Wie immer lässt sich die Frage, ob ein solches Format effektiv ist und ein Liveprogramm vor Ort ersetzen kann, auch in Bezug auf das CTM nicht vermeiden. Die Antwort? Ein entschiedenes Jein. Physische und lokal verortete Interaktionen sind durch nichts zu ersetzen, in jedem vorherigen Jahr wären sie die von uns präferierte Handlungsoption gewesen. Doch genau hier greift das Konzept zu “Transformation” – indem es visuell wie inhaltlich verdeutlicht, dass das Jahr 2020 nicht spurlos an uns vorüber gegangen ist. Längst sind gewohnte Bedingungen ungewohnt. Schnell haben wir gelernt, dass digitale Nähe eine andere Nachdenklichkeit und Auseinandersetzung erfordert – mit uns, anderen, gesellschaftlichen Phänomenen und globalen Krisen. Es ist gut möglich, sich in diesem unbegrenzten digitalen Gemeinschaftsgefühl zu verlieren. Auch kann es aber eine Chance sein, Machtstrukturen auszuhebeln, Stimmrecht gleichmäßiger zu verteilen und Entschleunigung da zu fordern, wo Kunst und Kulturschaffende sie dringend benötigen. Im Falle des CTM und der transmediale ist es ein erster Schritt in Richtung einer digital geprägten Kulturlandschaft, die auf Emotionalität anstelle von Anonymität setzt.

Die begleitende Ausstellung zum CTM Festival eröffnet am 13. Februar 2021 online. Unter dem Titel Cyberia wird ein interaktives Labyrinth aus digitalen Installationen, Livechats und Streams gezeigt.

Hanna Komornitzyk

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