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Künstlerhaus Eisenhammer: Im Gespräch mit Maria Lüdeke

von chk (05.11.2021)
vorher Abb. Künstlerhaus Eisenhammer: Im Gespräch mit Maria Lüdeke

Maria Lüdeke
Erinnern und Auslassen, 2021
Videostill, Ehrenfriedhof für die Terroropfer des II. Weltkrieges, Aschersleben 10:25min; Video, Farbe, Ton
© Maria Lüdeke


Das Künstlerhaus Eisenhammer ist ein Ort in der Spreewaldgemeinde Schlepzig, wo Künstlern und Künstlerinnen ein freier Denk- und Arbeitsraum für unkonventionelle Ansätze und experimentelle Zusammenarbeit geboten wird. Voraussetzung ist die Bewerbung um ein Stipendium des Fördervereins aquamediale e.V.. Thematische & atmosphärische Eingebundenheit in das kulturelle Leben der Lausitz, das Interesse am künstlerischen Experiment mit Wirkung auf die Region oder ein gewünschter Diskurs mit den Bürgerinnen & Bürgern sind einige der Kriterien, die erfüllt werden sollten. Mehr dazu auf der Website des Künstlerhaus Eisenhammer.

Die Stipendiat*innen, die 2021 vor Ort arbeiten oder gearbeitet haben, sind: Robert Seidel, Franz Rentsch, Julia Eichler, Alex Besta, Maidje Meergans, Maria Lüdeke, Gabriela Jolowicz und Ingar Krauss. Wir freuen uns, Ihnen einige der Stipendiat*innen auf art-in-berlin näher vorstellen zu können. Dieses Interview führten wir mit Maria Lüdeke:

Carola Hartlieb-Kühn: Liebe Maria Lüdeke, nach einer Ausbildung zur Holzbildhauerin haben Sie an der Kunsthochschule Berlin Weißensee Bildhauerei studiert und wurden Meisterschülerin bei Prof. Albrecht Schäfer. Doch davor erfolgte ein Studium der Linguistik an der Universität Leipzig. Was hat Sie von der Linguistik zur Bildenden Kunst gebracht?

Maria Lüdeke: Direkt nach der Schule habe ich ein geisteswissenschaftliches Studium absolviert. Ich konnte mir damals nicht vorstellen, im wissenschaftlichen Bereich tätig zu werden. Die Grundannahmen in der Wissenschaft waren mir zu willkürlich. Nach einer kürzeren handwerklichen Zwischenphase bin ich schließlich zur Bildhauerei gekommen. Das Studium der Freien Kunst hat den Kreis für mich wiederum geschlossen und Handwerk und Theorie vereint.
Mittlerweile erkenne ich in meiner Arbeitsweise verschiedene Methoden, die ich mir in den jeweiligen Lebensabschnitten aneignen konnte. Das ergänzt sich.

chk: Der Begriff der Erinnerung taucht immer wieder zu Ihren Arbeiten auf. Lässt sich Erinnerung als Schlüsselbegriff in Ihrem Werk verstehen?

M.L.: Vor allem in meinen letzten Arbeiten spielt das eine wichtige Rolle.
Mich interessiert, wie Erinnerung für das Individuum aber auch für Gesellschaften visuell-kulturell funktioniert. Auch in meiner aktuellen Arbeit über die niedersorbische Sprache und deren Sprecher*innen wird das Gedenken ein Thema sein. Bei der Beschäftigung mit der Vergangenheit stolpert man förmlich darüber. Inwieweit mich dieses Phänomen noch weiter begleiten wird, kann ich nicht sagen.

chk: Was sind die Themen, die Sie in diesem Zusammenhang inhaltlich interessieren?

M.L.: Das sind verschiedene Aspekte. Auf der einen Seite schaue ich mir an, wie städtebaulich mit Erinnerung umgegangen wurde und wird, auf der anderen Seite fasziniert mich die Diskrepanz zwischen persönlicher und kollektiver Erinnerung. Der Akt des Nicht-Erinnerns als bewusste oder unbewusste Tätigkeit ist für mich ebenso Untersuchungsgegenstand.


Maria Lüdeke
Wir sind, 2021 Eiche und Öl
200 x 50 x 80 cm Foto: Maria Lüdeke © Maria Lüdeke


chk: Sie arbeiten mit verschiedenen Medien: neben figurativen Holzskulpturen und abstrakten Objekten aus Alltagsmaterialien gibt es Super8 Filme, Fotografien oder Videoinstallationen. Ordnen Sie bestimmte Medien bestimmten Themenkomplexen zu?

M.L.: Nein. Wenn ich ein Thema habe, was mich interessiert, worüber ich eine Arbeit machen will, ist es mir wichtig, die Freiheit der Wahl des Mediums zu haben. Das Bewegtbild setzt sich aus anderen Variablen zusammen als z.B. eine Zeichnung und eröffnet damit ganz andere Zusammenhänge.
Wenn ich das Gefühl habe, von einer handwerklichen Technik oder von einer starren wissenschaftlichen Methodik eingeschränkt zu sein, kann ich das Medium wechseln und erreiche damit eine freiere Herangehensweise.
Andererseits steht jedes Medium aber auch in einem anderen kunst- und kulturtheoretischen Kontext, wodurch das Aufzeigen bestimmter Traditionen und Einschreibungen möglich wird. So weist beispielsweise die figürliche Holzskulptur stark auf sakrale Bildwelten hin und deren Vorstellung von der Welt und die Prägung derselben.

chk: Auf einer Ihrer Arbeiten (la lignea, Fotoserie, Edition 2017, 2019) steht geschrieben "Ich male ein Bild“. Spielt für Sie die Auseinandersetzung der Kunst mit Kunstgeschichte eine Rolle?

M.L.: In meiner Arbeit setze ich mich mit Geschichte auseinander. Im speziellen referieren meine Themen und Materialien auf kunstgeschichtliche Aspekte und hinterfragen diese.
Ich begreife den Menschen nicht als alleinstehendes Phänomen, sondern als ein Wesen in einem verzweigten Gewebe aus Raum, Zeit und Bildern. Der deutsche Begriff des Bildes vereint in seinen vielschichtigen Bedeutungsebenen das, was die Kunst sein kann: eine Darstellung der Wirklichkeit und der Phantasie von unterschiedlichster Materialität, eine innere Erscheinung, eine Vorstellung von etwas, eine Metapher.


Maria Lüdeke
A casa, 2017
Foto aus Serie La lignea
analoger Farbabzug auf PE-Papier 28 x 20 cm
Foto: Maria Lüdeke
© Maria Lüdeke


chk: Mit dem Spreewald verbindet Sie Persönliches. Ihr sorbische Großmutter lebt im Spreewald. In diesem Kontext ist auch Ihr Projekt, das Sie während Ihres Stipendiums umsetzen wollen, angesiedelt. Können Sie darüber etwas erzählen?

M.L.: Der Ausgangspunkt für mein Vorhaben ist autobiografisch. Die Vorstellung von meiner „sorbischen“ Großmutter begleitet mich seit vielen Jahren. Nun musste ich feststellen, dass ich diese Zuschreibung getroffen habe. Meine Großmutter versteht sich wie andere ihrer Generation nicht als sorbisch. Das hat viele Gründe, die mich auch in dieser Arbeit beschäftigen.
Ich habe während meines Stipendiums die Möglichkeit mit verschiedenen Menschen zu sprechen, die einen Bezug zur niedersorbischen Sprache haben. Neben den Interviews nutze ich die Zeit für intensive Recherchen. Ich bin mit der Kamera unterwegs und filme, vorrangig Landschaften.
Die Arbeit hat sich also aus einem persönlichen Kontext hinaus bewegt. Mein Blick hat sich dadurch nicht nur erweitert, sondern ist auch verschwommener geworden. Ich habe mich auf eine Reise mit unbekanntem Ausgang begeben. Meine Inspirationsquellen sind dabei die Niederlausitz, ihre Geschichte und die sorbische Bevölkerung. Ich bin nicht nur im Spreewald unterwegs, da sich das sorbische Siedlungsgebiet auch auf Industrielandschaft und Stadt erstreckt.
Während dieses Monats lege ich mir eine Sammlung von Bild- und Tonmaterial an. Daraus soll demnächst eine Videoarbeit entstehen, voraussichtlich in Form einer Installation und als Kurzfilm.

chk: Sprache, Kultur und Identität hängen eng mit einander zusammen. Welcher Bereich von Sprache interessiert Sie bei Ihrem Projekt besonders?

M.L.: In den Gesprächen thematisiere ich die Einstellung der Sprecher*innen zu ihrer Sprache. Die Wertigkeit, die wir einer Kultur oder Sprache beimessen, kann sich innerhalb weniger Jahrzehnte und Systeme völlig verändern. Ich schaue mir diesen Spagat des Niedersorbischen im Zusammenhang mit Geschichte und Kultur genauer an.


Maria Lüdeke bei Aufnahmen an der Cottbuser Ostsee während des Stipendiums im Künstlerhaus Eisenhammer
Foto: Nina Langbehn
© Nina Langbehn


chk: Wie gehen Sie vor: recherchieren Sie vor Ort, nehmen Sie Kontakt mit den Menschen auf, die hier leben?

M.L.: Ich habe mich mit einem Aufruf an die sorbischen Kultureinrichtungen und Vereine gewandt, um Ansprechpartner*innen zu finden. Diese sind gut organisiert und vernetzt. Ich konnte die Bekanntschaft mit einigen engagierten Persönlichkeiten machen.

chk: Wie reagieren die Menschen, wenn Sie Ihnen von Ihrem Projekt erzählen?

M.L.: Wie das Beispiel meiner Großmutter zeigt: unterschiedlich. Es gibt Personen, die damit nichts zu tun haben wollen.
Aber die Menschen, die sich mit mir unterhalten haben, sind natürlich an dem Thema interessiert. Für sie ist es selbstverständlich, sich für das Sorbische einzusetzen, wodurch es für mich leichter war, Interviews zu bekommen.

Mehr zu Maria Lüdeke: marialuedeke.weebly.com

chk

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