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Besenginster und Erbsenschote. Die Naturfotografie von Fred Koch in der Alfred Ehrhardt Stiftung

von Maximilian Wahlich (24.04.2022)
vorher Abb. Besenginster und Erbsenschote. Die Naturfotografie von Fred Koch in der Alfred Ehrhardt Stiftung

Fred Koch (1904-1947) Distel-Samen. Compositae - Cirsium lanceolatum,
undatiert Silbergelatineabzug auf Barytpapier, 22,1 x 16,8 cm
Courtesy Stiftung F.C. Gundlach, Hamburg


Der Fotograf Fred Koch (1904-1947) ist heutzutage kaum mehr jemandem bekannt. Doch wurden in den 1920er und 1930er Jahren zahlreiche seiner Naturaufnahmen veröffentlicht. Koch publizierte vor allem im journalistischen Kontext oder anonym, was – wie sein früher Tod – dazu beitrug, dass er in der Nachkriegszeit zunehmend in Vergessenheit geriet. Jetzt ist er erstmalig in einer umfangreichen Einzelausstellung in der Alfred Ehrhardt Stiftung neu zu entdecken.

Fred Koch fotografierte aus nächster Nähe Pflanzen, Korallen, Insekten und Kristalle. Das Besondere daran ist, dass hier unter Anwendung einer exakten Beleuchtungstechnik die Möglichkeiten der Makrofotografie experimentell ausgereizt werden. Die scharfen Kontraste, die durch die Licht- und Schattenspiele entstehen, betonen die ungewöhnliche Plastizität der Objekte. So wirken manche Fotografien wie bühnenbildhafte Details aus einem expressionistischen Film Fritz Langs. Einleitend wird in der Ausstellung übrigens Kochs Begeisterung für das Experimentieren mit fotografischen Apparaten angesprochen, was in der Ausstellung leider nicht weiter verfolgt wird.


Fred Koch (1904-1947) Sarothamnus scoparius. Leguminosae/Besenginster, Blütenausschnitt,
um 1929/30 Silbergelatineabzug auf Barytpapier, 23,0 x 16,8 cm
Courtesy Sammlung Rainer Stamm


Mit seiner fotografischen Praxis entspricht Koch der Schule des Neuen Sehens der 1920er Jahre.
Einer ihrer bekanntesten Vertreter war Albert Renger-Patzsch (1897-1966), der Koch auch in der Berufswahl inspirierte. Renger-Patzsch wurde vor allem mit floralen Motiven und einer sachlichen, geradewegs naturwissenschaftlich anmutenden Stilistik bekannt, sodass Blumen aus Wachs geformt oder aus Seide genäht erscheinen. Aus ähnlich naher Perspektive, allerdings mit einem vollkommen anderen Effekt, hält es beispielsweise Elsa Thiemann (1910-1981) mit ihren Rätselfotos, die in verspielter Manier altbekannte Dinge wie Zwiebeln, Kohl oder Heizkörper verfremden.
Kochs Fotografien lassen hingegen durch die Auswahl der Details, die scharfen Konturen und die strenge Komposition nicht nur eine vollkommene Perfektion hervortreten. Sie transzendieren das Natürliche geradezu durch ihre symmetrischen Achsen, die klaren Kontraste und cleanen Hintergründe, welche die Objekte zum Leuchten bringen.

Für unser heutiges Konzept von Natur (biodiverse Vielfalt mit Abweichungen) ist es absurd, dass nun genau diese Naturaufnahmen eines Koch nicht künstlerisch sein sollten. Sie wollten einen unpersönlichen, objektiven und rein sachbezogenen Zugang dokumentieren. So suggerieren die Fotos Natur als etwas Makelloses und fast schon Heiliges. Diese Idee von Natur schließt nahtlos an die Zeit des Nationalsozialismus: Natur wurde in dessen Ideologie als ursprünglich rein und unschuldig gesehen und in diesem Sinne als „schön“ interpretiert. Jenen Zustand galt es wiederherzustellen.


Fred Koch (1904-1947) Pisum sativum, Erbse,
undatiert, Abzug Freundeskreis Ernst Fuhrmann Silbergelatineabzug, 18,5 x 13,0 cm
Courtesy Sammlung Dr. Hans Schön


Vor diesem Hintergrund passt auch, dass Koch 1935 auf der NS-Ausstellung „Wunder des Lebens“ mit 9 Werken vertreten war. Wie der Fotograf zum Nationalsozialismus stand, hätte in der Ausstellung mit rund 100 schwarz-weiß Fotografien ausführlicher thematisiert werden können. Auffallend ist, dass nahezu alle ausgelegten Publikationen während der NS-Zeit herausgegeben wurden.

Nach langjähriger Recherchearbeit der Alfred Ehrhardt Stiftung wird dem Publikum der weitgehend unbekannte Fotograf Fred Koch vorgestellt. Mit dem Ausstellungsprofil werden fachlich versierte Besucher*innen adressiert, bestenfalls können sie das Umfeld Kochs anhand weniger Stichworte erfassen. Angesichts der kristallinen Tiefenschärfe und faszinierenden Fotografien ist verständlich, dass auf keine einzige Fotografie verzichtet werden sollte. Doch für jene, die in der Thematik nicht zu Hause sind und den Katalog (30 €) nicht kaufen wollen/können, wären statt eines weiteren Fotos vielleicht ein paar mehr Texte hilfreich gewesen.

Fred Koch – 
Naturfotografie der 1920/30er Jahre
Kuratorin: Stefanie Odenthal M.A., Stiftungsmanagerin und Kuratorin der Alfred Ehrhardt Stiftung

15. Januar bis 24. April 2022
ALFRED EHRHARDT STIFTUNG | Auguststr. 75 | 10117 Berlin
ÖFFNUNGSZEITEN: Di bis So 11 – 18 Uhr

www.aestiftung.de

Maximilian Wahlich

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