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Behaarte Finger lassen meinen Nagellack leuchten. Queerness in Photography im C/O Berlin

von Maximilian Wahlich (18.01.2023)
vorher Abb. Behaarte Finger lassen meinen Nagellack leuchten. Queerness in Photography im C/O Berlin

Anonymous, Untitled, USA, ca. 1930. Sébastien Lifshitz Collection. Queerness in Photography, C/O Berlin.

Das C/O Berlin widmet sich auf beiden Etagen mit drei ineinander verlaufenden Ausstellungen dem Queeren in der Fotografie. Die Ausstellungen orientieren sich an der medienspezifischen Eigenschaft, dass insbesondere Fotografien ein Zeugniswert und Objektivität zugesprochen wird. Seit jeher verstärkt sich die Beweiskraft sobald ein Foto zum Einsatz kommt. Sie können damit Stereotype definieren, prägen und bilden.

Pinker Nagellack und kurze Haare. Rosa Puder verdeckt meinen Bartschatten und blassblauer Lidstrich betont meine Augen, ich flirte und spiele mit meinem Geschlecht. Cross-Dressing beschreibt, wenn Personen mit ihrer Kleidung sexistische Normen von Kleidung brechen und die Grenzen von „Mann/männlich“, „Frau/weiblich“ auflösen. Im Erdgeschoss ist unter dem Ausstellungstitel Under Cover. A Secret History of Cross-Dressers (Sébastien Lifshitz Collection) eine Vielzahl an Spielarten des Cross-Dressings zu sehen, gruppiert nach Themen wie Transformation, A New Gender oder Mock Weddings. Wir blicken in die Gesichter zahlloser Menschen und beobachten intime Beziehungen. Über die porträtierten Personen ist wenig bekannt, meistens nichts überliefert, ihre Namen unbekannt. Und dennoch erzählen die Fotografien queerer Personen auch unwillkürlich eine Geschichte queeren Lebens. Ihre Spielstätten sind Amateuraufnahmen, biografischen Strecken und für bestimmte Zielgruppen kleine Chargen. Die ausgestellten Fotografien als Zeitzeugnisse gelesen, machen Identitäten und Lebensweise sichtbar, belegen den Zusammenhalt innerhalb der queeren Community und dokumentieren die aufkeimende Selbstermächtigung. Die Fotostrecke der Trans-Person Bambi greift gleich mehrere Facetten dieser Entwicklung auf: Von der frühen Kindheit und Jugendzeit als Junge erstreckt sich die Reihe über die langsame Transition zur Frau bis hin zur selbstbewussten Ikone.


Image from Casa Susanna. Courtesy Cindy Sherman Collection. Queerness in Photography, C/O Berlin.

Mit ebenfalls historischen Aufnahmen, aus der Sammlung der Fotografin Cindy Sherman, beginnt kaum merklich die zweite Präsentation im Erdgeschoss. Casa Susanna war im New York der 1950er- und 1960er-Jahre ein sicherer Ort für Cross-Dresser*innen. So existiert ein ganzes Arsenal von Darstellungen großer, breitschultriger Menschen in Dauerwelle mit schmalen Schuhabsätzen. Schon die Existenz solcher Fotos alleine, ist Beweis für Vertrauen und einem ungemein engen Zusammenhalt – außerhalb der Gemeinschaft hätten die Bilder vor Gericht gegen die Porträtierten verwendet werden können. Trotz des zeithistorischen Kontextes bilden viele Fotografien einen vergnügten Alltag ab. Gerade das Miteinander unter den Dargestellten und womöglich queere Setting hinter der Kamera zeugen von einem Schutzraum: Hier konnten sich die Personen zeigen, wie sie fühlten.


Jamal Nxedlana, FAKA Portrait, Johannesburg, 2019, © Jamal Nxedlana. Queerness in Photography, C/O Berlin.

Ich bin blass und schön und mein Geschlecht ist... wandelbar. Die zeitgenössischen Positionen, denen das gesamte obere Geschoss unter dem Titel Orlando vorbehalten ist, wirken selbstverständlicher und vor allem eigenständiger im Umgang mit Queerness. Und dennoch löst sich dieser Ausstellungsteil nicht von der Vergangenheit. Bezug genommen wird auf Virginia Wolfs Roman Orlando und dessen grandioser Verfilmung von Sally Potter mit der Schauspielerin Tilda Swinton, die auch diesen dritten Ausstellungsteil sowie dazugehörige Publikation verantwortet.
Orlando bleibt über drei Jahrhunderte hinweg gleich jung, wechselt jedoch immer wieder das Geschlecht. Sämtliche Positionen dieser Etage kreisen um oder referieren auf diese Geschichte. Dabei hätten manche Werke ohne Orlando dazugewonnen. Beispielsweise Jamal Nxedlanas ausdrucksstarke Porträts zweiter BIPoCs. Das Duo Fela Gucci und Desire Marea zeigt sich mit hochstehendem Kragen, aber vor allem durch die auffallend extravagante und teure Kleidung. Obzwar der Text Klassismus sowie Rassismus erwähnt, bleibt der Bezug beharrlich an Wolfs Textvorlage: Sie teilten sich das Fehlen einer linearen Vergangenheit, eines historischen Codes und damit treten sie als quasi alterslos auf. Doch wäre hier nicht auch mehr Selbstbewusstsein gegenüber dem Literaturklassiker wünschenswert? Als gäbe es nur in der Hochkultur weißer Autor*innen Vorbilder für queeres Leben?


Walter Pfeiffer, Untitled, 1974–2019 © Walter Pfeiffer. Courtesy the artist and Art + Commerce. Queerness in Photography, C/O Berlin.

Im gleichen Raum hängen Walter Pfeiffers Polaroids junger Männer. In liebevollen Konstellationen und mit Blumen geschmückt wirken sie androgyn und brechen mit Geschlechterrollen. Die Bilder sind weich zartfarben, die Lichtstimmung erinnert an sommerliche Sonnenuntergänge Kaliforniens. Diese Wärme, das Vertrauen zwischen Fotograf*innen und den den Porträtierten durchzieht alle Positionen. Sie machen ihre Narben sichtbar, leben eigene Schönheitsideale und zeigen, wer sie wirklich sind. Wie harmlos dieser Mut klingt – diesen Irrtum macht diese Ausstellung deutlich und doch bejaht sie die Lebensfreude der Dargestellten.

Künstler*innen: Zackary Drucker, Lynn Hershman Leeson, Paul Mpagi Sepuya, Jamal Nxedlana, Elle Pérez, Walter Pfeiffer, Sally Potter, Viviane Sassen, Collier Schorr, Mickalene Thomas und Carmen Winant.

QUEERNESS IN PHOTOGRAPHY
Under Cover . A Secret History of Cross-Dressers . Sébastien Lifshitz Collection
Casa Susanna . Cindy Sherman Collection
Orlando . Curated by Tilda Swinton
17. Sep 2022 bis 18. Jan 2023

C/O Berlin Foundation
Amerika Haus . Hardenbergstraße 22–24 . 10623 Berlin
Täglich . 11:00–20:00
co-berlin.org

Maximilian Wahlich

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