Ausstellungsansicht: Simone Zaugg, Urban Reflections, Foto: art-in-berlin

Das Zentrum für Aktuelle Kunst (ZAK) liegt nicht gerade um die Ecke - zumindest für Berliner Kunstinteressierte, die nicht in Spandau wohnen. Wer den Weg auf sich nimmt, trifft auf eine besondere Mischung aus historischer Festungsarchitektur der Spandauer Zitadelle und zeitgenössischer Kunst auf einer über 2.500 qm großen Ausstellungsfläche des ZAK. Aktuell untersuchen vier Ausstellungen urbane Räume, politische Umbrüche, Spielkulturen und Bildtraditionen. Simone Zaugg zeigt in Urban Reflections die Stadt und ihre sozialen Strukturen, Sharon Kivland verbindet in The Bloody Radicals revolutionäre Geschichte mit zeitlichen Umbrüchen, Pfelder verwandelt mit Gold den Kunstraum in ein Spielfeld, und die Retrospektive von Vera Mercer führt von Porträtfotografien hin zu barock anmutenden Stillleben.

Simone Zaugg – Von Baustellzäunen und Guerilla-Möbeln

In ihrer Ausstellung Urban Reflections betrachtet Simone Zaugg die Stadt nicht nur als physischen Ort, sondern als ein Geflecht aus Geschichten und sozialen Interaktionen. Sie überschreitet bewusst die Grenzen zwischen künstlerischer Setzung, Architektur und sozialer Praxis. Zu sehen sind Dinge, die man aus dem städtischen Alltag kennt, wie Absperrzäune, Graffiti oder Bänke. Für die einen sind Guerilla-Möbel Schrott, der stört, für andere dienen sie als Schlafplatz. Wie begegnen wir der Stadt und wie erleben andere Menschen sie? Der Weg durch die Ausstellung, der entfernt einem Parcours ähnelt, entwickelt sich zu einem Reflektionsraum. Die aufgestellte Parkbank unter einem Bäumchen, die zum Platznehmen einlädt, ruft mit ihrem Bühnenbildcharakter Erinnerungen an Beckett wach.

Responsive image Ausstellungsansicht: Pfelder, Gold, Foto: art-in-berlin

Pfelder – Der Kunstraum als Spielfeld

Auch die Installation Gold des Künstlers Pfelder ist auf Partizipation angelegt.
Ein goldener Fußball inmitten eines raumfüllenden Drahtkäfigs mit zwei Toren lädt zum Fußballspielen ein. Allerdings stehen Pfeiler im Weg, die ein Umdenken beim Spielen erfordern. Die ortsspezifische Bandenwerbung um das Spielfeld kann wie auch der goldene Ball als eine humorvolle Anspielung auf die Spannungen zwischen künstlerischer Arbeit und finanzieller Prekarität gelesen werden. Der Kunstraum wird zum Spielfeld und das Spielfeld zum Kunstraum. Gängige Strukturen scheinen aufgehoben. Vielleicht regt die Arbeit dazu an, den künstlerischen Raum neu zu denken. Pfelders Arbeiten sind oft temporär und beziehen sich direkt auf die Gegebenheiten des jeweiligen Ortes, um neue Perspektiven und Nutzungsmöglichkeiten zu schaffen.

Responsive image Ausstellungsansicht: Sharon Kivland, The Bloody Radicals, Foto: art-in-berlin

Sharon Kivland – Der Kalender der Revolution

In ihrer Ausstellung The Bloody Radicals taucht Sharon Kivland tief in die französische Geschichte ein. In ihren 120 Zeichnungen bezieht sie sich auf den während der Revolution eingeführten republikanischen Kalender, mit dem eine neue Zeitrechnung etabliert werden sollte. Kivland zeichnet die Wurzeln von Pflanzen, die nach diesem Kalender benannt sind. Die Künstlerin beleuchtet dabei die Idee von Reformen sowie die komplexen Zusammenhänge zwischen Geschichte, Gesellschaft und individueller Wahrnehmung. Ihre Zeichnungen, die von allegorischen Frauenfiguren begleitet werden, bilden ein visuelles Muster, das Vergangenheit und Gegenwart miteinander verwebt.

Responsive image Ausstellungsansicht: Vera Mercer, Life in Focus // Eine Werkschau, Foto: art-in-berlin

Vera Mercer – Opulenz und Augenblick

Die Retrospektive Life in Focus // Eine Werkschau bietet einen umfassenden Einblick in das Schaffen der Fotografin Vera Mercer, die im nächsten Jahr ihren 90. Geburtstag feiert. Sie hat Künstler wie Marcel Duchamp, Andy Warhol oder Samuel Beckett fotografiert und ist bekannt für ihre opulenten Stillleben, die sich durch eine präzise Komposition und eine reichhaltige Farbpalette auszeichnen. Ihre Stillleben, in denen sie Früchte, Blumen, Tiere und andere Alltagsgegenstände kunstvoll arrangiert, erinnern an die prunkvollen Darstellungen des Barockzeitalters. Dabei thematisiert Mercer die Vergänglichkeit und den Wert des Vergänglichen.
In Zusammenarbeit mit dem Fotojournalisten Jens Pepper wurden zahlreiche frühe Arbeiten aus ihrem Archiv in Omaha aufbereitet. Die Werkschau ist eine Hommage an eine bemerkenswerte Karriere, die noch längst nicht abgeschlossen ist.

Vier Ausstellungen, vier ganz eigene Perspektiven auf und durch die Kunst. Es ist ein Besuch, bei dem weniger der Dialog zwischen den Ausstellenden überzeugt als vielmehr die Vielfalt der einzelnen künstlerischen Positionen.

Ausstellungsdauer: bis 11.1.2026

Öffnungszeiten:
Freitag bis Mittwoch 10 – 17 Uhr
Donnerstag 13 – 20 Uhr

Zitadelle, Am Juliusturm 64, 13599 Berlin
www.zitadelle-berlin.de