Damit hätte Robert Schumann sicherlich nicht gerechnet als er seine >Kinderszenen< im Jahre 1838 komponierte: die dreizehn Szenenthemen seines Stückes (z.B. >Ritter vom Steckenpferd<, >Fast zu ernst< oder >Kind im Einschlummern<) bilden nun den roten Faden des diesjährigen Rohkunstbau. Wie jedes Jahr wurden international renommierte Künstler in das kleine Provinzdorf Groß Leuthen geladen, um ortsbezogene Arbeiten für die Ausstellung im idyllischen Wasserschloß zu erschaffen. Die dreizehn Künstler hatten die Aufgabe, das von Arvid Boellert (Künstlerischer Leiter) und Mark Gisbourne (Senior Kurator) gestellte Thema >Kindheit< aus der Erwachsenenperspektive zu reflektieren. Der Ausstellungsort, das Wasserschloß, erwies sich als perfekte Kulisse: es wurde lange Zeit als Kinderheim genutzt.
Die ungewöhnliche Lage mitten im tiefsten Brandenburg ist Teil der Gesamtkonzeption des seit 1994 existierenden Ausstellungsprojektes. Zeitgenössische Kunst soll mit Bevölkerung und Architektur interagieren. Äußerst plausibel ist deswegen die Idee, ein Festival mit Lesungen, Theater, Open Air Kino und Landpartien zusätzlich zur Kunstausstellung zu organisieren. Hier können sich auch Bürger und Bürgerinnen der Region beteiligen. Vor allem im Rahmen der Landpartien kann hier zusammen gezeltet, geplanscht und gepicknickt werden.
Auch die bildende Kunst kommt nicht zu kurz. Querbeet durch die Gattungen ist von Zeichnungen, Skulptur und Malerei bis Video, Installation und Fotografie alles vertreten. Statt jedoch mit Masse zu erschlagen, glänzt die Ausstellung durch geschickt ausgewählte künstlerische Positionen. So können wir uns nun durch Kindheitserinnerungen und - vorstellungen von hochrangigen Künstlern wie Louise Bourgeois, Jake und Dinos Chapman, Marcel Dzama, Laura Ford, Yann Delacour, Bjørn Melhus, Michael Kutschbach, Cornelius Völker, Sergej Bratkov, Fang Lijun, Via Lewandowsky, Michael Sailsdorfer und der Künstlergruppe //////////fur//// zum Nachdenken über die eigene Kindheit inspirieren lassen.
Ein ganzes Zimmer als Sandkasten, dazu 12.000 Playmobil - Soldaten - welches Kinderherz würde da nicht höher schlagen? Yann Delacours Installation verweist u.a. darauf, wie bereits Kinder durch Markenprodukte prägbar sind. Dem sich beim Betrachten des Werkes einstellenden Spieltrieb kann jedoch Abhilfe verschafft werden: am letzten Ausstellungstag dürfen sich Kinder aus dem Landkreis eine Schlacht im Sandkasten liefern. Ähnlich verspielt ist auch das Puppentheater der Kölner Künstlergruppe ///////////fur////. Bei einem Streifzug durch das Schloß sind die Künstler auf ein altes Puppentheater gestoßen, daß sie zum "ältesten Computerspiel der Welt" aufgemotzt haben. Wie bei einem Computer- oder Videospiel kann man hier Kasperle und einen Polizist gegeneinander in den “Boxring“ schicken.
Es gibt jedoch auch nachdenkliche Stimmen in dieser Ausstellung. >The Trauma of Abandonment< von Louise Bourgeois thematisiert das schwierige Verhältnis, das die Künstlerin zu ihrem Vater hatte. Statt Spiel und Spaß geht es hier um Verlust, Schmerz und Ängste aus der Kindheit.
Die Ausstellung versucht vor allem, die Rolle des Kindes in unserer Gesellschaft und die Konstruktion von Kindheit in unseren Köpfen zu beleuchten. Trotz des unübersehbaren Jugendwahns entwickelt sich Deutschland zum immer kinderfeindlicheren Land. >Kinderszenen – Child´s Play< ist ein guter Anstoß über diese Problematik nachzudenken. Vielleicht ist der Ort, fernab jeder urbaner Hektik, auch ein kurzweiliges Asyl zur Beschäftigung mit und zum Austausch von eigenen Kindheitserinnerungen.
XII. Rohkunstbau >Kindersznene - Child´s Play<
26.6. - 28.8. 2005
Wasserschloß Groß Leuthen / Spreewald
Öffnungszeiten: Mi - Fr. 14 - 20h, Sa. und So. 10 - 20h
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IX Rohkunstbau
neurotitan
GEDOK-Berlin e.V.
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