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Die Magie der letzten Träume: Eine Zirkus-Odyssee durch eine verlassene Welt

von Lisa Rocke (17.12.2023)
vorher Abb. Die Magie der letzten Träume: Eine Zirkus-Odyssee durch eine verlassene Welt

AEROCIRCUS, © RambaZamba Theater, Foto: Phillip Zwanzig

Was könnte plausibler sein als die Vorstellung, dass in einer überhitzten, ökologisch ruinierten Welt, die der Mensch längst verlassen hat, ein letzter kleiner, ganz besonderer Zirkus die Erde anfliegt? Er füllt sie mit den vergangenen Träumen der Menschheit, widmet sich den Trümmern und seinem Auftrag als Zirkus, keinen Auftrag zu haben. Das ist die Grundidee des Theaterstücks aerocircus. eine circensische karnevaleske mit planwagen/ entgegen aller linearitäten, das am 5., 6., 9. und 10. Dezember 2023 im Rahmen der Performing Arts Season am Haus der Berliner Festspiele aufgeführt wurde. Die Produktion unter der Regie von Jacob Höhne ist das Ergebnis einer überaus spannenden Zusammenarbeit: Das talentierte Ensemble des RambaZamba Theaters (RZt), Wegbereiter im Bereich inklusives Theater, trifft auf das Bühnenbild des renommierten argentinischen Installations- und Performancekünstlers Tomás Saraceno. Das Ganze basiert wiederum auf dem Text aerocircus, den der österreichische Dramatiker Thomas Köck für das RZt geschrieben hat.

Zu Beginn wird das Publikum durch den Seiteneingang des Haus der Berliner Festspiele in einem weitläufigen, dunklen Raum geführt. Einzelne Glühbirnen und ein quer durch den Raum verlaufendes Spotlight erzeugen diffuse Lichtstrahlen, die lediglich die Konturen des ansonsten leeren Raumes enthüllen. Eine düstere Atmosphäre und eine spürbare Endzeitstimmung durchziehen den nach Saracenos Raumkonzepten gestalteten Raum. Über den Köpfen der Besucher*innen schweben an der hohen Decke des Theaters zwei riesige kugelförmige Sphären wie mysteriöse Ufos.


AEROCIRCUS, © RambaZamba Theater, Foto: Phillip Zwanzig

Eine Stimme erfüllt den Raum und beschreibt die Szenerie. Die Erde liegt verlassen da, und ein fliegender Zirkus landet in der verwüsteten Landschaft, in der sich das Publikum befindet. In dem Moment betritt eine Pantomime den Raum, schaut sich um und scheint das Publikum nicht zu bemerken, das während der gesamten Vorstellung in der Rolle der unsichtbaren Beobachter*innen verweilt. Dann öffnet sich der eiserne Vorhang, eine Band beginnt zu spielen und ein Spektakel entfaltet sich: Artist*innen balancieren auf Seilen, verknoten sich in Vertikaltüchern, tragen große Tierkostüme und ein Planwagen wird über die Bühne gezogen. Saracenos Kugeln, die eben noch wie Ufos aussahen, wirken in diesem Kontext wie lebendige Discokugeln, die das Geschehen mit Lichtreflexen untermalen.
Aerocircus. eine circensische karnevaleske mit planwagen/entgegen aller linearitäten ist aber weit mehr als bloße Unterhaltung: es taucht tief ein in bedeutungsvolle Themen, darunter der Einfluss auf eine scheinbar verlorene Zukunft, die Möglichkeiten einer Revolution und vielleicht sogar die Hoffnung auf einen Neuanfang.
Saracenos Sphären, insgesamt vier – zwei auf der Bühne und zwei über dem ebenfalls bespielten Rang im Publikum - verdeutlichen, dass alles zusammengehört: Der Theaterraum präsentiert sich als Theater in einer apokalyptischen Welt: verlassen und leer. Die Darsteller*innen erinnern sich zurück an eine Zeit, in der es noch ein Publikum gab und immer gleiche Körper immer gleiche Geschichten erzählten. Die Verbindung zum inklusiven Theater wird hierbei besonders deutlich: Die Künstler*innen sind diejenigen, die übriggeblieben sind als Zeug*innen einer vergangenen Welt.


AEROCIRCUS, © RambaZamba Theater, Foto: Phillip Zwanzig

Der Diskurs über die Klimakrise spielt an diesem Abend eine wichtige Rolle. Saracenos Kugeln erscheinen dabei als wissenschaftliche Experimente mit einer klaren, medizinisch wirkenden Ästhetik. Sie sind verspiegelt, transparent und lichtdurchlässig. Sie reflektieren die Darsteller*innen und ihre Handlungen, leiten Signale weiter, fahren auf und ab, schwingen hin und her und eröffnen neue Perspektiven. Dieses visuelle Spektakel ist von einer Ernsthaftigkeit durchdrungen. Der Text bleibt dabei eingängig und verständlich.

Das RambaZamba-Ensemble führt mit beeindruckender Präsenz durch den Abend. In verschiedenen Akten spielen sie Weltuntergangsszenarien durch und verweben diese geschickt mit Zirkus- und Musikelementen. Die Botschaft ist klar: Wissen allein reicht nicht aus – es muss geglaubt werden und Taten müssen folgen. Der klare Appell, "Es wollte niemand glauben, was längst alle wussten.", durchzieht die Aufführung und fordert zum Handeln auf. Am Ende des Abends blieb das Publikum sich allein gestellt, in einer Mischung aus Hoffnungslosigkeit und dem gleichzeitig irgendwie beruhigenden Gefühl zu wissen, dass diese besonderen Menschen da sein werden, wenn alles vorbei ist.

Lisa Rocke

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