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tunnel 19

tabula rasa. Eine Ausstellung der Künstlergruppe tunnel19


Ausstellung vom 9. bis 17.10.

Vernissage:
Sonntag, 9.10. von 14–22 Uhr
Finissage / Künstlergespräche:
Sonntag, 16.10. von 14–22 Uhr
Geöffnet: Mo–Sa 14–20 Uhr, So 14–22 Uhr

Kunstquartier Bethanien
Projektraum
Mariannenplatz 2
10997 Berlin


Die sieben Fotograf:innen der Künstlergruppe tunnel19 beschäftigen sich in ihrer im Kunstquartier Bethanien gezeigten Gemeinschaftsausstellung mit Leere, Neuanfang und Auslöschung: Der titelgebende Ausdruck Tabula rasa steht ebenso für völlige Auslöschung wie für radikalen Neuanfang und bezeichnet wörtlich die Leere, die sich zwischen beidem auftut. Der Terminus hat insbesondere in der Erkenntnistheorie Karriere gemacht. Bereits Platon nannte die Seele eines neugeborenen Menschen eine unbeschriebene Tafel, die sich erst im Laufe des Lebens mit Vorstellungen füllt, die über die verschiedenen Sinne vermittelt werden. Für Künstler:innen ist die Tabula rasa als leeres Blatt, das beschrieben, oder leere Leinwand, die bemalt werden möchte, notorisch. Den umgekehrten Vorgang, etwas vollkommen auszuradieren, so zu vernichten, dass nichts mehr übrig bleibt, bezeichnet der Ausdruck „Tabula rasa machen“.


© Andreas Henkel

Andreas Henkels Arbeit READING THE RIVER ist im Rahmen von zehn Fahrten an die Elbe entstanden. Zunächst als narratives Experiment gedacht, hat sich das Projekt alsbald zu einer Arbeit über die Metapher „Fluss“ vor dem Bedeutungshorizont von Bilderfluss und Bewusstseinsstrom entwickelt. Ziel war es dabei nicht, Ansichten oder Abbilder des Flusses zu schaffen. Es geht in der vier Kapitel umfassenden Arbeit vielmehr um die Wahrnehmung an sich und die Beschränkungen ihrer fotografischen Darstellung, um Oberflächenstrukturen, um die „weiße Leinwand“ des Fotografen und um die Komplexität der Darstellung des Flusses jenseits der durch den fotografischen Prozess gegebenen Momentaufnahme.

MEISTER, ICH ZWEIFEL … von David Varnhold beschäftigt sich mit der modernen Architektur des 20. Jahrhunderts. Ihre Visionäre, allen voran Le Corbusier, wollten nichts weniger, als die über Jahrhunderte gewachsenen Stadtstrukturen der Europäischen Metropolen beseitigen, um ihren Vorstellungen einer neuen Gesellschaft eine äußere Form zu geben. In großen Teilen haben sie es geschafft, gerade in Deutschland, da hier durch die Verheerungen des Krieges genug Platz war, um ihre weltenstürzenden Pläne umzusetzen. In seiner Fotografie versucht Varnhold die Ambivalenz aufzuzeigen, die er beim Betrachten dieser gebauten architektonischen Experimente verspürt.


© Lars Wagner

Nach einer Trennung und dem Auszug aus der gemeinsamen Wohnung, geht Lars Wagner diverse Kurzzeitmieten ein. Am Ende sind es 19 Wohnungen in 3 Jahren. Eine fortwährende Veränderung seiner Lebenswelt. Immer wieder neue Teppiche, Dielen und Fliesen. Immer wieder unbekannte Couchlandschaften, Bücherregalen und Lichtstimmungen. Die Wohnung nicht als erschlossener Rückzugsraum, sondern als fremdes Terrain. In DIE WAHRHEIT LIEGT IM STAUNEN reflektiert Lars Wagner seine Eindrücke in dieser Zeit.

Mit dem Gedenken und einer Technik, die dieses ermöglichen soll, beschäftigt sich Martin Kesting in seiner Arbeit MARANASATI: Vor allem in Süd- und Osteuropa werden in der Sepulkralkultur seit über einhundert Jahren Fotos von Verstorbenen auf Grabsteinen angebracht. Diese Fotokeramiken sind auf eine lange Haltbarkeit angelegt. Mit der Technik des Staubverfahrens werden Fotos bei hoher Temperatur dauerhaft mit Porzellan verschmolzen. Doch natürlich nagt auch an ihnen der Zahn der Zeit, denn Licht, Frost, Hitze sowie mechanische Einflüsse lassen diese Bilder über die Jahrzehnte verblassen, reißen Lücken in die Darstellung oder bewirken ihr komplettes Verschwinden.

Die Serie NUCLEAR NIPPON von Mireille van der Moga befasst sich mit der nuklearen Geschichte Japans und führt den Betrachter nach Hiroshima, Nagasaki und Fukushima, zu den drei Orten, die durch Atombomben und nukleare Aktivitäten in Friedenszeiten erhebliche Folgen erlitten. Die Künstlerin machte sich auf den Weg in ein Land, das sich trotz einer zweifachen Traumatisierung durch einen Atombombenabwurf entschied, seine Küsten mit Atomkraftwerken zu säumen. Die in Japan vorherrschende Politik des Schweigens nach Fukushima stellt heute, da dieses Echo wieder lauter wird, die Frage, welche Risiken es wert sind, eingegangen zu werden.


© Sylvia Zirden

Seit der Antike und weit bis in die Neuzeit hinein versteht man den menschlichen Geist beziehungsweise die Seele bei der Geburt als Tabula rasa, als vollkommen unbeschriebenes Blatt. Insbesondere das Sehen sollte dazu beitragen, den leeren Raum im Kopf des Neugeborenen nach und nach zu strukturieren und mit Formen, Bildern, Ideen und Gedanken zu füllen. Auch wenn heute bekannt ist, dass viele Strukturen im Gehirn angeboren und vererbt sind, beginnt die visuelle Wahrnehmung doch bei null. Aber was genau sieht ein neugeborenes Kind? Wie gestaltet sich seine erste optische Begegnung mit der Welt? Sylvia Zirden versucht in ihrer Serie DAS LICHT DER WELT – 1. TAG eine exemplarische künstlerische Annäherung unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Erkenntnisse.


© Volker Hagemann

Volker Hagemann beschäftigt sich in seiner Installation TAKE IT – OR LEAVE mit Veränderungen des städtischen Raums: Aktuell ist schwer auszumachen, ob sich Bautätigkeiten in Berlin auf für die städtische Gesellschaft sinnvolle Investitionen im Immobiliensektor zurückführen lassen, ob die derzeit virulenten Entwicklungen einen Kreislauf von Schließung und Neueröffnung in Gang gesetzt haben oder ob es sich vorrangig um die Verwandlung kontierter Zahlen in Betongold handelt. In jedem der drei Fälle zeugen meist schimmernde, Berlin und die Lichter der Stadt reflektierende Folien von anstehender Änderung, die metaphorisch in Fotografien fixiert ist. Abbruch und Aufbruch. Flatternde Hoffnung. Steingoldene Stadt.

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