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Thierry de Duve: Duchamp the Messenger of Art Unlimited - Grenzenlose Kunst

von Teresa Köster (16.04.2010)


Thierry de Duve: Duchamp the Messenger of Art Unlimited - Grenzenlose Kunst

Durch Grenzüberschreitungen innerhalb und zwischen den Künsten, aber auch durch die Konfrontation mit außer-europäischer Kunst wird das europäische Kunstkonzept, wie wir es kennen, zusehends in Frage gestellt. Jeder darf und soll gerade deshalb immer wieder die Streitfrage nach der Kunst stellen – das fordert zumindest die von der Akademie der Künste initiierte Vortragsreihe „Grenzenlose Kunst? - Art Unlimited?“.

Ihrem Ziel entsprechend, hat die Akademie gleich mehrere hochkarätige Kunsthistoriker eingeladen, die das Thema genauer untersuchen: Den Auftakt machte Hans Belting im März mit seinem Vortrag „Zeitgenössische Kunst heute“. Fortgesetzt wurde die Reihe nun mit Thierry de Duves Beitrag „Duchamp the Messenger of Art Unlimited“.

Veranstaltungsort für die Vortragsreihe war der Plenarsaal der Akademie der Künste am Pariser Platz. Der belgische Kunsthistoriker und Marcel Duchamp Experte Thierry de Duve näherte sich dem Thema aus historischer Sicht und wählte Duchamps Rolle als Ausgangspunkt für seine Ausführungen.

Die Grundthese de Duves war deutlich: Duchamp hob mit seinen Readymades die ästhetische Unterscheidung von Wirklichkeit und Kunst auf, ist aber nicht - wie häufig angenommen wird - der Urheber der "Grenzenlosen Kunst", das heißt unseres europäisch-neuzeitlichen Kunstkonzepts. Vielmehr sei Duchamp der Bote einer Neudefinition der Kunst, infolge welcher alte Regeln und Gattungen aufgehoben wurden und sich bspw. der Sammelbegriff "Künstler" durchsetzte. Zu zeigen, dass die Readymades nur Teil einer bereits früher eingesetzten Entwicklung waren und ebendiese nachzuvollziehen sei, intendierte de Duve mit seinem Vortrag.

Seit den sechziger Jahren gilt die Vorstellung, alles könne Kunst sein. Ohne die Readymades und deren Erfolg sowie deren Sprengung des damaligen Kunstverständnisses wären beispielsweise Andy Warhols „Brillo Boxes“ oder Robert Rauschenbergs „Combine Paintings“ undenkbar gewesen.
Da sich Duchamp jedoch mit Erklärungen zurückhielt und sich seine Arbeiten in ihrer Radikalität - von den Readymades bis hin zu "Etant donnés" - nicht einfach entschlüsseln lassen, kam es in der Folgezeit zu einer fatalen Fehlinterpretation seiner Botschaft, die sich bis heute am Leben erhält: Wenn nun alles Kunst sei, dann seien auch alle Künstler. Duchamp war nach de Duves Ansicht künstlerisch kein Demokrat, sondern Aristokrat, sodass dieser Umkehrschluss schlichtweg falsch ist.

Um sich Duchamps Ideen zu nähern, umriss de Duve die Entwicklung des Kunstkonzepts vor und während der Schaffenszeit des Franzosen. Duchamps Werk setzte zu einer Zeit ein, als der Zusammenbruch der Beaux Arts schon fortgeschritten war. Mit der schwindenden Bedeutung der Académie royale de peinture et de sculpture, die die Beaux Arts bis dahin repräsentierte und in Frankreich lange Zeit über Erfolg oder Misserfolg eines Künstlers entschied, sowie der Entstehung von Gegenmodellen, wie bspw. dem Salon de refusés (1863, Paris), wurden die Grenzen des Systems der Beaux Arts erweitert und schließlich von dem System der "Grenzenlosen Kunst" abgelöst. Parallelausstellungen ließen nun plötzlich beide Seiten des „Entweder ... oder ...“ sichtbar werden. Was die Académie zuvor ohne Erklärung abgelehnt hatte, war jetzt das erste Mal der Öffentlichkeit zugänglich.

Der Übergang verlief jedoch nicht linear. Die Frage, wie zu viele schlechte Arbeiten verhindert, gleichzeitig aber die Entscheidung nicht alleinig bei einer Jury liegt, konnten auch die Gegenmodelle nicht befriedigend lösen. Auch die Société und später die Society verweigerten sich zunächst Neuerungen: Was bspw. nicht als Gemälde einzuordnen war, galt nicht als Kunst. Negativ Beurteiltes war demnach Nicht-Kunst. Da Duchamps kubistisches Bild „Akt, eine Treppe herabsteigend“ von 1912 sowie seine unter dem Namen R. Mutt eingereichte „Fountain“ nicht eindeutig kategorisierbar waren, wiesen auch die Société beziehungsweise ihr amerikanisches Pendant die Werke ab.

Bis die "Grenzenlose Kunst" endgültig anerkannt und die Beaux Art vollständig zusammen gebrochen waren, dauerte es noch einige Zeit. Als zufälliges Nebenprodukt der ästhetischen Bewertung des Salons setzte sich der Begriff „Nicht-Kunst“ aber zusehends durch, doch erst in den sechziger Jahren liegt die Sternstunde der Nicht-Kunst. Duchamps Verdienst besteht vor allem darin, dass er - eine vorhandene Bereitschaft, sich beeinflussen zu lassen, nutzend - herausgegriffen hat, was noch nie jemand als Kunst bezeichnet hat und mit ihm umgegangen ist, als hätten sie den künstlerischen Anspruch eines Gemälde. Die Schlussfolgerung aus „Alles ist Kunst“ ist also vielmehr der Aufruf, Kunst könne man jetzt „mit jedem beliebigen Ding“ (de Duve) machen.

Heute ist der Begriff „Nicht-Kunst“ immer stärker zu einem undifferenzierten Sammelbecken für unterschiedlichste Strömungen geworden. Mit seinem auf Deutsch gehaltenen, etwa neunzig-minütigen Vortrag trat Thierry de Duve dem entgegen und endete mit der Forderung, reflektierter mit den Begriffen „Kunst“ und „Nicht-Kunst“ umzugehen. Hier schließt sich auch der Kreis zur Themenstellung von „Grenzelose Kunst? – Art Unlimited?“ bei der Aufforderung, unser gewohntes Kunstkonzept immer wieder zu hinterfragen, denn ohne die Sicherheit im Umgang mit dem entsprechenden Vokabular ist auch keine konstruktive Diskussion möglich. Letztendlich ist die Nicht-Kunst auch nur eine Unterkategorie der Kunst.

Abbildung: Flyer der Vortragreihe „Grenzlose Kunst? - Art Unlimited?“ © Akademie der Künste

Akademie der Künste
Pariser Platz 4
Plenarsaal
10117 Berlin

Beginn jeweils 19 Uhr

adk.de

Teresa Köster

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Titel zum Thema Thierry de Duve:

Thierry de Duve: Duchamp the Messenger of Art Unlimited - Grenzenlose Kunst
Thierry de Duve: Duchamp the Messenger of Art Unlimited im Rahmen der Vortragsreihe Grenzenlose Kunst? - Art Unlimited?
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