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MEMORY TRACES - Darstellende und zeitgenössische Kunst aus Finnland in Berlin

von Teresa Köster (20.04.2010)


MEMORY TRACES - Darstellende und zeitgenössische Kunst aus Finnland in Berlin

Einmal mehr begibt sich eine Ausstellung auf die Spuren der Erinnerung. „MEMORY TRACES“ heißt die aktuelle Schau namhafter finnischer Künstler, die zuvor bereits noch mit weit mehr Werken im Ludwig Museum in Koblenz zu sehen war. Für ihre Berliner Umsetzung wurden die Werke von den Kuratoren Mikko Iljäs und Mika Karhu auf vier Standorte verteilt: Fotografie und Bildhauerei werden in der Kuma Galerie, Fotografie- und Medienkunst in der Brotfabrik Galerie, Zeichnungen in der Galerie MAUD PIQUION & Partner sowie Malerei im Finnland-Institut präsentiert.

Erinnerungen finden hier ihre künstlerische Umsetzung in vielfältigen Formen, sowohl in der Wahl der Technik als auch in der Auslegung des Begriffes. Bereits die sechs Werke, die im Rahmen von „MEMORY TRACES“ im Ausstellungsraum des Finnland-Institutes hängen, veranschaulichen, wie unterschiedlich die Ansatzpunkte sein können.

So entlarvt beispielsweise der Künstler Juha Sääski gesellschaftliche Geschlechter-Vorstellungen und Rollenklischees, die universal und tief im sozialen Gedächtnis verankert sind. Die beiden ausgestellten Gemälde werden nicht nur räumlich im rechten Teil des Raumes einander gegenüber gestellt, sondern sind auch als inhaltliche Pendants zu verstehen. „Memory traces of men“ gibt unter Rückgriff auf allgemein bekannte Zeichen, zum Teil in abgeänderter Form, kulturell verfestigte Vorstellungen von Männlichkeit wieder: „Der Mann“ sei aggressiv und führe Kriege. Er jage Tiere, betreibe Sport und sei handwerklich versiert. Im Leben sei er ein wahrer Hedonist: Er trinke, rauche und esse gerne. Sein Verhältnis zu Frauen definiere sich durch seine Machtstellung über diese. Als moderne Entwicklung gegen dieses Macho-Bild findet aber auch der Vater, der sein Kind fürsorglich umsorgt, seinen Ausdruck. „Memory traces of women“ hingegen zeigt vor allem die gängigen Vorurteile und Rollenbilder, die Frauen in der Gesellschaft zugewiesen werden, aber auch ihre Funktionalisierung für Werbezwecke. Daneben finden sich auch Frauendarstellungen in stilistisch verschiedenen Interpretationen und aktuelle Entwicklungen, wie veränderte weibliche Prioritäten zuungunsten von Schwangerschaften.

Diese Fülle an gesellschaftlichen Bildern, die zwischen den traditionellen Zuweisungen von Geschlechterrollen und ihren modernen Auflösungen pendeln, ist in leuchtend-bunten Bildern untergebracht. Für seine Darstellungen sammelt Sääski manchmal über Jahre hinweg Ausschnitte aus Büchern, Zeitungen, aber auch visuelle Eindrücke bis die Bilder in seinem Kopf Gestalt annehmen. Immer wieder greift er alltägliche Motive auf, setzt sie in ungewöhnliche Beziehungen zueinander und spitzt sie in ihrer Kombination maßlos zu. Es sind ebenso internationale gesellschaftliche Erinnerungen wie auch eine bekannte Motivik, auf die der Künstler zurückgreift, um voller Humor und Ironie das Individuum auf die Gesellschaft treffen zu lassen.

Ebenso farbenprächtig, aber weitaus reduzierter ist das in der Nähe von Sääskis Arbeiten platzierte Acrylgemälde „Drop“ von Marianna Uutinen. Es zeigt auf strahlend pinkfarbender Grundierung eine schwarze Spur einer kleinen Schaumstoff-Malerrolle sowie einen gleichfarbigen Tropfen, der während der Bewegung von der Malerrolle geflossen sein muss. Erinnerung bedeutet hier etwas viel Individuelleres als bei Sääski: Der Titel verweist auf die Wichtigkeit des kleinen Tropfens, der an die Entstehung des Bildes erinnert. Erinnern bedeutet hier, den Malprozess zu reflektieren. Deutlicher wird dies noch in Uutinens großformatigem Bild „Roots and Blossoms“, das wie eine abstrakte Interpretation von Andy Warhols Blumen-Siebdrucken wirkt. Zentral im Raum platziert, bannt es sogleich die Aufmerksamkeit: Aufgetragen mit Malerrollen und Luftpolsterfolie treffen auf ockerfarbendem Untergrund leuchtendes Grasgrün und Pink auf Schwarz. Reliefflächen entstehen; sichtbare Strukturen und Schichten deuten auf den individuellen Entstehungsprozess.

Während sich die heiteren Bilder der international erfolgreichen Marianna Uutinen vor allem um sich selbst und ihre Entstehung drehen, beschäftigen sich die Arbeiten Minna Jatkolas wiederum mit der Welt und ihren gesellschaftlichen Problemen. Mal in düsterer Atmosphäre, mal in humorvollen Darstellungen teilt die Künstlerin in ihren Gemälden ihren kritischen weiblichen Blick auf die Welt, ohne sich dabei als Feministin zu verstehen. Figuren setzt sie in vertraute Architekturen, um sie dort beispielsweise in der Luft zwischen Wegwerf-Kaffeebechern und einer Kaffeemaschine schweben zu lassen. Irreale Kompositionen entstehen, in denen die Welt, unbekannt und dennoch aus vertrauten Fragmenten zusammengesetzt, aus den Fugen geraten zu sein scheint.

In Finnland haben sich alle drei Künstler längst einen Namen gemacht, während sie hier noch weitgehend unbekannt sind. Und dennoch: Betrachtet man ihre Bilder, scheinen vor allem die Juha Sääskis und Marianna Uutinens vertraut, so sehr sprechen sie in einer universalen Sprache. Obwohl sie die Themenstellung „MEMORY TRACES / Spuren der Erinnerung“ so vollkommen unterschiedlich verarbeitet haben, harmonieren die Werke dennoch in der ihnen gemeinsamen Farbenpracht, die durch einen ungewohnt lichtdurchfluteten Ausstellungsraum noch unterstützt wird. Sie erzählen dabei so unterschiedliche Geschichten, dass man beim Verlassen des Raumes nicht das Gefühl hat, nur so wenige Bilder betrachtet zu haben.

Beteiligte Künstler:
Saara Ekström, Maija Helasvuo, Mikko Iljäs, Minna Jatlonka, Mika Karhu, Jyrki Parantainen, Juha Sääski, Seppo Renvall, Marianna Uutinen

Abbildungen:
- Juha Sääski: Memory traces of men.
2007-2008. Öl auf Leinwand.
180 x 140 cm. © Juha Sääski
- Juha Sääski: Memory traces of women.
2007. Öl auf Leinwand. 
130 x 180 cm. © Juha Sääski
- Marianna Uutinen: Drop. 2005. Acryl auf Leinwand. 185 x 160 cm. © Marianna Uutinen / Foto: Jussi Tiainen (Flyer-Cover)
- Marianna Uutinen: Roots and Blossoms. 2006. Acryl auf Leinwand. 200 x 300 cm. © Marianna Uutinen / Foto: Jussi Tiainen

Ausstellungsdauer:
16.04. – 22.05.2010

Finnland-Insitut
Georgenstr. 24 (1.OG)
10117 Berlin

Öffnungszeiten:
Mo 10 -17 Uhr
Di – Do 11 - 19 Uhr
Fr 9 – 15 Uhr

finnland-institut.de
memorytraces.com

weitere Veranstaltungsorte:

Kuma Galerie
Novalisstr. 7
10115 Berlin
kuma-galerie.com

Brotfabrik Galerie
Caligariplatz 1
13086 Berlin
brotfabrik-berlin.de

MAUD PIQUION & Partner
Brunnenstr. 38
10115 Berlin
maudpiquion.com

Teresa Köster

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Titel zum Thema Memory Traces:

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