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LITTLE DISCO im Späti International

von Eva Biringer (04.08.2010)


LITTLE DISCO im Späti International

Für die Getränke ist gesorgt. Der Besucher muss nämlich, um zur Kunst zu gelangen, erst einmal den Spätkauf durchqueren. Dogan, der Besitzer, steht hinter der Theke und nickt freundlich, sichtbar angetan von den ungewöhnlichen Dingen, die hier vor sich gehen.
Die Kuratorinnen Susanne Husse und Jana Sotzko haben mit LITTLE DISCO ein spannendes Konzept vorgelegt.

Im „Raum 1“, der mehr einem Durchgangszimmer zwischen Verkaufsraum und Kundentoilette gleicht, sind mehrere Videoarbeiten ausgestellt, darunter „If only I was a Bear“ der isrealischen Künstlerin Zohar Frank. Ausgestattet mit einem absurden Pferdekopf, der an Mike Kelleys „Day is done“ erinnert, rennt die Künstlerin selbst auf der improvisiert wirkenden Bühne zu meditativer Klaviermusik im Kreis. Es handelt sich um die Dokumentation eines von ihr choreographierten Stückes, das am 11. März diesen Jahres im Berliner Dock 11 Premiere hatte. Auch wenn dem Video eine gewisse Poesie nicht abzusprechen ist, bleibt man ohne die Kenntnis des Tanzstückes etwas ratlos zurück.

Den Übergang zu „Raum 1,5“ markiert ein hektisch blinkendes Farbfeld des Künstlers Marcel Bühler. „Who, who? Who let the dogs out?“ spielt mit seiner Autoscooter-Ästhetik auf den gleichnamigen Sommerhit der mittlerweile in Vergessenheit geratenen Band „Bahamen“ an und verweist schon mal auf die Clubathmosphäre, die im zweiten Raum vorherrscht.
Kym Wards Installation „How to stop drinking and start...“ in besagtem „Raum 1,5“, eine skurrile Versuchsanordnung bestehend aus einer Art Flaschenzug und einer PET-Flasche, gibt ihre Funktion auch nach mehrmaligem Ausprobieren nicht preis und wirkt demnach reichlich sinnentleert.

Meditativ dreht sich die Discokugel um sich selbst und wirft leuchtende Flecken auf die Arbeiten, die im dritten und größten Raum verteilt sind. Zur Rechten wirft ein Diaprojektor das nostalgisch verblasste Foto einer Berglandschaft an die Wand. Es könnte eine Postkarte sein, die einem nach vielen Jahren wieder in die Hände fällt, tatsächlich handelt es sich bei Philip Topolovacs „Berg“ um einen Hügel aus Schutt. Der beinahe archaisch anmutende Projektor führt den Betrachter mit dem Charme der Vergangenheit auf eine falsche Fährte, um anschließend unsere Erwartungen zu enttäuschen.
Nebenan hängt eine Polaroidserie der in Saarbrücken geborenen Künstlerin Sibylle Hoessler, auf denen Tierfiguren aus Plastik zu sehen sind, die unter gleichfalls nostalgisch wirkenden weißen Spitzengardinen hervorschauen. Der Titel der dreiteiligen Arbeit verheißt eine „Geometrie des Glücks 1, 2, 3“. Trügt nicht auch diese scheinbar typisch-deutsche Kleinstadtidylle? Und wirkt, im Freud’schen Sinne, mehr un-heimlich, denn behaglich?

Die mit Abstand schönste Arbeit ist der großflächige C-Print von Wolfgang Ganter. Seine Dünenlandschaft mit den Pusteblumen-artigen Lichtflecken wirkt wie bildgewordene Melancholie.

Die Vielfalt der ausgestellten Arbeiten – sowohl in gattungsspezifischer als auch thematischer Hinsicht – ist, so die Kuratorin Susanne Husse, auf die Tatsache zurückzuführen, dass die Künstler keinerlei Vorgaben bei der Einreichung ihrer Beiträge hatten. Folglich sei der Titel „LITTLE DISCO“ auch nur halbwegs ernst gemeint, obwohl sich erfreulicherweise doch Bezüge zwischen einzelnen Arbeiten herstellen lassen. Husse hat nach ihrem Studium des Kulturmanagements, der Literaturwissenschaft und Kunstgeschichte bereits mehrfach kuratorisch gearbeitet. „LITTLE DISCO“ versteht sie als Experiment, dessen Idee im Einverständnis mit dem Besitzer des Spätkaufs, der sich „immer über eine alternative Nutzung seiner Räumlichkeiten freut“ und zusammen mit befreundeten Künstlern entstand.

Vielleicht gerade deshalb wirkt das alles frisch und innovativ. Einzig die etwas chaotische Beschilderung, die die Zuordnung der einzelnen Werke zu einem Ratespiel werden lässt, trübt die Begeisterung. Die angekündigte Wahl eines liebevoll „Späti“ genannten 24-Stunden-Shops als Präsentationsfläche wirkt angesichts der in letzter Zeit häufiger beobachteten Abkehr vom klassischen White-Cube-Ausstellungsraum vielleicht nicht allzu avantgardistisch. Das Neuköllner Szene-Publikum, das sich am Abend der Vernissage eingefunden hat, kann sowieso so schnell nichts mehr überraschen. Bei der stetig wachsenden Zahl von Kunsträumen, Galerien und Off-Spaces ist das auch nicht verwunderlich.

Spaß zu haben scheinen sie trotzdem. Mitten drin in dem Menschenknäuel, das es sich zwischen Straße und Bordstein bequem gemacht hat, steht Thilo Drostes „White Trash Readymade“. Eine strahlendweiße Mülltonne, die, seltsam deformiert, auf ironische Weise auf den ortsspezifischen Kontext verweist: Hier, im so genannten „Problemkiez“ Neukölln ist noch jede Menge Platz für die Kunst. Wer mit offenen Augen durch das Viertel geht, hat gute Chancen, statt brennender Autos einem Kunstwerk zu begegnen.

Abbildungen:
- Philip Topolovac, Foto: Copyright von Sibylle Hoessler
- Wolfgang Ganter, Foto: Copyright von Sibylle Hoessler
- Thilo Droste, Foto: Copyright von Sibylle Hoessler

Ausstellung bis zum 1. August 2010

Späti International
Weserstraße 190
12045 Berlin

littledisco.tumblr.com

Eva Biringer

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