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Berlin Daily 27.04.2024
Ausstellung Melting Mountains: Vortrag+Gespräch

17 Uhr: mit Theresa Schubert (Künstlerin) und Ingeborg Reichle (Kunsthistorikerin / Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit Helmholtz-Zentrum Potsdam). Projektraum MEINBLAU, Christinenstr. 18-19, 10119 Berlin

Von politischer Intervention bis zu Kulturproduktion: Die Vilnius biennal of performance art 2023

von chk (07.08.2023)
vorher Abb. Von politischer Intervention bis zu Kulturproduktion: Die Vilnius biennal of performance art 2023

Liam Gillick und Anton Vidokle, A Guiding Light Part 2, Detail, Foto art-in-berlin

Vom 23.7. bis 6.8.23 fand erstmals in Vilnius die Biennial of Performance Art statt. Direktorin war Diana Stomienė (Städtische Galerie Vilnius Meno Niša) und die künstlerische Leitung übernahm Neringa Bumblienė (Contemporary Art Centre (CAC)). Zu sehen gab es quer über die Stadt verteilt 18 verschiedene Performances aus Estland, Italien, den USA, Litauen, Polen, Finnland, Schweden und Großbritannien. Fast die Hälfte der Arbeiten entstand im Auftrag der Biennale vor Ort.

Im Unterschied zu der Vielzahl von Biennalen, die der Boom des Ausstellungsformats in den letzten Jahren weltweit hervorbrachte, konzentrierte sich diese ausschließlich auf das Medium Performance, das Kunst live und in Echtzeit vor Publikum produziert.
Zum Teil inhaltlich, aber auch formal stand die Stadt im Mittelpunkt. Das geschah mitunter ganz explizit, wie bei der Gimbutas Street Band - bestehend aus Laima Kreivytė (Kunstkritikerin), Eileen Myles (Schriftstellerin und Poetin) und Justė Kostikovaitė (Kuratorin), die sich für eine stärkere Präsenz des weiblichen Teils der Bevölkerung im Stadtraum einsetzten. Konkret plädierten sie für die Umbenennung der Jogaila Straße, benannt nach einem früheren König der polnisch-litauischen Gemeinschaft, in Gimbutas Straße. Auch in Vilnius sind lediglich 10 % der Straßennamen Frauen gewidmet.


Gimbutas Street Band, Detail, Video: ct / art-in-berlin

Im Zentrum der Performance, die auf der Straße vor einer Galerie stattfand, stand die litauische Archäologin und Anthropologin Marija Gimbutas (1921-1994). In einem imaginären Dialog mit der Wissenschaftlerin unterhielten sich die Performerinnen in rhythmischem Sprechgesang, begleitet von Klagelauten, und lenkten die Aufmerksamkeit auf eine geisterhafte Erscheinung. Der Geist von Marija Gimbutas wurde - nicht ohne humoristische Akzente - heraufbeschworen, um die geschlechtsspezifische Straßenbeschilderung zu destabilisieren. Die Transformation des öffentlichen Raums weg von der einseitig geprägten männlichen Dominanz kann beginnen. Das zahlreich erschienene Publikum, das in die Aufführung einbezogen wurde, honorierte dies mit viel Applaus.


Liam Gillick und Anton Vidokle, A Guiding Light Part 2, Detail, Video: ct / art-in-berlin

Anders als bei dieser feministisch-politischen Performance beleuchteten Liam Gillick und Anton Vidokle in A Guiding Light Part 2 die Diskussion um Kulturproduktion in einer Soundperformance. Vor eindrucksvoller Kulisse einer stillgelegten Güterzugwerkstatt mit einer riesigen Drehscheibe, die Züge von Gleis zu Gleis bewegt hat, fand ein Filmdreh statt, der zugleich Performance war. Auf der Drehscheibe versammelten sich mehrere Musiker:innen und spielten immer wieder Takte von Melodien an, die dann in ihrer Dauer von den einzelnen Instrumenten variiert wurden und selten einen einheitlichen Klang erzeugten.
Vor Ort ergab dies ein akustisches Spektakel. Um die Performance in ihrer Gesamtheit zu verstehen, muss man wissen, dass sie an eine Performance aus dem Jahr 2010 anknüpfte. Damals versammelten Gillick und Vidokle eine Gruppe von Kulturschaffenden in einem Fernsehstudio und ließen sie anhand eines kuratorischen Textes in Kombination mit einer Seifenoper über Kunstsystem und Ausstellungspraxis diskutieren. Es ging darum, das Potential von Kunst auszuloten, ein Thema, dem sich auch A Guiding Light Part 2 unter veränderten politischen Vorzeichen widmete, indem verschiedene Protagonist:innen ihre individuellen Positionen musikalisch in Szene setzten.


-lalia, Detail, Video: ct / art-in-berlin

Zurück im Stadtzentrum gab es im Litauischen National Drama Theatre -lalia von Dorota Gawęda und Eglė Kulbokaitė zu sehen. In der großen Empfangshalle, die mit ihren naturalistischen Gemälden an den Wänden an vergangene Zeiten erinnerte, performte Giulia Treminio in einer theatralischen, körperbetonten Einzelaktion über die Ängste unserer Zeit. Der menschliche Körper wurde zum Spiegelbild von Gewalt und restriktiver Kontrolle, um physische und emotionale Grenzen zu erforschen. Als Vermittlerin zwischen Vergangenheit und Gegenwart fungierte eine der slawischen Folklore entlehnte Sagengestalt, auf die Giulia Treminio darstellerisch Bezug nahm. Interessanterweise war -lalia nicht nur live im Foyer des Theaters zu erleben, sondern wurde parallel als Stream auf die Bühne eines der Zuschauerräume übertragen. Der Stream verstärkte das Subjektive und Fragmentarische des Kameraausschnitts, den die Künstlerin durch eine entsprechende Positionierung der Videokamera selbst erzeugte. Dabei stand die Wirkkraft der Selbstinszenierung im Zentrum.


Solar, Detail, Video: ct / art-in-berlin

In den Räumen der Galerie AP erweiterte die Künstlerin Rūta Junevičiūtė mit Solar das Performanceprogramm um einen biografisch-psychoanalytischen Ansatz. Auch dieser war ganz entscheidend durch die Präsenz von Körper und Sprache geprägt. Justina Mykolaitytė performte ausdrucksstark in Interaktion mit dem Publikum eine Geschichte, die sich um Kindheitserinnerung, Zuckerschock und Kapitalismus spann. Eine komplexe Mischung, die Mykolaitytė zwischen schwebenden abstrakten Bildern tänzerisch in Einklang brachte.

So wurde ein breites Spektrum der aktuellen Performancekunst abgedeckt, auch wenn vielleicht keine wirklich neuen Tendenzen auszumachen waren. Dennoch hat die gut besuchte 1. Vilnius Biennial of Performance Art gezeigt, dass die litauische Hauptstadt einem modernen städtischen Leben mit zeitgenössischer Kunst offen gegenübersteht. In diesem Sinne viel Erfolg bei der kommenden biennal of performance art.

Am kuratierten Programm nahmen teil: Pedro Barateiro, Eglė Budvytytė und Marija Olšauskaitė, Adam Christensen*, Dorota Gawęda und Eglė Kulbokaitė, Liam Gillick und Anton Vidokle, Eye Gymnastics (Viktorija Damerell und Gailė Griciūtė)*, Kris Lemsalu*, Robertas Narkus, Emilija Škarnulytė

Arbeiten aus dem open call: Teo Ala-Ruona, BRUD (Juan Pablo Villegas, Virginija Januškevičiūtė, Post Brothers, and others), in Zusammenarbeit: Aleksandra Janus, Weronika Pelczyńska und Monika Szpunar, Rūta Junevičiūtė, in Zusammenarbeit: Justė Kostikovaitė / Laima Kreivytė / Eileen Myles, in Zusammenarbeit: Yulia Krivic / Marta Romankiv / Weronika Zalewska, Keithy Kuuspu, Jacopo Miliani, Pontus Pettersson.

vilniusbiennial.com


chk

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Eindrücke von der Vilnius Biennale mit vier Videobeispielen.

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