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Jamsession à la Berlin. Nevin Aladağ in der Schwartzschen Villa in Berlin - Steglitz

von Maximilian Wahlich (03.03.2024)
vorher Abb. Jamsession à la Berlin. Nevin Aladağ in der Schwartzschen Villa in Berlin - Steglitz

Nevin Aladağ, Jamming, 2022
3-Kanal-Videoinstallation, HD-Video, jeder Audiokanal mono, jeder Film 6 min;
Edition von 5 plus 2 artist’s proofs, (NA/V 26)
© Courtesy of the artist and Wentrup, Berlin / VG Bild-Kunst, Bonn 2023


Wir fahren in einem Video mit dem Auto durch die Stadt Berlin, erkennen vertraute Ecken und ikonische Tourist-Hotspots wie den Checkpoint Charlie in der Kochstraße. Vor diesem Hintergrund werden Instrumente zum Spielen gebracht. Da ist zum Beispiel ein Ballon an einer großen Trompete, der seine Luft verliert und so einen Ton erzeugt. Es baumeln Schellen an einer Schaukel, ein Akkordeon hängt an einem Baum, Trommeln stehen unter einem Springbrunnen, Klarinetten liegen auf einem Autodach, Rasseln rollen den Hang hinunter. Durch Bewegung entstehen die Geräusche, Fahrtwind bringt Luft ins Instrument, es tönt monoton, rasselt, scheppert und klirrt. Die Trommeln werden vom herabbrasselnden Wasser bespielt. Oft sind es physikalische Ereignisse, die den Klang auslösen: Die Schwerkraft zieht das Akkordeon nach unten und es erklingt.

Entstanden ist die Videoarbeit Jamming (2022) für die gleichnamige Einzelausstellung der Künstlerin Nevin Aladağ, die seit 2019 Professorin für Skulptur in Bewegung an der Hochschule für Bildende Künste Dresden ist und u.a. an der documenta 14 teilgenommen hat. Das Drei-Kanal-Video wird in der Schwartzschen Villa erstmals gezeigt. Die Arbeit verteilt sich auf drei Bildschirme, teilweise ergänzen sich die Sequenzen, dann laufen sie wieder separat nebeneinander her. Insgesamt ergibt sich neben den Berlin-Impressionen ein facettenreiches Klangspektrum, das an eine Jazz-Improvisation erinnert. Aladağ lebt seit über 10 Jahren in Berlin und hat die Stadt bereits in früheren filmischen Arbeiten zum akustischen Motiv gemacht: Allen voran Voice Over (2006), wo sie Jugendliche im Görlitzer Park singend und von der Natur der Stadt gespielte Musikinstrumente aufgenommen hat. Im weitesten Sinne handelt es sich bei Aladağs Arbeiten auch um klangliche Porträts von Berlin – ein Genre mit gewichtigen Vorgängern wie Berlin – Die Sinfonie der Großstadt von Walther Ruttmann, der einen hektischen Ort eingefing, reich an Verkehrskreuzungen und so voll von Eindrücken, dass Doppelbelichtungen nötig waren. Witzigerweise erinnert dieses geschäftige Treiben, diese Dichte an Eindrücken an die heutige Umgebung der Schwartzschen Villa. Einst war das imposante Gründerzeithaus Sommerresidenz der Bankiersfamilie Schwartz. Doch mittlerweile ist das Idyll kaum mehr vorstellbar.


Nevin Aladağ, Social Fabric, Skylight Spring, 2021
Collage mit Teppichen unterschiedlicher Herkunft auf Holz
ø 104 × 5 cm | ø 41 × 2 in, (NA/M 97)
Foto: Trevor Good, © Courtesy of the artist and Wentrup, Berlin / VG Bild-Kunst, Bonn 2023


Im zweiten Raum hängen bildhafte Werke an den Wänden. Mit den Werken der Serien Social Fabric, Pattern Kinship sowie Color Floating bezieht sich Aladağ auf die Historie des Ortes und reinszeniert die häusliche Atmosphäre der ehemaligen Sommerresidenz. Dabei verwendet die Künstlerin Fundstücke und setzt sie in neue Bezüge. Die kreisförmigen Werke erinnern an ein Patchwork und zeichnen sich durch eine dekorative, geradezu ornamentale Ästhetik aus.
Wie ein Musterbuch vermitteln sie einen Eindruck vom ehemaligen Interieur. Vermutlich wohnte die Familie, ganz nach dem Zeitgeschmack, in überladenen Räumen mit schweren, dunklen Möbeln voller Muster und Stoffe. Ein Etui, wie Walter Benjamin diese Möblierungspraxis beschrieben hat. Eine kleine Büchse voller Tüll und öffnen wir die Augen, sehen wir bloß Plüsch. Wir sitzen in einer Art Sarg und gedenken alter Zeiten.
Aladağ lässt diesen Theoriebombast vorerst geschlossen und wendet sich den Oberflächen zu. Textilien wie Samt, Cord, Seide, Weberei bilden ein Kaleidoskop möglicher Stoffbespannungen. Viele der Stoffe bedienen sich eines Dekorums, das an koloniale Muster oder an eine Ornamentik der Aristokratie anknüpft. Es bleibt spekulativ, ob genau diese Stoffe im Haus verwendet wurden. Vielleicht greift das spielerische Vorgehen der Künstlerin auch die historistische Willkür in der Wahl von Stilen wieder auf?


Portrait Nevin Aladağ
Foto: Daniela Kohl


Eine Postkartenpublikation mit einem Text von Christine Nippe, der Kuratorin der Ausstellung, sowie ein Begleitprogramm mit Performances und Gesprächen ergänzen die Ausstellung.

Nevin Aladağ – Jamming
8. September bis 3. März 2024
Schwartzsche Villa
Grunewaldstraße 55
12165 Berlin
Mo–So 10–18 Uhr
Eintritt frei

schwartzsche-villa/ausstellungen

Maximilian Wahlich

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