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Control of Loss: Carbolytics. JOANA MOLL in der Digitalvilla (Potsdam)

von Verena Voigt (30.11.2023)
vorher Abb. Control of Loss: Carbolytics. JOANA MOLL in der Digitalvilla (Potsdam)

Joana Moll, Carbolytics (12), Courtesy Gallery Aksioma, 2022, © Joana Moll
Foto: Damen Pal


Technologische Verlustkontrollen sind an Quantifizierungen gebunden. Im Risikomanagement, der Lieferkettenkontrolle oder der Landwirtschaft können durch Vergleichsberechnungen reale und künftige Verluste annähernd beziffert werden. Anders in der digitalen „Lebenswelt“. Unter dem Titel VERLUSTKONTROLLE__noisy deep islands__ lädt die Digitalvilla in Zusammenarbeit mit Verena Voigt M.A. (GFZK e.V.) zu insgesamt acht hybr*d lecturƎ  pƎrformancƎs ein. Das Brandenburgische Zentrum für Medienwissenschaften hat das Jahresthema 2023/24 VERLUSTKONTROLLE ausgeschrieben und die Digitalvilla/ GFZK e.V. hat eine der Förderungen für ein kreatives Veranstaltungsformat erhalten. Nachdem Auftakt am 4. Dezember ist am 8. Dezember die Künstlerin und Forscherin Joana Moll (Barcelona, Köln) zu Gast in der Digitalvilla, um die Schlüsselbegriffe Internet-Materialität, Überwachung, soziales Profiling, Schnittstellenpolitiken und verdeckte Energieverluste mit dem Reflexionsbegriff VERLUSTKONTROLLE in ein theoretisches Spannungsverhältnis zu setzen.

Moderation: Jan Distelmeyer

Jan Distelmeyer, der die Keynote Lecture von Joana Moll moderiert, hat in seiner Publikation „Kritik der Digitalität“ (2021) u.a. die Materialitäten des Internets und die algorithmischen Verborgenheiten analysiert, die zugleich mythisch wie materiell (Distelmeyer, 2021, S. 10ff, 18) seien. Dabei lenkt der Potsdamer Professor den Blick auf den digitalen Energieverbrauch, Serverparks, skandalöse Arbeitsverhältnisse und Computerschrott. Joana Moll ist in ihren künstlerischen Langzeitprojekten ebenfalls mit diesen Themen verbunden. Moll, die gerade die „Vertretungsprofessur Netze“ an der KHM Köln angetreten hat, untersucht u.a. in dem Projekt Carbolytics wie sich techno-kapitalistische Narrative auf die Alphabetisierung von Maschinen, Menschen und Ökosystemen auswirken. In ihrem Keynote-Beitrag in der Digitalvilla (8. Dezember) berichtet sie von dem Kooperationsprojekt CARBOLYTICS (2022).
Anmeldung erforderlich: kontakt@verena-voigt-pr.de

Eine interdiszipliäre Kollaboration: Carbolytics

Das künstlerisch-investigative Projekt wurde von wurde von AKSIOMA – Institute for Contemporary Art Ljublijana im Rahmen von Tactics & Practice #12: New Extractivism in Auftrag gegeben. Es wurde in Zusammenarbeit mit dem Barcelona Supercomputing Centre (BSC) entwickelt und in Partnerschaft mit dem Sónar Festival (ES) und dem Weizenbaum-Institut realisiert. Für das Projekt berechnete das BSC die Anzahl der Tracking-Cookies auf den eine Million weltweit führenden Websites und den darauf zurückzuführenden durchschnittlichen Energieverbrauch. Im Rahmen dieser Kooperation hat Joana Moll in Form von künstlerischen Artefakten, auch argumentative und mediale Formate geschaffen, um neue Perspektiven zur Bewältigung der sozialen und ökologischen Kosten der allgegenwärtigen digitalen Überwachung zu liefern – mit dem Ziel, ein öffentliches Bewusstsein für die Umweltauswirkungen der Datenerfassung zu erzeugen.

Vladan Joler und Ben Grosser sind ebenfalls in dem AKSIOMA-Projekt eingebunden. Beide sind u.a. Mitglieder der Gruppe „Critical Interface Politics Research Group“ am HANGAR [Barcelona], einer Gruppe, die Joana mitbegründet hat & mit denen sie seit 2016 gemeinsam forscht.

AdTech: Ein komplexes Labyrint

„Carbolytics ist ein Projekt an der Schnittstelle von Kunst und Forschung, das darauf abzielt, das Bewusstsein für die Umweltauswirkungen der allgegenwärtigen Überwachung innerhalb des Werbetechnologie-Ökosystems (AdTech) zu schärfen. Es will zum Handeln aufzurufen, eine neue Perspektive für den Umgang mit sozialen und ökologischen Aspekten erzeugen, um die dahinterliegenden Kosten und undurchsichtigen Datenerfassungspraktiken sichtbar zu machen. Unter „Online-Tracking“ versteht man das Sammeln von Daten über Online-Benutzeraktivitäten, wie z. B. das Lesen von Nachrichten, den Kauf von Artikeln, die Interaktion in sozialen Medien oder einfach eine Online-Suche. Es ist bekannt, dass sich die Verfolgung und Aufzeichnung des Nutzerverhaltens im vergangenen Jahrzehnt zu einem wichtigen Geschäftsmodell entwickelt hat. Doch auch wenn die gesellschaftlichen und ethischen Folgen missbräuchlicher Online-Überwachungspraktiken spätestens seit Snowdens Enthüllungen im Jahr 2013 Gegenstand öffentlicher Debatten sind, fliegen die realen Energie- und Umweltkosten solcher Prozesse gleichsam unter dem Radar der Öffentlichkeit. Der globale Datenerfassungsapparat ist ein komplexes Techno-Labyrinth, für dessen Existenz und Betrieb enorme Mengen an Ressourcen erforderlich sind. Dennoch geben Unternehmen selten Informationen über den ökologischen Fußabdruck solcher Vorgänge preis. Darüber hinaus wird ein Teil der Energiekosten der Datenerfassungspraktiken dem Benutzer aufgebürdet, der unfreiwillig auch einen Teil seines ökologischen Fußabdrucks ausmacht. Obwohl dies ein entscheidender Aspekt der Überwachung ist, besteht ein besorgniserregender Mangel an gesellschaftlichem, politischem, unternehmerischem und staatlichem Willen zur Rechenschaftspflicht, sodass ein Aufruf zum Handeln dringend erforderlich ist.“ Quelle: janavirgin.com

Der Bezug zur Verlustkontrolle

Entlang der Argumentationskette Cognitive Capitalism, DataCollection, DataExtraction, Online- Tracking, Real-Time-Bidding, Materiality of Data und Cookies wird Joana Moll in ihrem Beitrag die digitale Schnittstelle in den Blick nehmen, die als ausgereifte kapitalistische Maschinerie Benutzer*innen von der materiellen Komplexität globaler Ketten der Waren- und Datenproduktion – wie auch von der sozialen Reproduktion – entkoppelt: mit dem Ziel, den wirtschaftlichen Gewinn der Unternehmen zu maximieren. In diesem digitalen Entfremdungsprozess ist ein nicht leicht zu bilanzierender schleichender VERLUST angelegt.

Mit dem Terminus VERLUSTKONTROLLE scheint ein kritischer Hebel gefunden, der sich in den Schnittstellendiskurs selbst implementiert und Aktion zu initiieren in der Lage ist: mit dem Ziel, digitale Arbeitsaufwendungen zu verfolgen (und zu kontrollieren), um uns Benutzer*innen einen nachhaltigen Umgang mit Digitalität (wieder) anzuvertrauen; insofern das möglich ist ...


Joana Moll, Carbolytics (13), Courtesy Gallery Aksioma, 2022, © Joana Moll
Foto: Damen Pal


Biografie

Joana Molls künstlerischen Forschungen wurden in renommierten Institutionen, Museen, Universitäten und Festivals auf der ganzen Welt präsentiert, darunter der Biennale von Venedig, Art Basel, MAXXI, MMOMA, MACBA, Laboral, CCCB, ZKM, Bozar, Museum für Naturkunde in Berlin, Österreichisches Museum für Angewandte Kunst (MAK), Ars Electronica, HeK Basel, Photographer's Gallery, Korean Cultural Foundation Center, Chronus Art Center, New York University, Georgetown University, Berkman Klein Center an der Harvard University, Rutgers University, University of Cambridge, Goldsmiths University of London, University of Illinois, Concordia University, Universitat Autònoma de Barcelona, ETH Zürich, École d'Art d'Aix en Provence, British Computer Society, The New School, CPDP 2019, Transmediale, FILE und ISEA und vielen anderen. - Über ihre Arbeit wurde in internationalen Medien berichtet, darunter der New York Times, der Financial Times, dem Spiegel, National Geographic, Quartz, Wired, Vice, The New Inquiry, Netzpolitikk, El Mundo, O'Globo, La Reppublica, Fast Company, CBC, NBC oder MIT Press.
Netzwerke: Joana Moll ist Mitbegründerin der Critical Interface Politics Research Group am HANGAR [Barcelona]. Sie war Forschungsstipendiatin der BBVA Foundation, Stipendiatin am Weizenbaum-Institut in Berlin, künstlerische Forscherin im Critical Media Lab an der HGK in Basel, Gastdozentin an der Universität Potsdam und Gastdozentin an der Escola Elisava Dozentin an der Escola Elisava in Barcelona. Derzeit ist sie Stipendiatin am Disruption Netwok Lab Institute in Berlin.

In dem Artist-Talk Dataextraction, Materiality & Agency vom 16. Februar 2022 im Rahmen von Now Extravism in der Cukrarna Gallery in Ljubljana fasst Joana Moll ihre künstlerischen Forschungen und ihr Langzeitprojekt zusammen.

Digitalvilla am Hedy-Lamarr-Platz
Hedy-Lamarr-Platz, 14482 Potsdam
Karl-Marx-Str. 67
Anfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln über Bahnhof Griebnitzsee.
Weitere Informationen zur PLATFORM GLITCH AESTHETICS

PROGRAMM :::: GLITCH :::: VERLUSTKONTROLLE

GLIT©H ::: VERLUSTKONTROLLE [Control of Loss
hybr*d lecturƎ  pƎrformanc$Ǝs __noisy deep islands__
ZeM-Jahresschwerpunkt 2023/24 VERLUSTKONTROLLE

Freitag, 8. Dezember, 18 Uhr
Digitalvilla, Room 1.10 & on ZooM
Hedy-Lamarr-Platz, 14482 Potsdam, Karl-Marx-Str. 67
Anmeldung erforderlich: kontakt@verena-voigt-pr.de

KEYNOTE LECTURE
Control of Loss: Carbolytics
Joana Moll, Artist & Researcher, Cologne Academy of Media Arts (KHM)

BEGRÜSSUNG
Univ.-Prof. Dr. Norbert Gronau, Digitalvilla
Wirtschaftsinformatik, Systeme und Prozesse Universität Potsdam

EINFÜHRUNG UND MODERATION
Prof. Dr. Jan Distelmeyer
Europäische Medienwissenschaft, Universität Potsdam & FH Potsdam

Eine Veranstaltung im Rahmen des ZeM-Jahresschwerpunkts „Verlustkontrolle“ in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik, Prozesse & Systeme der Universität Potsdam, Univ.-Prof. Dr. Ing. Norbert Gronau und mit der Gesellschaft für zeitgenössische Konzepte e.V., gefördert durch das ZeM – Brandenburgisches Zentrum für Medienwissenschaften.

Verena Voigt

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Titel zum Thema Glitch Phenomena:

Control of Loss: Carbolytics. JOANA MOLL in der Digitalvilla (Potsdam)
Gastbeitrag: Verena Voigt

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Veranstaltungstipp: Zwischen Kunst und Informatik – Digitalvilla der Universität wird zum Labor für Glitch-Art & Glitch Aesthetic in Potsdam

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