Home / Zuhause - Kann ein Mensch mehr als eines haben? Wodurch entsteht ein heimisches Gefühl? Über Erinnerungen, über Gegenstände oder andere Menschen, über Landschaften? Wenn man wie der Künstler Arturo Herrera 1959 im venezolanischen Caracas geboren ist, in Chicago studiert und in New York gelebt hat und nun in Berlin lebt und arbeitet, liegt es nahe, dass man sich mit diesen Fragen auseinandergesetzt hat. Das Ergebnis dieser Auseinandersetzung zeigt die aktuell zusammengestellte Schau von Arturo Herrera und der Kuratorin Katja Blomberg (bis zum 13. Juli 210 im Haus am Waldsee).
Arturo Herrera versucht dabei gar nicht erst, dem Abstraktum „Zuhause“ theoretisch-explizierend beizukommen, sondern beruft sich vielmehr auf die Bedeutung von Erinnerungen, die beispielsweise in universal bekannten Bildern aus der Populärkultur verankert sind. Dafür sammelt er Zeitschriften, Kinderbücher, Comichefte, Magazine sowie Privatfotos, um aus diesen anschließend in Collagen, Fotografien, Skulpturen, in Malerei, Filzarbeiten und erstmalig auch in einem Film zu zitieren. Fragmentierend und verfremdend, lotet Arturo Herrera die Kraft der global kommunizierten Ausgangsbilder aus. Wie weit kann ein im sozialen Gedächtnis eingebranntes Bild abstrahiert werden, ohne seinen Erkennungswert zu verlieren?
Bereits die Cut-Out-Collage „Castle“, mit der der Besucher in die Ausstellung eingeführt wird, spielt mit den verschiedenen Ebenen des Erkennungswertes. Das Grundmotiv ist das berühmte Schloss Neuschwanstein. In Deutschland lokalisiert, wurde es von Walt Disney adaptiert und in einen neuen öffentlichen Wahrnehmungsrahmen eingeführt. Herrera bringt das Motiv nun wiederum nach Deutschland zurück. Das Schloss Neuschwanstein zeigt sich jedoch nicht als fotorealistische Wiedergabe, sondern verweist auf amerikanische Einflüsse. Vielfarbige Cut-Outs aus diversen Verpackungen umreißen die Linien des Schlosses auf weißem Untergrund, verselbstständigen sich jedoch, sobald sie über das Schlossmotiv hinausgehen, in eigenständige Formen, die unweigerlich an abstrakte Malerei erinnern.
Im angrenzenden Raum werden neben anderen Wandarbeiten und einer Skulptur drei ähnlich bearbeitete Cut-Out-Collagen aus einer 75-teiligen Serie gezeigt, die von Kinderbuchzeichnungen eines Jungen und eines Zwerges ausgehen, diese aber so stark abstrahieren, dass die Grundmotive unter den geschichteten, farbintensiven Materialien kaum noch zu erkennen sind. Einen Schritt weiter geht der Künstler in seiner Serie „Keep in Touch“, aus der einige Werke in der oberen Etage gezeigt werden. Die Collagen des Künstlers wurden von beauftragten Motiven aus Kindergeschichten, vor allem Walt Disneys, unterlegt, in denen die ursprünglich abgebildeten Charaktere allerdings ausgespart wurden. Nicht mehr Märchenfiguren, sondern Herreras abstrakte Formen spielen nun die Hauptrollen auf den bereitgestellten Bühnen, doch noch immer bleibt eine Szene aus „Pinocchio“ oder „Alice im Wunderland“ als solche erkennbar.
Auch in anderen Arbeiten verfährt Herrera sehr ähnlich. Die Ausgangsmotive, zumeist Tiere, Märchengestalten oder Kinder, werden nur noch angedeutet. Die Figuren entziehen sich der Fassbarkeit, ebenso wie sie selbst aus einem Davor und Danach herausgelöst wurden. Sie regen nur noch zu Vermutungen an: Warum steht ein Stiefelpaar verlassen auf einer Wiese (Triptychon „Come / Bln“)? Weshalb liegt ein Zwerg auf seinem Rücken und sieht durch ein Schlüsselloch (Diptychon „Door“)? Immer wieder – das betont der Künstler, denn ob der Betrachter diese Verbindung eigenständig herstellen würde, ist fraglich – suchen die Figuren nach einem (neuen) Zuhause oder greifen in ein fremdes Heim ein.
Unter dem Titel „Home“ setzt sich Arturo Herrera außerdem mit dem Ausstellungsort selbst auseinander. Mit dem Haus am Waldsee als ehemalige Privatvilla eines Industriellen treten seine Werke in einen Dialog, sodass die Architektur der ehemaligen Wohnräume mitarbeitet: Die leuchtend rote Skulptur „Untitled (Alice)“ öffnet sich mit ihren Einschnitten, die sich zu der Vorderansicht eines Hasens formen, zum Raum hin; einige Arbeiten sind ohne Rahmung an den Wänden angebracht und die Filzarbeit „Catch“ legt durch vereinzelte Perforierungen den Blick auf die darunter liegende Wand frei.
Das Spiel mit der Popkultur in der Kunst ist seit den sechziger Jahren bspw. in Andy Warhols Siebdrucken oder in den riesenhaft vergrößerten Comicmotiven von Roy Lichtenstein bekannt. Auch Arturo Herrera greift Bilder der Popkultur auf, drückt sie jedoch stark abstrahiert malerisch aus. Der künstlerische Eingriff kämpft gegen die Erkennbarkeit visueller Zeichen. Wer dabei gewinnt, lässt sich auch nach einem Besuch der Ausstellung nicht deutlich sagen, zu sehr pendeln die Eindrücke zwischen dem Wiederkennen und der Ratlosigkeit vor einigen Bildern.
Abbildungen:
- Ausstellungsansicht. © Haus am Waldsee.
- Arturo Herrera: Keep in Touch, 2005. 
Collage, mixed media on paper 
Set # 5 (13 elements). 
© Arturo Herrera
- ArturoHerrera: Trigger, 2009. Collage, mixed media on paper. 
© Arturo Herrera
Ausstellungsdauer: 02.04. - 13.06.2010
Haus am Waldsee
Argentinische Allee 30
14163 Berlin
Öffnungszeiten:
Di - So 11 - 18 Uhr
Mi 11 - 20 Uhr
hausamwaldsee.de
Titel zum Thema Arturo Herrera:
Arturo Herrera: Home im Haus am Waldsee
Ausstellungsbesprechung: Home / Zuhause - Kann ein Mensch mehr als eines haben? Wodurch entsteht ein heimisches Gefühl? Über Erinnerungen, über Gegenstände oder andere Menschen, über Landschaften? Wenn man wie der Künstler Arturo Herrera 1959 im venezolanischen Caracas geboren ist,...
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