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Der erschöpfte Betrachter. Anmerkungen zu einem Vortrag von Jörg Heiser

von Luzie Sieckenius (25.09.2012)
vorher Abb. Der erschöpfte Betrachter. Anmerkungen zu einem Vortrag von Jörg Heiser

Die dOCUMENTA (13), die am letzten Sonntag mit ihrem 100. Ausstellungstag zu Ende ging, brach einen Besucherrekord. 860.000 Besucher wollten die Weltkunstschau in Kassel sehen, so viele wie nie zuvor. Ohne Frage umstritten war, dass man die Ausstellung in ihrer Gesamtheit nicht bewältigen konnte - neben Kassel realisierte die Kuratorin Carolyn Christov-Bakargiev Außenschauplätze in Afghanistan, Ägypten und Kanada. Diese globale Verfügbarkeit und die dadurch entstehende Unmöglichkeit der Kritik ist laut Jörg Heiser, Kurator, Kunstkritiker und Co-Editor des Frieze-Magazins, nicht mehr steigerbar. “Außer vielleicht durch eine Diskussion am Südpol oder eine Plattform in Somalia.”, so Heiser.

“Der erschöpfte Betrachter: Kritische Bewertung der Kunst in Zeiten der Diffusion” war der Titel seines Vortrags, der am 17. September im Martin-Gropius-Bau stattfand und in dem er den Zusammenhang von Informationszirkulation durch soziale Netzwerke und der Verbannung dezidierter (Kunst-)kritik thematisierte.

Die Kunstkritik befand sich schon immer in der Krise, das ist klar, sie zeigt sich in Zeiten von Facebook, Wikileaks und des reinen “Zirkulierenlassens” von Informationen jedoch laut Jörg Heiser als besonders existenzbedroht. Geliefert werden, im Gegensatz zum investigativen Journalisus, gefilterte Informationen abzüglich kritischer Bewertung. Die klassische Kunstkritik wird also verbannt, an ihre Stelle tritt die Vernetzung. Megaausstellungen wie die documenta oder diverse Biennalen können als als Produkt dieser Vernetzungskultur gesehen werden. Sie wurden selbst zum Massenmedium etabliert, es sind nicht mehr nur die ausstellenden Künstler, die ihre Meinung durch die Ausstellung äußern. “”Die Megaausstellung muss selbst als Symptom der massenmedialen Welt entziffert werden”, so Heiser und beschreibt sie gleichzeitig als “Gemischtwarenladen”, der für die breite Masse zusammengestellt wird. Und die daraus resultierende Unbewältigbarkeit bedeutet wiederum ein präventives Abprallenlassen von Kritik. Die Frage “Wie war die Ausstellung?” gleicht einem “Wie war es gestern auf Google?” - eine zugespitzte Aussage scheint im Überangebot nicht mehr möglich. Erschöpfen Megaausstellungen den Zuschauer und zugleich sich selbst? Kann man sich als Betrachter heutzutage nur noch zurücklehnen statt der Idee des französischen Philosophen Jacques Rancière des emanzipierten Betrachters nachzueifern? Dieser nimmt am inneren und äußeren Diskurs aktiv teil, bildet sich ein Urteil über das Gesehene, tritt in Austausch und steht nicht in Ehrfurcht, sondern auf Augenhöhe mit dem Kunstwerk. Jörg Heiser macht deutlich, dass diese Position aufgrund des Pensums der Großausstellungen nicht mehr zu realisieren scheint: “Die Kuratoren werden zu Zirkulationsdompteuren, die uns durch ihre Reifen springen lassen.” Er geht sogar soweit, das Megalomanische als “Rache der Megaausstellungen am emanzipierten Betrachter” zu bezeichnen, das ihn zum bloßen Betrachter macht.

An manchen Ecken würde ein wenig Bescheidenheit sicher nicht schaden, trotzdem scheint die Kunstwelt nicht Opfer ihres Erfolgs. Megaausstellungen können, genauso wie die Informationsflut von Facebook und Co., ohne Frage überfordern, doch führen sie uns auch zu kognitiven Steigerungen und fördern Medienkompetenz, die uns unweigerlich abverlangt werden wird. Oder anders: es kann immer nur Fragment sein, was man sieht.

Luzie Sieckenius

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