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Teddywurst und Eidotter - Lebensmittelfotografien im Martin-Gropius-Bau

von Inka Humann (15.01.2013)
vorher Abb. Teddywurst und Eidotter - Lebensmittelfotografien im Martin-Gropius-Bau

Michael Schmidt: Ohne Titel, # 17.139, aus: LEBENSMITTEL 2006–2010, C-Print, 54,1 x 81,6 cm, © Michael Schmidt

Lebensmittel. Nicht Ernährung, nicht Essen. Lebensmittel. Mittel, die wir zum Leben brauchen. Der Ausstellungstitel "Lebensmittel" bezeichnet das umfangreiche Projekt, an dem der deutsche Fotograf Michael Schmidt auf 26 Reisen quer durch Europa gearbeitet hat. Unzählige Produktionsstätten wie Bäckereien, Fischfarmen, Schlachtereien und Gewächshäuser hat der Berliner in einer Zeit von fünf Jahren besucht und das Gesehene in 177 Bildern festgehalten. 134 sind in der aktuellen Schau im Martin-Gropius-Bau ausgestellt.

Schon seit Jahren rütteln zahlreiche Berichte und Filme über die Schattenseiten der Massentierhaltung und der Lebensmittelindustrie auf. Das Wissen über Antibiotika-belastetes Fleisch, Pestizidrückstände in Obst und Gemüse und andere gesundheitsschädliche Zusatzstoffe ist bekannt und doch sitzen wir jeden Tag wieder an einem reich gedeckten Tisch mit derlei Leckereien.

Im Gegensatz zu den Schockbildern in den Aufklärungsberichten begegnet man in der Ausstellung im Martin-Gropius-Bau ästhetisch arrangierten Fotografien. Präzise und realistisch sind die Bilder von Feldarbeitern, eingeschweißtem Fleisch und vollbepackten Gurkenkisten. Dennoch hat die gesamte Serie etwas Beunruhigendes und Nachdenkliches an sich. Es gibt Anspielungen, einige Aufnahmen erzeugen leichte Schauder. So zum Beispiel eines der ersten Bilder von einem auf dem Boden liegenden Schwein, das man direkt für getötet hält, oder das Bild von eingeschweißtem blutigen Fleisch, das einem aus nächster Nähe in Augenhöhe begegnet.

Gerade im seriellen Prinzip, das für Schmidt so wichtig und für seine Arbeit essentiell ist, werden Fragen aufgeworfen über unser Verhältnis zu Lebensmitteln. Es ist die Serie, die für den Fotografen im Mittelpunkt steht, nicht das Einzelbild. Erst in der Zusammenführung der Bilder entsteht ein Mehrwert, nach dem Prinzip 1­+1=3.
Anfangs sehr zurückhaltend und isoliert gehängt, steigert sich die Ausstellung Raum für Raum. Es entsteht ein Rhythmus von Reihen und Blöcken, bis sich im letzten Raum eine ganze Bilderwand auftut. Beim Gang durch die Ausstellung entdeckt der Besucher Wiederholungen, Aufnahmen des gleichen Motivs. Doch ist es tatsächlich genau dieselbe Aufnahme? Er vergleicht, stellt Bezüge her, eigene Gedanken fließen ein und schließlich entsteht ein Gesamtbild.

Erstmals setzt Michael Schmidt, der bereits im MoMA ausgestellt hat, in seinen Arbeiten zum Teil auch Farbe ein. So sehen wir rosa Wurstscheiben, einen künstlich grünen Apfel und gelb leuchtende Eidotter. Auf die Neuerung angesprochen, erwidert Schmidt, dass Farbe schon immer integraler Bestandteil seiner Arbeit gewesen sei, da er auch seine Schwarzweißfotos durch ihre tonalen Abstufungen und Kontraste als Farbfotografien sieht. Die bunte Farbe stehe somit nicht im Gegensatz zu den anderen Bildern, sondern unterstreiche die Farbigkeit der Schwarzweißbilder.

Die einzelnen Bilder des Projekts sind bewusst anonym gehalten und nicht topografisch zuzuordnen. Der Besucher erfährt nicht, wo die eingeschweißte Wurst herkommt, wo die Teiglinge produziert oder die zerstückelten Fische getötet wurden. Dies lässt an unser oft unreflektiertes Verhalten denken: Vielen ist es egal, ob der Apfel nun aus Spanien oder Deutschland kommt und wie er behandelt wurde. Die Anonymität setzt sich auch in den Menschen-Aufnahmen fort, gesichtslos sind die Arbeiter Teil der Produktion. Der Kurator Markus Heinzelmann sieht diese Anonymität als Beschreibung des weiträumigen Verlusts „von Verantwortung in der Lebensmittelindustrie“ und der „Zurückweisung von Verantwortung durch die Konsumenten“.

Entgegen der Meinung des Kuratoren scheint es eher unwahrscheinlich, dass der Besuch der Ausstellung zu einer Veränderung des Essverhaltens oder einem Bewusstseinswandel der Lebensmittelindustrie führen wird. Doch ruft Schmidt hier auch nicht zum Widerstand auf, sondern zeigt auf subtile und schmerzlich-realistische Weise, wie unsere Lebensmittelindustrie funktioniert.

Wie man mit diesen Frontalaufnahmen letztendlich umgeht, bleibt jedem selbst überlassen. Klar ist allerdings, dass diese Ausstellung mehr zu bieten hat als Teddywurst und Eidotter.

Michael Schmidt. Lebensmittel
Martin-Gropius-Bau
Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin
Ausstellungsdauer: 12.01.2013 – 1.04.2013
Öffnungszeiten: Mi bis Mo 10-19 Uhr
gropiusbau.de

Inka Humann

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Daten zu Michael Schmidt:


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Teddywurst und Eidotter - Lebensmittelfotografien im Martin-Gropius-Bau
Ausstellungsbesprechung: Lebensmittel. Nicht Ernährung, nicht Essen. Lebensmittel. Mittel, die wir zum Leben brauchen.

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