19 Uhr: im Rahmen der Finissage zu "Becoming Who You Are - Studium trotz Flucht". (Eintritt frei / aber Anmeld.) Dokumentationszentrum Flucht, Vertreibung, Versöhnung | Stresemannstr. 90 | 10963 Berlin
Elena Kaludova hat Zettel aufgehängt. Auf ihnen warnt sie die Nachbarschaft des Kühlhauses am Gleisdreieck vor erhöhter Lautstärke in den Abendstunden. Vor dem Gebäude, erhöht auf einem Podest, durchlöcherte sie in einer Performance am letzten Freitag nach und nach eine vor dem Kühlhaus aufgestellte Wand. Buchstabe für Buchstabe perforierte sie den Schriftzug „BORING ART“ soweit, bis sich jetzt nur noch das „OR“ undurchlöchert zeigt. Braucht die Kunst neue Impulse? Über der Arbeit hängt ein Ausstellungsbanner: „Gerhard Richter“ – „MAL WAS NEUES“. Bereits in den letzten Tagen vor der Eröffnung tauchten hier und dort wortgewitzte Einladungskarten der Kunsthochschule Weißensee mit ähnlichen Sprüchen auf. „Udo Kittelmann. MACH MAL PLATZ“, „Boros. BLEIB IM BUNKER“ - Wenn das mal keine Ansage ist. Unter dem Titel „REIF“ präsentiert die Hochschule bis zum 27. Juli die diesjährigen Abschlussarbeiten ihrer Absolventen der Sparten Malerei, Bildhauerei und Raumstrategien. Dafür bespielen die 66 Ausstellungsteilnehmer fünf Stockwerke des wunderbar atmosphärischen Kühlhauses und scheinen sich darüber einig zu sein, dass nicht nur sie selbst, sondern auch Kunst und Kunstbetrieb reif für Neues sind.
Kurz nach den Begrüßungsworten der gerade wiedergewählten Rektorin Leonie Baumann zur Eröffnung zogen gleich zwei Arbeiten mit einem gelungenen Überraschungsmoment die Blicke auf sich. In zwei quadratischen, sandkastenartigen Becken sammelt sich allmählich über drei Stockwerke hinab gefallener Zucker. Kika Yang lässt ihn von der Decke rieseln. Ihre performative Installation „Grasp“ mutet wie eine moderne Sanduhr an und bildet zwei Säulen nach, die einst noch Teil des Kühlhauses waren und im Zuge von Umbauarbeiten weichen mussten. Die Arbeit Yangs geht optimal mit Johannes Regins Installation zusammen. Zwei überdimensionierte, motorbetriebene Metronome bewegen sich gegenüberliegend hin und her und beziehen durch ihre Optik den Ausstellungsraum, mit seinen Stahlkonstruktionen, stimmig in ihre Ästhetik mit ein. Mit der Geschichte des Hauses setzte sich auch Aline Graupner auseinander, deren Arbeit den aktuellen Temperaturen selbst im Kühlhaus nicht lange standhielt. Graupner schichtete Eisblöcke aufeinander und legte zwischen diese Dokumente zu den Anfängen der industriellen Eisproduktion. Das schnelle Schmelzen des Eises dokumentiert eindrücklich die ursprüngliche Funktion des Hauses, das heute als temporärer Ausstellungsort dient.
Valeska Rein präsentiert ihr großformatiges Diptychon „What is light without dark“. Zwei eindringliche Portraits einer Frau, bei welchen sie sich mit malerischen Mitteln an das fotografische Negativ-Positiv-Verfahren anlehnt. Anna Kaufmann und Birte Trabert hinterfragen mit einer interaktiven Videoinstallationsperformance, in der sie die Besucher auf einer Art Streitwagen im Kreis befördern, Machtverhältnisse. Währenddessen leitet Sebastian Omatsch in seiner Klanginstallation die Betrachter auf einem Steg durch ein Meer von Kassettenrekordern. Saiko Ryusui hat einen Kronleuchter aus Glasscherben zusammengesetzt, die sie nach dem Ersten Mai in Kreuzberg fand. Auf diesen Kronleuchter projiziert sie ein Video der diesjährigen Mai-Demonstration und verweist damit auf die Zeugenschaft von meist unbeachteten Dingen, wie beispielsweise zerschlagener Flaschen. Auch Aimo Gräven fügt Einzelstücken zu einem neuen Ganzen zusammen. Seine Plastik „Heroes & Villains“ lässt jedes Superheldenfan-Herz höher schlagen. Hier setzen sich in HA Schult-Manier unzählige Spielzeugfiguren zu einer lebensgroßen Gestalt in klassischer Haltung mit Stand- und Spielbein zusammen. Die Lithografie von Philipp König zeigt nicht etwa die Rückenaufnahme eines Boxers, sondern eine raffinierte Nahaufnahme einer Skulptur Georg Kolbes, die sich im Garten des Berliner Kolbe-Museums befindet.
So ließe sich die Reihe immer weiter fortführen, denn die meisten der präsentierten Arbeiten sind gänzlich überzeugend und machen den Besuch der Ausstellung wirklich lohnenswert. Bei all der Vielfalt sollte man sich ausreichend Zeit nehmen, um die Schau zu erkunden. Außerdem bietet sich hier die Gelegenheit, mit den Aufsicht führenden Künstlern ins Gespräch zu kommen, unter denen sich möglicherweise “GERMANY’S NEXT TOP ARTIST” befindet.
Kristin Albrecht, Benjamin Althammer, Nora Arrieta, Annette Barz, Bianca Benenti, Anna Benini, Johannes Bidmon, Lisa-Rike Birkholz, Michael Bock, Sven Borger, Caroline Corleone, Paul Darius, Lorraine Durgeloh, Julia Ehlers, Andreas Eichinger, Pauline Faucheur, Ossian Fraser, Jan Friedrich, Aline Graupner, Aimo Gräven, Maxie Heiner, Sascha Hundorff, Thari Jungen, Stefanie Kägi, Elena Kaludova, Gregor Kasper, Anna Kaufmann, Kveta Kazmuková, Dina Khouri, Romy Kießling, Manuel Kirsch, Philipp König, Juri Kussmaul, Adi Liraz, Denis Mähne, Martin Maeller, Christoph Medicus, Susi Mehl, Anastasia Mikhaylova, Erkan Öznur, Sonja Ofen, Sebastian Omatsch, Mari Poller, Johannes Regin, Valeska Rein, Gregor Rozanski, Saiko Ryusui, Hanna Schaich, Michi Schneider, Lerato Shadi, Philipp Simon, Marco Spörle, Daniel Stammet, Karin Steger, Martha Stolt, Pailin Tansawat, Marianne Thörmer, Birte Trabert, Bärbel Trautwein, Steef van Lent, Ivar Veermäe, Katja Marie Voigt, Joanis Walter, Eric Winkler, Kika Yang, Xiaopeng Zou
REIF. Ausstellung der Abschlussarbeiten 2014.
19.- 27. Juli 2014
täglich 14-19 Uhr
Kühlhaus Berlin
Luckenwalder Straße 3
10963 Berlin
kh-berlin.de
Titel zum Thema Hochschulrundgang:
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Ausstellungsbesprechung: Der Titel der Ausstellung „Yet Yet“ lässt sich mit „noch nicht“ übersetzten. Wie im Limbus sind die Absolvent*innen nicht mehr im Studium, gehören aber noch nicht zum freien Markt.
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