24:00 | Midnight BABYLON, BIG CINEMA HALL, Rosa-Luxemburg-Straße 30 | 10178 Berlin
Das Haus am Kleistpark war einst das Botanische Museum von Berlin, nun sind in die Räume der Kommunalen Galerie Tempelhof-Schöneberg wieder Pflanzen eingezogen. Zumindest temporär. In Plant Hunters verbindet Isa Melsheimer koloniale mit zeitgenössischer Geschichte, verwebt Material und Formen zu einer Rauminstallation. Für ihre Arbeiten erhielt die Künstlerin den diesjährigen Marianne Werefkin Preis, ausgelobt vom Verein der Berliner Künstlerinnen 1867 e.V. In den nächsten Wochen sind der Verein und seine Ausstellung zu Gast im Haus und stellen die Positionen der nominierten Künstlerinnen vor.
Drei großflächige Vorhänge, mehrere Pflanzenkästen und viel Raum für Assoziationen: Plant Hunters (2014) erinnert an Forschungsreisende und Naturkundler, führt in Kolonialzeiten und stellt Fragen mit Blick auf die Globalisierung. Glasbehälter, sogenannte Wardsche Kästen, auf Metallgestellen sind mit Erde und Pflanzen gefüllt, an der oberen Scheibe zeigen dicke Tropfen des Kondenswassers, dass diese Füllung lebt. Auf den transparenten Stoffen (Stoff, Stickgarn, 2013) finden sich zarte, detailgetreue Stickereien mit Motiven aus der Kolonialgeschichte. Es entsteht ein geschlossener, doch durchlässiger Raum, Geschichte und ihre Geschichten verbinden sich mit der Gegenwart.
"Isa Melsheimer ist eine behutsame und poetische Geschichtenerzählerin“, so die Juryvorsitzende Dr. Stefanie Heckmann, "In ihrem Kosmos ist alles mit allem verwoben." Die Künstlerin, geb. 1968 in Neuss und seit ihrem Studium an der HdK in Berlin lebend, begibt sich in ihren Arbeiten auf die Reise, sucht und gestaltet nach gründlichen Recherchen zum Thema und mit der Verwendung ganz unterschiedlichen Materialien ihre eigene Bühne.
Auch die Installation We are concrete/We are bodies/We are neoretroactive/We are relative (Glasfaser armierter Beton, Wasserpflanzen, 2014) in einem weiteren Ausstellungsraum führt zu Fragen nach unserer Zivilisation, in denen bei Isa Melsheimer der Mensch als Wesen auffallend abwesend ist. Fast wie sakrale Gefäße wirken die unterschiedlich gestalteten Betonbehälter, wieder füllen Pflanzen und ihr Nährstoff Wasser als Elemente des Lebens die von Menschenhand gefertigten Behälter. Lediglich sein Werk ist anwesend.
Ergänzend zeigt Melsheimer in ihrer Zeichnung Nr. 279, Wölfe in der Stadt (Gouache auf Papier, 2011) eine städtebauliche Architektur, wieder sind es die Pflanzen, deren sattes Grün das Leben symbolisiert. Das Tier hingegen wirkt auf dem in Grautönen gehaltenen Blatt verstörend irritierend und präsent zugleich.
Der Marianne Werfekin Preis des Vereins der Berliner Künstlerinnen, der als erster Berufsverband für bildende Künstlerinnen im deutschsprachigen Raum 2017 sein 150jähriges Bestehen feiern kann, wird seit 1990 verliehen. Nominiert in diesem Jahr waren neben Isa Melsheimer die Malerin Ina Bierstedt sowie die Zeichnerin und Grafikerin Hanna Hennenkemper. Die Positionen beider Künstlerinnen werden ebenfalls in der Ausstellung vorgestellt. Der auf 5.000 Euro dotierte Preis war kurz nach der Wende die erste, ausschließlich Künstlerinnen unterstützende Auszeichnung in Deutschland. Ist er heute ein Anachronismus? Leider nicht. "Obwohl Frauen heute bei den Studierenden die Mehrheit bilden“, so die Galerieleiterin Barbara Esch Marowski, "sind sie größtenteils am Kunstmarkt nach wie vor schlechter positioniert, seltener in Einzelausstellungen vertreten und verkaufen zu anderen Preisen als ihre männlichen Kollegen."
Isa Melsheimer, international auf Solo- und Gruppenausstellungen vertreten und mit Stipendien gefördert, zuletzt 2013 in der Villa Massimo, ist ein erfolgreiches Mitglied der Künstlerinnengemeinschaft. Die Auszeichnung durch den Verein begleitet und unterstreicht nicht alleine ihre künstlerische Positionierung. Vielmehr bleibt der Preis ein wichtiger und sinnvoller Beitrag zur Unterstützung von Künstlerinnen, sich selbstbewusst auf dem Kunstmarkt zu präsentieren und wie Marianne von Werefkin zu sagen: „Ich kenne den Wert meines Werkes und verlange Achtung für mein Künstlertum.“
Am Sonntag, den 2. August um 17 Uhr, findet ein Rundgang durch die Ausstellung mit der Kuratorin Dr. Birgit Möckel und den Künstlerinnen statt.
Zur Ausstellung ist eine empfehlenswerte Begleitpublikation erschienen, sie stellt alle drei Künstlerinnen vor und gibt einen Einblick in die Geschichte des Vereins. Sie ist zum Preis von 7 Euro im Haus am Kleistpark erhältlich.
Marianne Werefkin Preis 2015
Ausstellung der Nominierten
Isa Melsheimer, Ina Bierstedt, Hanna Hennenkemper
bis 9. August 2015
HAUS am KLEISTPARK
Grunewaldstraße 6-7
10823 Berlin
Di – So 11-18 Uhr
hausamkleistpark.de
Titel zum Thema Isa Melsheimer :
Geschichte als Erzählung - Erzählung als Geschichte. Die Marianne Werefkin Preisträgerin Isa Melsheimer
Ausstellungsbesprechung: Das Haus am Kleistpark war einst das Botanische Museum von Berlin, nun sind in die Räume der Kommunalen Galerie Tempelhof-Schöneberg wieder Pflanzen eingezogen. Zumindest temporär.
Max Liebermann Haus
Galerie im Körnerpark
Kommunale Galerie Berlin
Haus am Kleistpark | Projektraum
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