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Menschenrechte und Kultur - Eine Diskussionsveranstaltung in der Akademie der Künste

von Inge Pett (04.07.2015)
vorher Abb. Menschenrechte und Kultur - Eine Diskussionsveranstaltung in der Akademie der Künste

Foto © Bahia Shahab („Tausendmal Nein“, Kairo. Während der Revolution in Ägypten begann die libanesisch-ägyptische Künstlerin Bahia Shehab das arabische Schriftzeichen für „Nein“ in Verbindung mit politischen Aussagen wie „Nein zu Diktatur“, „Nein zu Gewalt“ und „Nein zu Militärherrschaft“ auf Wände in den Straßen Kairos zu sprühen.)

„Wieviel Kontroverse kann unsere Gesellschaft mit ihrem spezifischen Kulturverständnis aushalten?“ Mit dieser Frage leitete Jeanine Meerapfel, die neue Präsidentin der Akademie der Künste, am 1. Juli die Podiumsdiskussion „Menschenrechte und Kultur – das Menschenrecht auf Kultur“ ein. Anlass war die Präsentation einer Buchpublikation gleichen Titels. Johannes Ebert (Goethe-Institut) und Ronald Grätz (Institut für Auslandsbeziehungen) stellten diese Koproduktion ihrer Häuser gemeinsam vor.

Bei ihrer Proklamation vor 67 Jahren war der universale Geltungsanspruch der Menschenrechte noch weitgehend unbestritten. Heute wird er in Frage gestellt. Der Menschenrechtserklärung der UN haftet das Etikett an, westlich geprägt zu sein ein oder gar der Legitimation westlicher Interessen zu dienen.

In postkolonialen Zeiten wird allerdings immer deutlicher auf die Pluralität der Kulturen verwiesen und darauf, dass sie aus eigenem Recht existierten, eigene Regeln etablieren, die zu respektieren seien. Diese Wiederbesinnung auf die eigenen kulturellen Wurzeln geht nicht selten einher mit Vorbehalten gegenüber den universellen Menschenrechten bzw. mit deren Relativierung. Inzwischen sind verschiedene kulturspezifisch geprägte Menschenrechtserklärungen verabschiedet worden, vor allem in der islamischen Welt.

Teilweise kollidieren diese regionalen Selbstbehauptungen mit den allgemeinen Menschenrechten – obwohl diese immer auch kulturelle Freiräume schützen. Gibt es überhaupt noch eine Chance für allgemeinverbindliche zivilisatorische Standards, kulturenübergreifend Akzeptanz zu finden? Ist die Universalität Geschichte?

Bei der Allgemeinen Menschenrechtserklärung 1948 hätten noch 56 Staaten unterzeichnet, während es heute nahezu 200 gebe, so Verena Metze-Mangold, Präsidentin der Deutschen Unesco-Kommission. Die Welt habe sich verändert, „Fremdes wird nicht mehr als Reichtum empfunden“. Es gebe die Tendenz eines ängstlichen Abgrenzens.

Kultur spielt als Identitätsstifter eine zentrale Rolle. Entweder statisch auf dem Weg der Abgrenzung und der Betonung der Differenz. Oder durch die verbindende Kraft des Austausches über kulturelle Grenzen hinweg. Bildung ist der Schlüssel dafür.

Kunst kann ein Motor für Veränderung sein. „Kunst rüttelt am Baum und dann fallen alle Affen raus“, lautet ein Sprichwort. Eine Selbstüberschätzung? Kann Kunst die Karten neu mischen und das Weltbild tatsächlich verändern?
Sie kann einen die Welt mit anderen Augen sehen und die eigenen Gewissheiten hinterfragen lassen. So wie es Herlinde Koelbl bewirkte, die zum Auftakt der Veranstaltung einen Ausschnitt aus ihrer Serie „Targets“ präsentierte. Die Frage „Wie sieht der Feind aus?“ hatte sich die Fotokünstlerin bereits vor dreißig Jahren gestellt, als sie bei einer Reportage über die Bundeswehr unversehens auf ihr erstes „Target“ (Ziel für das Schießtraining) stieß: eine von Schüssen durchlöcherte Blechfigur. Das Bild habe sie nie mehr losgelassen, es war für sie das Symbol für Gewalt und Tod schlechthin.

Im Jahr 2008 beschloss sie, der Frage nach dem Feindbild konzentriert nachzugehen. Sie reiste sechs Jahre lang rund um die Welt, um zu sehen wie Targets gestaltet sind. Und fand heraus: Der Feind hat viele Gesichter: Schlichtes Papier mit aufgemalten Kreisen stellt die Targets der PKK dar, rundliche Bäuerinnen und Kühe, die an naive Kunst erinnern, finden sich Franken, im Libanon schießen Soldaten sogar auf attraktive Orientalinnen. Feindbilder sind keineswegs unveränderlich. Auf den amerikanischen Truppenübungsplätzen etwa haben längst orientalisch aussehende Pop-Up-Figuren den Sowjet mit dem roten Stern abgelöst.

Die von Koelbl zusammengestellten Feindbilder zeigen eindrucksvoll die Fragilität des Menschen und die Verletzlichkeit seines Rechtes auf Leben.

Gerade vor dem Hintergrund der Erfahrung von Krieg, Unrecht und Unterdrückung wurde nach dem Zivilisationsbruch des Zweiten Weltkriegs die transkulturelle Universalität der Menschenrechte proklamiert. Daran erinnerte der tunesische Philosoph Sarhan Dhouib: Wenn dem Menschen seine Rechte abgesprochen würden, werde er seines Menschseins gewahr. Er plädierte für eine transkulturelle Perspektive, die kulturelle Differenzen aufgreife und immer wieder neu fruchtbar mache.

Mit Blick auf die historischen Vorläufer der Menschenrechtserklärung formulierte Metze-Mangold einen Hoffnungsschimmer: Es gebe offenbar ein „Soft Law“, demzufolge alle Menschen gleich geschaffen sind und in dem die meisten Kulturen sich immer wieder einig waren.

Klare Kante zeigte Klaus Staeck, Grafiker, Verleger und bis 2015 Präsident der Akademie der Künste. Religiöser Fanatismus sei durch nichts zu rechtfertigen, erklärte er und erinnerte daran, wie im Fall des Attentats auf die Charlie Hebdo-Redaktion erst das Menschenrecht auf Kultur und dann das Menschenrecht überhaupt negiert wurde: „Ich bin nicht bereit, die Aufklärung zurückzunehmen“.

adk.de

Inge Pett

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Titel zum Thema Menschenrechte:

Menschenrechte und Kultur - Eine Diskussionsveranstaltung in der Akademie der Künste
Besprechung: „Wieviel Kontroverse kann unsere Gesellschaft mit ihrem spezifischen Kulturverständnis aushalten?“ Mit dieser Frage leitete Jeanine Meerapfel, die neue Präsidentin der Akademie der Künste, am 1. Juli die Podiumsdiskussion „Menschenrechte und Kultur – das Menschenrecht auf Kultur“ ein.

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