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Die Nordischen Botschaften - Der Bau ist die Botschaft

von Inge Pett (21.10.2015)
vorher Abb. Die Nordischen Botschaften - Der Bau ist die Botschaft

Nordische Botschaften, Fassade, Foto Kai Abresch

Mit einem Kulturprogramm auf durchgängig hohem Niveau machen die Nordischen Botschaften auf sich aufmerksam - selbst im an Kultur nicht gerade armen Berlin. Zuletzt durch die Ausstellung "Sámi Contemporary", aktuell durch die Schau "Our Arctic Future", die sich mit der bedrohten Welt der Arktis auseinandersetzt. Doch Kunst, Design und eine spektakuläre Architektur sind nicht nur im Felleshus, dem gemeinsamen Veranstaltungshaus, zu finden.

Nachts kommen die Füchse. Lautlos schlüpfen sie durch Öffnungen in der Lamellenwand, um sich dann auf den warmen Lavafelsen niederzulassen, wenn es kühl wird in Tiergarten.

Ziel der Füchse ist das Atrium der Nordischen Botschaften, genauer Berlins einziges Lavafeld vor der Botschaft Islands. Das Vulkangestein von der Halbinsel Reykjanes wird tagsüber von unten rot angestrahlt und gibt nachts die gespeicherte Wärme ab. Eine Wellnessoase für Meister Reineke - mitten im Regierungsviertel.

Das Atrium ist nur eine Reminiszenz des Architekten und Designers Pálmar Kristmundsson an die Insel im hohen Norden. Für die Fassade der Isländischen Botschaft verwendete er - erstmals im Ausland - 10.000 Jahre alte Lavasteine. Nicht selten sieht man Besucher, die mit der Hand über die Maserung streichen – ein haptisches Erlebnis.

Architektur wie Ausstattung des Gebäudes stellen viele Bezüge zum Heimatland her: Der gewellte Beton etwa greift die weit verbreitete Wellblechverkleidung isländischen Häuser auf. Der Bau beherbergt sieben Mitarbeiter und ist der kleinste im Ensemble der Nordischen Botschaften, das 1999 von Königin Margarethe unter dem Motto „Jeder für sich und doch gemeinsam“ eingeweiht wurde. Dieses Motto ist Programm für die Dänen, Finnen, Isländer, Norweger und Schweden. Um ihr Zusammengehörigkeitsgefühl zu symbolisieren, hat das Architektenbüro Berger und Parkkinen die Botschaften Finnland, Islands, Norwegens sowie das „Felleshus“ - ein gemeinsam genutztes Ausstellungs- und Veranstaltungsgebäude - mit einem haushohen und weit geschwungenen Band aus türkisfarbenen Kupferlamellen eingefasst.

Ein markantes Symbol, das in den Architekturführern über Berlin längst seinen festen Platz hat.


Nordische Botschaften, Felleshus Ausstellungsfläche, Foto Kai Abresch

Nicht aus Not habe man sich zusammengeschlossen, heißt es in einer Broschüre der Nordischen Botschaften, sondern aufgrund der eng verwobenen Geschichte, der verwandten Sprachen, Werte und Überzeugungen. So gibt das Botschaftsensemble der nordischen Gemeinschaft eine bauliche Gestalt. Seine Architektur lässt sich bis ins Detail als räumlich erfahrbare Demokratie lesen, als Sinnbild für soziale Gleichheit und persönlichen Freigeist.

Auf dem Campus sind die Botschaften entsprechend ihrer geografischen Lage angeordnet, wobei die Bassins für die Ost- und Nordsee stehen. Im Wasser spiegelt sich ein ebenso klares wie sanftes Licht, das durch die Lamellen scheint, gedämpft vom satten Grün der Tiergartenbäume. Tatsächlich kann sich der Besucher in Skandinavien wähnen – die Transparenz und Durchlässigkeit der Gebäude sowie das helle Holz, das einen reizvollen Kontrast zur Kühle der türkisen Lamellenwand bildet, verstärken den Eindruck noch.

Dabei ist jedes der Gebäude individuell interpretiert. Skandinavien gibt sich hier modern, offen, vereint, klar - und dennoch warm. „Koselig“ (gemütlich) sei im Norwegischen ein häufig verwandtes Wort, merkt Rüdiger Alms dazu an. Der Kulturattaché der Norwegischen Botschaft führt in den Innenhof des Gebäudes, wo Gänseblümchen sprießen. Bei schönem Wetter essen die Mitarbeiter hier gemeinsam. In koseliger Runde und im Schatten einer überdimensionalen blauen vasenförmigen Skulptur der Künstlerin Lisa Daehlin.

Vis à vis hängt das Fragment einer Tragfläche des Flugzeugs, mit dem der norwegische Journalist, Schriftsteller und antifaschistische Widerstandskämpfer Nordhal Grieg im Zweiten Weltkrieg abgeschossen wurde. Bis 2002 hatte dieses Flügelfragment noch als Dach für einen Schafstall in Kleinmachnow gedient.

Vor der blauen Vase geht unterdessen ein Brautpaar für ein strahlendes Hochzeitsfoto in Pose – norwegische Diplomaten dürfen Trauungen vollziehen.

Kulturelle Eigenheiten Norwegens sind auch im Inneren der Botschaft gegenwärtig. „Man schlinge Wissen nicht wie Grütze. Man nehme nur, was einem nütze“, ein Zitat aus Ibsens Peer Gynt, schmückt neben anderen Sentenzen und Lebensweisheiten das Treppenhaus. In einem der Flure begegnet man Edvard Munchs „Leichenzug“, wenig weiter entdeckt man eine Zeichnung Olaf Gulbranssons aus dem Simplicissimus ... Wie es sich arbeitet in diesem kunstsinnigen Ambiente? „Die 28 Mitarbeiter nehmen ihre Botschaft immer noch dankbar wahr“, weiß Rüdiger Alms. „Wir fühlen uns privilegiert“.

Die Pläne für das Gebäude stammen von dem Architekturbüro Snøhetta A/S Oslo, auf das auch die Bibliothek in Alexandria sowie das Kulturzentrum auf Ground Zero zurückgeht.

Die spektakulärste Besonderheit der Botschaft befindet sich an der Fassade: ein 170 Tonnen schwerer Monolith aus einem norwegischen Fjord, der auf nahezu abenteuerliche Weise nach Berlin geschafft wurde.

Was den Norwegern ihr Monolith, ist den Schweden ihre Wasserwand, die im Inneren des Gebäudes ein stetiges leises Plätschern erzeugt. Obwohl es die größte der Nordischen Botschaften sei, werde sie von Gästen und Kollegen als gemütlich wahrgenommen, erklärt die Kulturreferentin Hanna Robertz. Da ist er wieder, dieser Begriff „Gemütlichkeit“, der auch noch bei den Dänen und Finnen auftauchen wird. So dient auch die Küche als zentraler Ort: Donnerstags trifft man sich zum Fika – das ist Kaffee und Kuchen – ein Ritual, das keiner missen möchte. Je nach Zeit - und Talent - backt bzw. kauft rundum jeder Mitarbeiter seinen Beitrag für das Kaffeekränzchen.

Die Schweden backen, die Dänen singen. Einmal im Monat spielt Botschaftsrat Per Erik Veng Klavier und die Botschaftsmitglieder stimmen ein gemeinsames Morgenlied an, bevor es dann um Inhaltliches geht. Das Gebäude ist eine Referenz an die Seefahrernation Dänemark. Es ist von Brücken durchzogen, die als Kommunikationswege genutzt werden. Tatsächlich sieht man überall Mitarbeiter, die ins Gespräch versunken sind. Statt das Telefon zu nutzen oder eine Mail zu schreiben, trifft man sich hier auf der Brücke. Dieser kurze Dienstweg hat sich bewährt.

Auch die große hängende Installation mit Emaille-Möwen von Inger Hanmann greift das Thema Meer auf. Sie harmoniert mit der Lamellenwand, die einem Schiffsbug gleich in den Raum dringt. Von besonderer Formschönheit darunter die „Harp Chairs“ des Designers Jørgen Høvelskov, die aus der Residenz des Botschafters stammen.

Im Foyer findet sich einige Arbeit des in Berlin ansässigen Kunststars Olafur Eliasson, um den Isländer und Dänen „streiten“, da er in Dänemark geboren wurde und in Island aufwuchs. „I can only make things when I move“, so der Titel der Arbeit und vielleicht auch eine Aussage über Eliassons Selbstverständnis.

Eine Medienecke mit Bang & Olufsen-Geräten und einem Bücherregal lädt zum Entspannen ein. Die Botschaft sei cool von außen und warm von innen, bringt Kulturattaché Birgitte Tovborg Jensen es auf den Punkt – eine Charaktereigenschaft, die man im Übrigen auch den Skandinaviern nachsage. Ganz und gar nicht cool geht es bei den Finnen zu. Sie haben ihr Haus mit gleich zwei Saunen – für Männer und Frauen – ausgestattet. Und allenthalben mit Kunst und mit dem viel gelobtem finnischen Design.


Nordische Botschaften, Konsularecke, Foto Florian Bolk

Im Hof der Nordischen Botschaften regt sich derweil etwas. Der neue dänische Außenminister hatte für diesen Tag kurzfristig seinen Besuch angesagt und die Botschaftsmitarbeiter eilen über die Kommunikationsbrücken, um letzte Vorbereitungen zu treffen. Aber das stört die Füchse nicht. Sie haben sich zurückgezogen in die Tiefen des Tiergartens. Dort werden sie bleiben – bis es wieder Nacht wird in Berlin.

Nordische Botschaften
Gemeinschaftshaus
Rauchstraße 1
D-10787 Berlin
nordischebotschaften.org/

Inge Pett

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Titel zum Thema Nordische Botschaften:

Die Nordischen Botschaften - Der Bau ist die Botschaft
Besprechung: Mit einem Kulturprogramm auf durchgängig hohem Niveau machen die Nordischen Botschaften auf sich aufmerksam - selbst im an Kultur nicht gerade armen Berlin.

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