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17 Uhr: im Rahmen der Ausstellung Luise Marchand & Laura Schawelka »All Beauty Must Die« Villa Heike | Freienwalder Str. 17 | 13055 Berlin

We can all be artists. Die Bürger-Künstler von Pritzwalk

von Inge Pett (30.01.2016)
vorher Abb. We can all be artists. Die Bürger-Künstler von Pritzwalk

Clegg & Guttmann: Bürgerporträts (R. Bartl, Y. Snelinski/J. Drews), 2015, Courtesy BKV Potsdam

Der Ausstellungspavillon auf der Potsdamer Freundschaftsinsel ist berstend voll – trotz des sonnigen Herbsttages. Auf dieser Vernissage liegt spürbar eine selten freudige, aufgeregte Erwartung. Es ist nicht nur das klassische Publikum des Brandenburgischen Kunstvereins Potsdam, das am Samstag, den 24. Oktober, zusammengekommen ist.

Auch ein Bus aus der 12.500-Einwohner-Stadt Pritzwalk ist in der Landeshauptstadt eingetroffen. An Bord sind Vertreter des örtlichen Kunstvereins, der zum ersten Jahr seines Bestehens schon 53 Mitglieder zählt. Das mag am höchst aktiven Vereinsleben liegen, wie der Vorsitzende Horst Kontak vermutet: „21 Veranstaltungen haben wir dieses Jahr bereits organisiert, davon acht Ausstellungen“.

Der Kunstverein ist neben anderen Initiativen aus dem Projekt „Die 7 Künste von Pritzwalk“ hervorgegangen. Der Ire Michael Clegg und der in Israel geborene Martin Guttmann – bekannt als „Clegg & Guttmann“ - haben das Projekt begleitet. Das Künstlerduo macht seit Jahren mit partizipativen Projekten auf sich aufmerksam und war u.a. auf der documenta und der Biennale von Venedig vertreten.

Vermittelt vom Brandenburgischen Kunstverein Potsdam folgten Clegg & Guttmann dem Aufruf der Pritzwalker, Kunst in ihre Stadt zu bringen. Die Anfrage war im Rahmen des europäischen Netzwerkes „Neue Auftraggeber“ erfolgt, das Bürger und Künstler zusammenbringt und für einen kunsterfahrenen Mediator sorgt, der die Bedürfnisse und Sichtweisen beider Seiten versteht und vermittelt.

In diesem Fall hieß der Mediator Brandenburgischer Kunstverein Potsdam. Dessen Leiter, Gerrit Gohlke, hat die Anfänge des kreativen Prozesses noch vor Augen: „Es war zunächst eine typische kuratorische Kopfgeburt“.

Man war ausgezogen, um ein „Stadtporträt“ zu erstellen. Die Bürger konnten selber entscheiden, wie dieses Porträt beschaffen sein solle. In sieben leerstehenden Ladengeschäften bot sich ihnen die Gelegenheit, ein Bild ihrer Stadt zu zeichnen, die wie viele ostdeutsche Städte nicht zuletzt unter dem Wegzug vor allem der Jüngeren und dem Aussterben des Einzelhandels leidet. Jeder Pritzwalker konnte seine Vorstellung einbringen, ob Verwaltungsangestellter, Lehrer, Handwerker, Hausfrau oder Schüler, wirklich jeder. „Das Risiko der Teilnahmelosigkeit wurde zum Programm erhoben”, so Gohlke. Sollte niemand sich einbringen, so entstünde ein leeres Bild. Auch dies wäre ein authentisches Porträt.


In der Ausstellung "Die Sieben Künste von Pritzwalk" von Clegg & Guttmann betrachten Besucher einen Film, den der Pritzwalker Gymnasiast Richard Spitzner als Beitrag zu der Ausstellung gedreht hat. Er dokumentiert den Verlauf des "Sieben Künste"-Projekts 2014 in Pritzwalk, auf das die Ausstellung sich bezieht. Foto: BKV Potsdam / Michael Lüder

Doch es kam ganz anders. Obwohl öffentlich eher Skepsis vorherrschte und auch die Presse über ein Scheitern des Projektes unkte, verabschiedeten Clegg & Guttmann sich von der Möglichkeit, das Porträt einer „schweigenden Mehrheit“ zu zeichnen und animierten stattdessen die Pritzwalker, aktiv zu werden. „We can all be artists“, so das Credo von Clegg & Guttmann. Das traf offenbar einen Nerv. Schließlich wurden 70 Vorschläge eingereicht, von denen mehr als zwei Drittel realisiert werden konnten. Sie reichten von einer Bibliothek mit DDR-Kinder- und Jugendbüchern über eine Bauchtanz-Soirée bis hin zum Rap-Workshop.

Einem spontanen Impuls folgte Horst Kontak: „Als ich die Künstler Englisch sprechen hörte, dachte ich spontan, okay, dann mache ich halt einen Kunstverein auf“. Er habe eigentlich nur laut gedacht und „vor sich her gesponnen“. Was er damals nicht wusste: Neben ihm saß Gerrit Gohlke, Mediator des Projektes, der die Idee sofort aufgriff und beharrlich unterstützte.

Nicht immer sei die Stimmung so optimistisch gewesen, bisweilen kam es zu depressiven Verstimmungen auf beiden Seiten. Damals habe Christa Pfeifer eine leidenschaftliche Rede gehalten und die Moral ihrer Mitbürger wieder heben können. „Wir werden das schaffen“, ein Satz der dieser Tage von Brisanz ist. Und sie schafften es. Eine Stadt suchte ihre Identität – und fand sie.

So konnte die Innenstadt wiederbelebt werden. Auch zwischenmenschlich kam es zu spürbaren Veränderungen. „Die Menschen sprühen vor Vitalität“, fasst Pfeifer die positive Entwicklung zusammen, „Jeder grüßt plötzlich jeden.“ Die selbstbestimmte Kunstaktion habe die Stadt verändert, ein „Wir-Gefühl“ entstehen lassen. In Potsdam wird nun das Porträt der Pritzwalker Erfolgsgeschichte von Partizipation und bürgerlicher Selbstbestimmung gezeichnet.


Clegg & Guttmann: Die Sieben Künste von Pritzwalk, 2015, Clegg & Guttmann

Der Handlungsort, die Innenstadt von Pritzwalk, wurde durch sieben Türrahmen markiert, gefertigt vom Zimmermann vor Ort. „Wer durch den Rahmen tritt, ist nicht nur im Bild“, so das Künstlerduo, „Er ist das Bild“. Hinter jedem der Rahmen befindet sich ein offener Raum für je eine der sieben Künste. So verwandelte sich der gläserne Pavillon auf der Potsdamer Freundschaftsinsel in ein ideelles Modell von Pritzwalk.

Im Verein „Kunst Freunde Pritzwalk“ stellt sich u.a. der Modeladen mit den Kreationen von Heike Kosche vor. Und der Pritzwalk-Rap-Song, der im Workshop entstand, wird ebenso aufgeführt wie der Film des 14-jährigen Gymnasiasten Richard Spitzner. Stellvertretend für alle beteiligten Pritzwalker haben Clegg & Guttmann ihn neben Christa Pfeifer und Horst Kontak fotografisch portraitiert.

„We can all be artists“. Das gilt auch für den Besucher des Brandenburgischen Kunstvereins Potsdam. Er kann die sieben Rahmen durchschreiten und ist damit Teil des Bildes.

Clegg & Guttmann: Die Sieben Künste von Pritzwalk

Ausstellungsdauer: 25. Oktober 2015 bis 31. Januar 2016

BKV Brandenburgischer Kunstverein Potsdam e.V.
Ausstellungspavillon auf der Freundschaftsinsel
14467 Potsdam
www.bkv-potsdam.de/

Öffnungszeiten

01.03. - 31.10.2013
Mittwoch bis Sonntag
14 bis 18 Uhr

01.11.2013 - 28.02.2014
Mittwoch bis Sonntag
12 bis 16 Uhr

Zugang

über die Lange Brücke / Friedrich-Ebert-Straße
Fußweg ab Potsdam Hbf oder Tram 91, 92, 93, 96, 99

oder

Von der Burgstraße aus über die Fußgängerbrücke

Inge Pett

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Daten zu Clegg & Guttmann:


- Art Basel 2013
- Art Basel 2016
- art berlin 2017
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- artbasel2021
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- BKV Brandenburgischer Kunstverein Potsdam e.V. 2017
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- Frieze London 2016
- Gallery Weekend Berlin 2019
- Georg Kargl Fine Arts
- Heidelberger Kunstverein 2017
- MACBA COLLECTION
- Sammlung Deutsche Bank 2020
- Sammlung DZ Bank Frankfurt
- The Making of Art 2009 Schirn
- Wilkinson - Gallery


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Titel zum Thema Clegg & Guttmann:

We can all be artists. Die Bürger-Künstler von Pritzwalk
Nur noch dieses Wochenende zu sehen: hier unsere Ausstellungsbesprechung:

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