15 Uhr: gegen den Ateliernotstand. Endgültiges Aus des Ateliergebäudes in Berlin-Kreuzberg. Adalbertstr. 9.| 10999 Berlin
Auf die Frage, was Heidi Specker denn beim Fotografieren suche, antwortet die Künstlerin „Ich suche erstmal ein Bild“. 70 Bilder umfasst ihre neu Portraitserie „IN FRONT OF“, von der eine Auswahl unter gleichnamigen Ausstellungstitel jetzt in der Berlinischen Galerie zu sehen ist. Eine zweite wichtige Arbeit der Künstlerin, die den Titel „Im Garten“ (2003/4) trägt, bettet die Portraitserie räumlich und inhaltlich ein.
Heidi Specker (* 1962 in Damme) zählt zu den wichtigen deutschen Fotografinnen der Gegenwart. Sie war unter anderen Preisträgerin des ars viva Preises und Stipendiatin der Villa Massimo in Rom. Ihre Werke waren auf zahlreichen Ausstellungen wie zum Beispiel in der Pinakothek der Moderne in München, im Sprengel Museum in Hannover oder im Kunstverein Elsterpark Leipzig zu sehen.
Bekannt wurde Specker in den 90er Jahren durch ihre Architektur-Fotografien, bei denen sie offensiv als eine der ersten die digitale Technik einsetzte und durch sie eine neue Bildsprache entwickelte.
Auch die Serie „Im Garten“, die bereits 2006 von der Berlinischen Galerie erworben wurde, verweist auf die Auseinandersetzung mit Architektur, Urbanität und Natur.
Abstrakte Fassaden, die zum Teil nur durch ihre Struktur und wenige Architekturelemente wie Fenster oder Häuserwände, oft mehr erahnbar denn erkennbar sind, wechseln ab mit Baumstämmen, deren Baumrinde in ihrer Plastizität wiederum fast fühlbar ist. Diese Kontraste fordern die Wahrnehmung heraus.
Viele der Bilder sind mit dem Teleobjektiv fotografiert, was dazu führt, dass der gezeigte Bildausschnitt seltsam flach wirkt, in seiner Räumlichkeit zurückgenommen scheint und dabei zusätzlich eine grafisch/malerische Komponente erhält. Natur und Architektur bilden eine die Wahrnehmung irritierende Einheit.
Bei der Portraitserie „IN FRONT OF“ steht hingegen der portraitierte Mensch vor der Kamera im Mittelpunkt - übrigens erstmals im Werk von Heidi Specker. Wie bei den Architekturen tastet die Kamera Oberflächen ab, hebt Strukturen hervor, macht Haare, Falten und Staub deutlich sichtbar. Doch, was ist ein Portrait? Bei Specker kann es auch ein Körperteil sein, das Halten einer Kunstpostkarte, eine Taube in der Hand, ein Vorhang, ein Schnauzbart usw. oder eben Menschenfiguren und Gesichter, mal frontal, mal im Profil, angeschnitten, lachend, ernst, zumeist beiläufig. Auf jeden Fall fehlt den Fotografierten der repräsentative Gestus der Portraitierten, wie er nicht erst durch die Selfie-Kultur populär wurde.
Stell dir vor, du stehst an der Bushaltestelle und wartest auf den Bus. Oder: Du hältst dich in einer Diskothek auf und schaust den Tanzenden zu, lauteten die Tipps der Fotografin beim Treffen mit ihren "Modellen" - mehr Hilfestellung als Anweisungen.
Zum Teil scheinen sich die Portraitierten dennoch zu fragen, wie sie denn nun schauen sollen. Doch genau darum geht es: Es entstehen Anti-Portraits. Perfektionismus im Negativen wie im Positiven ist nicht gefragt. Der Reiz liegt im Beiläufigen, im Alltäglichen. Auch das kann Portraitfotografie sein.
Die ungewohnte Kombination der menschlichen Antlitze und Figuren mit Kunstpostkarten, Atelierrequisiten oder Körperfragmenten verstärkt dabei ganz nebenbei die Auseinandersetzung mit dem Medium und seinem Gegenstand.
Heidi Specker – IN FRONT OF
Fotografien 2005/2015
Ausstellungsdauer: 11.03. – 11.07.2016
BERLINISCHE GALERIE
Landesmuseum für moderne Kunst, Fotografie und Architektur
Alte Jakobstr. 124-128, 10969 Berlin
berlinischegalerie.de/heidi-specker
heidispecker.de/
Titel zum Thema Heidi Specker:
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