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Berlin Daily 02.11.2024
Gespräch: Verwüstete Konsumlandschaften

16 Uhr: zwischen der Künstlerin Cornelia Herfurtner und David Polzin im Rahmen der Ausstellung "Die Kids sind nicht alright!". Galerie Adlershof im Kulturzentrum Alte Schule | Dörpfeldstraße 54-56 | 12489 Berlin

Die Straße ist breiter als lang. Lee Miller im Martin-Gropius-Bau

von Dr. Barbara Borek (27.03.2016)
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David E. Scherman: Lee Miller in Hitlers Badewanne, München, Deutschland, 1945
© Lee Miller Archives, England 2016. All rights reserved. www.leemiller.co.uk

Eine Frau in einer Badewanne, die Kleidung abgelegt. Ihr Kopf in Richtung Betrachter, der Blick, unbestimmt. Am Bildrand eine Aufnahme Adolf Hitlers.

Das kleinformatige Foto von David E. Sherman: Lee Miller in Hitlers Badewanne, München 1945, gehört zu den eindrücklichsten Bildern des Krieges. Sein Gegenstück, ein Foto von Lee Miller, auf dem Sherman in der Badewanne sitzt sowie weitere Aufnahmen aus der Wohnung Hitlers, wurden am 30. April 1945 aufgenommen. Eine Inszenierung, die irritiert und provoziert.

Der Martin-Gropius-Bau widmet der Fotografin und Fotojournalistin, Lee Miller, eine bemerkenswerte Ausstellung, die in rund 100 Aufnahmen die Besucher auf den künstlerischen Weg der vielseitigen US-Amerikanerin nimmt: von surrealistischen Arbeiten Ende der 1920er Jahre über Reise-, Porträt- und Modeaufnahmen bis zu den Fotos, die als Kriegsberichtserstattung entstanden. Es sind vorwiegend kleine Formate, vorwiegend Vintage-Prints, zusammengestellt von Walter Moser, der die Ausstellung der Albertina Wien in Zusammenarbeit mit dem Gropius-Bau und der Lee Miller Foundation kuratierte, alle in schwarz-weiß und alle von großer Intensität.

Werkabbildung
Lee Miller: Befreite Gefangene auf ihren Schlafpritschen, Dachau, Deutschland, 1945
© Lee Miller Archives, England 2016. All rights reserved. www.leemiller.co.uk

Life-Fotograf David E. Sherman hatte Lee Miller vorgeschlagen, sich als Kriegskorrespondentin akkreditieren zu lassen, seit 1942 begleitete sie als eine der wenigen Amerikanerinnen das Geschehen in Europa mit ihrer Kamera für die britische Vogue, dokumentiert u.a. die durch Luftangriffe zerstörten Städte London und Wien. Aus dem April 1945 sind neben den erwähnten Fotografien auch Aufnahmen aus den gerade befreiten Konzentrationslagern Buchenwald (Verprügelter SS-Gefängniswärter, Buchenwald 1945, späterer Abzug) und Dachau (Befreite Gefangene auf ihren Schlafpritschen, Dachau, 1945) sowie Aufnahmen von Kindern (Kinder auf dem Schulweg, Wien 1945, späterer Abzug) ausgestellt. Eine fotografische Auseinandersetzung, in der Miller ganz nah an die Menschen herangeht, die blutige Nase des Wärters zeigt, die ausgezehrten Gesichter der Männer, die kleinen Mädchen mit ihren Haarspangen und Schultaschen, die vergangenen Taten und die zukünftige Hoffnung verbindet. Eine Auseinandersetzung, die Miller immens viel physische und psychische Kraft gekostet haben muss.

Es verwundert nicht zu erfahren, dass Miller nach 1945 fast völlig aufhörte zu fotografieren. Begonnen hatte die 1907 geborene und auf einer Farm im Bundesstaat New York aufgewachsene Lee ihre Arbeit in Paris, erlernte bei Man Ray das technische Handwerk. „Er hatte mir beigebracht wie man Modefotos macht, er hatte mir beigebracht wie man Porträts macht, er hat mir seine ganze Technik beigebracht.“ In der Zusammenarbeit mit Ray, von 1929 bis 1932 verband sie eine Lebens- und Arbeitsgemeinschaft, entstanden Fotografien, auf denen Miller sich oft in Szene setzte, die aber auch einen Dialog eröffnen (Man Ray: Portrait von Lee Miller, Paris 1929 sowie Lee Miller: Man Ray beim Rasieren, Paris 1929) und zeigen, dass die Fotografin weit mehr war, als seine Assistentin oder Muse. Bald entwickelte Miller eine eigene fotografische Sprache, die besonders in ihren Akten (Akt, Paris, 1930), Porträts und auch Straßenszenen (Spiegelung im Schaufenster von Guerlain, Paris ca. 1930) zum Ausdruck kommt. Die von ihr gewählten Bildausschnitte sind oftmals fragmentarisch und detailbetont.

Lee Millers Wege führten von Paris aus, hier eröffnete sie 1930 ein Fotoatelier, das sie später in New York weiterführte, in die Welt. Sie experimentierte mit technischen Möglichkeiten wie der Solarisation, der Fotomontage oder der Überblendung. Immer wieder wählte Miller enge Bildausschnitte, um den Menschen und die Dimensionen seines Handelns zu dokumentieren. 1934 folgte sie ihrem ersten Ehemann Aziz Eloui Bey nach Ägypten, trennte sich bald von ihm und reiste mit dem britischen Künstler Roland Penrose über Athen nach Bukarest. Penrose widmete das auf der Fahrt gemachte Reisebuch The Road is Wider than Long – mit Fotografien und Gedichten von ihm sowie Aufnahmen von Lee Miller - seiner späteren Ehefrau.

Werkabbildung
Lee Miller: „Fashion for factories“, Vogue UK, London, England, Juni 1941
© Lee Miller Archives, England 2016. All rights reserved. www.leemiller.co.uk

Die Ausstellung zeigt eindrucksvoll, was Lee Miller von sich als Fotografin forderte und was sie mit ihren Bildern von den Betrachtern einfordert: inhaltliche Auseinandersetzung über eine künstlerische Inszenierung.

Am 24. April 2016 findet um 11 Uhr ein Vortrag von Antony Penrose, dem Sohn von Lee Miller und Ronald Penrose, statt (in englischer Sprache). Zur Ausstellung ist ein Katalog im Hatje Cantz Verlag erschienen (Deutsch/Englisch). Er ist im Museumsladen für 25 Euro, im Buchhandel für 29,80 Euro erhältlich.

Lee Miller
Fotografien
Bis 12. Juni 2016
Martin-Gropius-Bau
Niederkirchnerstraße 7
10963 Berlin
Mi – Mo 10 – 19 Uhr
Di geschlossen
Gropiusbau.de

Dr. Barbara Borek

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Die Straße ist breiter als lang. Lee Miller im Martin-Gropius-Bau
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