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Berlin Daily 03.11.2024
Zeig doch mal!/Show me! öffentliche Restaurierung

11 Uhr: Rundgang durch das temporäre Restaurierungsstudio in den Rieckhallen mit Christiane von Pannwitz, Die Restauratorinnen, freie Restauratorin, Berlin. Hamburger Bahnhof | Invalidenstraße 50, 10557 Berlin

90 x 200 cm: Ich bin ein Mensch.

von Dr. Barbara Borek (11.08.2016)
vorher Abb. 90 x 200 cm: Ich bin ein Mensch.

Aymen und Dachil vor einer der Installationen im Museum Europäischer Kulturen, © KUNSTASYL

Erinnerungen und Traumata, Alltag und Begegnungen, Hoffnungen und Träume von Menschen, die aus ihrer Heimat fliehen mussten - im Museum Europäischer Kulturen in Dahlem finden sie einen temporären Ort der Zuflucht. In einem werkstattähnlichen Prozess entwickelten Menschen aus Albanien, Afghanistan, Bosnien, dem Irak und Kosovo, Pakistan und Syrien seit März 2016 die Präsentation daHEIM: Einsichten in flüchtige Leben. Nun ist die entstandene Ausstellung eröffnet, die Berliner Öffentlichkeit kann und sollte teilhaben an einem berührenden und bedrückenden Einblick in das Er-Leben der Asylsuchenden.

Das Doppelstockbett ist aus Metall, auch das Lattenrost, auf das eine dünne Matratze aus Schaumstoff gelegt wird. „… und ich, ich besaß überhaupt nichts als Zeit.“, steht auf dem Gestell, „Wir hatten also nichts anderes zu tun, als uns alles zu erklären, von morgens bis abends.“

Die Arbeit 90 x 200 cm: Ich bin ein Mensch (Doppelstockbett, KUNSTASYL, Notunterkunft Berlin-Tempelhof) befindet sich im ersten der Räume, die das Dahlemer Museum der Initiative KUNSTASYL zur Verfügung gestellt hat. „Wir sind ein Museum der Alltagskultur“, erläutert die Direktorin Elisabeth Tietmeyer, „der Mensch steht im Mittelpunkt unseres Interesses. Wir schauen nicht allein in die Vergangenheit, vielmehr begleiten wir aktuelle Prozesse. Aus diesem Grunde finden wir dieses partizipative Projekt so wichtig.“ Für ein Jahr, bis zum Juli 2017, überlässt das Museum der Initiative aus Künstler_innen, Kreativen und Asylsuchenden einen Ort im Haus, nicht nur im räumlichen Sinne.

Dachil und Ina Sado, 1992 und 1993 in der irakischen Stadt Shingal geboren, flohen vor den Truppen des IS aus ihrer Heimat nach Deutschland. „Ich floh von Zuhause“, schreibt Ina. Wenn sie dieses Wort sage oder höre, „tut mir mein Herz weh.“ Sie lebt mittlerweile in Köln, möchte ihr Studium weiterführen. Ihre gemeinsame Installation (Bettgestelle, KUNSTASYL, Bildschirme mit Fotos aus privaten Bildarchiven im Rhythmus der Kriegsmaschinerie) ist ein fast raumhohes, aus Einzelteilen zusammengesetztes Konstrukt ihrer Wirklichkeit: Der Alltag in Deutschland, die Erinnerungen an ein Leben vor dem Krieg und vor der Flucht, gezeigt auf drei Monitoren. Dachil, einer der Kuratoren der Ausstellung, hat die Hoffnung, hier „ganz normal als Mensch unter anderen Menschen“ leben zu können.

An den Wänden Zeichnungen, Fotografien, Collagen. Auf dem Boden Schuhe. Eindrücklich präsentieren sich die Bilder und Gegenstände den Besucher_innen, führen die äußeren Bedingungen von Flucht und Asyl mit den inneren Welten, den Gedanken und Gefühlen zusammen. Sedar Yousif, 1966 in Syrien geboren, wurde vor fünf Jahren zum Verlassen seines Landes gezwungen. Sein Gemälde (o.T. KUNSTASYL) zieht sich über fast die gesamte Wandfläche, große Wellen verschlingen Körper, übermächtig. Sie erzählen die Geschichte einer, seiner Flucht.


KUNSTASYL im Museum Europäischer Kulturen, © KUNSTASYL

Flucht und Verfolgung hat es immer gegeben, sie sind Teil unserer Geschichte. Und so führt die Ausstellung auch in Biografien aus dem 19. und 20. Jahrhundert. „Menschen“, so barbara caveng, „gehen, fliehen, kommen an, bleiben - und haben Träume.“ Magdalena Schweiger wurde 1915 als Nachfahrin deutscher Siedler in der Sowjetrepublik Krim geboren, die Familie wurde im zweiten Weltkrieg deportiert, unterstand in den 1950er Jahren der Kommandantur ohne Recht auf Bewegungsfreiheit. 1993 kamen sie als sogenannte Spätaussiedler nach Deutschland. Die Installation aus zwei Betten zeigt: Überbleibsel. Persönliche Gegenstände aus den Jahren 1980 bis 1993, Leihgabe Alina Helwig, Berlin, Urenkelin.

Betten sind nicht nur Objekte, sie, genauer, die Liegefläche auf ihnen, seien oft der „einzige private Ort“, so barbara caveng, die künstlerische Leiterin des Projektes, der vielen Menschen auch heute zugestanden werde. „In einem,“ so betont sie, „der reichsten Länder der Welt.“

Unsere Gesellschaft verändert sich permanent. Wir alle bilden unseren gesellschaftlichen RAUM und sollten nicht „über Flüchtlinge sprechen“, so Léontine Meijer-van Mensch, stellvertretende Direktorin, „wir sind vielmehr Moderatoren. Die Menschen werden nicht repräsentiert, sie repräsentieren sich selbst". Ihre Erfahrungen erlebbar zu machen, dieser Aufgabe stellt sich das Museum und damit der Frage: Was sind wir bereit, den Menschen anzubieten? Sie ernst zu nehmen, über die Erstversorgung hinaus, sollte Wunsch und Anspruch sein.

„Warum bringen wir den Menschen, die all dieses durchgemacht haben, nicht mehr Respekt entgegen?“, fragt auch barbara caveng, die selbst nach Italien und Griechenland fuhr. Ein ebenfalls aus Bettgestellen konstruierter Zaun führt an die Ankunftsorte der Bootsflüchtlinge, Kleidungsstücke hängen darüber. (Grenze, Bettgestelle, Kleidungsstücke. Beobachterin: barbara caveng. Fundorte: Lampedusa, Italien, Idomenie, Griechenland.)
Davor liegt wieder ein Bettgestell, diesmal umgekippt und in ein Boot verwandelt, Holzstücke auf dem Gestell, ein Video zeigt Bilder der Flucht über das Meer. An der Wand hängt eine riesige Karte mit dem Fluchtweg von Jasim Gull: 16 Länder, von Afghanistan bis Deutschland, in vier Jahren, dargestellt in einer Größenordnung, die seinen Erfahrungen entspricht. Das größte Land ist auf seiner Karte die Schweiz, Ziel seiner Träume, doch er wurde abgeschoben.


"Garten der Träume", © Staatliche Museen zu Berlin / Ute Franz-Scarciglia

Die Träume der Menschen sichtbar machen, die, so caveng, zukunftsgerichtet seien oder die zurückblicken, an die Orte, die sie verlassen mussten. Im Garten der Träume vor dem Museum weisen Pflanzen, die in Gepäckstücke eingesetzt wurden, darauf hin, dass ein Mensch noch nicht am neuen Ort angekommen ist, nur dadurch, dass er physisch da ist. Heimat entsteht vor allem durch soziale Verbindungen. Für Dachil Sado geht der Weg in eine gute Richtung. Durch das Projekt lernte er „the power of art“ kennen, bewarb sich auf einen Studienplatz an der Kunsthochschule Weißensee und wurde angenommen. Andere Teilnehm_innen des Projektes dagegen mussten mittlerweile wieder in ihre Herkunftsländer zurückkehren. Auch hier macht es sich die Ausstellung nicht leicht, legt ein Dossier des Bundesministeriums für Migration und Flüchtlinge aus, um Einblick in die Entscheidungen zu geben.

Doch in Worte zu fassen, was diese Menschen erlebt haben und weiter erleben ist nur bedingt möglich. Für die Besucher_innen, die sich einlassen können und wollen, die nicht alleine die Frage danach stellen, wie wir das alles schaffen sollen, sondern, was sie tun können, damit die Asylsuchenden es schaffen, ermöglicht die Ausstellung einen anderen, einen unmittelbaren Zugang. Sehenswert!

daHeim: Einsichten in flüchtige Leben
Glances into Fugitive Lives

22.07.2016 bis 02.07.2017

Ein Ausstellungsprojekt des Museums Europäischer Kulturen - Staatliche Museen zu Berlin
barbara caveng & KUNSTASYL

Arminallee 25
14195 Berlin-Dahlem
Di - Fr 10 - 17 Uhr
Sa + So 11 - 18 Uhr

smb.museum/mek
kunstasyl.net

Dr. Barbara Borek

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Titel zum Thema daHeim:

90 x 200 cm: Ich bin ein Mensch.
Ausstellungsbesprechung: daHeim: Einsichten in flüchtige Leben im Museums Europäischer Kulturen: Das Doppelstockbett ist aus Metall, auch das Lattenrost, auf das eine dünne Matratze aus Schaumstoff gelegt wird. „… und ich, ich besaß überhaupt nichts als Zeit.“, ...

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