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Bruchstückhafte Wirklichkeiten. Omer Fast: Reden ist nicht immer die Lösung

von chk (11.03.2017)
vorher Abb. Bruchstückhafte Wirklichkeiten. Omer Fast: Reden ist nicht immer die Lösung

Omer Fast: Continuity, 2012
40 Minuten, Ein-Kanal-Videoinstallation, im Loop
Courtesy Galerie Arratia Beer / gb agency / Dvir Gallery / James Cohan Gallery / Filmgalerie 451
© Omer Fast


"Reden ist nicht immer die Lösung" ist ein Zitat aus dem Video "Continuity" von Omer Fast und zugleich der Titel seiner Ausstellung, die aktuell im Martin-Gropius-Bau zu sehen ist. Sie bildet den Auftakt der Programmreihe „Immersion. Analoge Künste im Digitalen Zeitalter“.

Die Arbeiten von Omer Fast sind mehr- oder einkanalige Videoinstallationen, deren Inhalte die Grenzen zwischen Dokumentation, Unterhaltung, Inszenierung und Fiktion verwischen. Dabei werden Fragen des Umgangs mit Krieg, mit Gewalt, Verlust, Stereotypen oder die Darstellung von Realität in den Massenmedien genauso thematisiert wie die Handhabung filmischer Mittel.

"Reden ist nicht immer die Lösung" sagt ein Ehemann zu seiner Frau. Ein provozierender und zugleich resignativer Vorschlag, denn es gibt für ihre Situation weder die eine noch die andere Lösung: Die beiden haben im Krieg ihren Sohn verloren und rekonstruieren ihre alte Familiengeschichte. Sie laden als Ersatz für ihren Sohn junge Männer ein und diese spielen die Rolle des Sohnes, der mit seinen Eltern Kaffee trinkt, im Haus der Eltern übernachtet oder als Kriegsheimkehrer von ihnen abgeholt wird. Ein Ritual beginnt, das undurchschaubar bleibt. Wiederholt spitzt sich die Spannung innerhalb der Dialoge zu. Der Prozess des Erzählens wird unterbrochen, die zwischenmenschliche Interaktion gestört. Groteske Szenen wechseln mit surrealen Momenten, die ohne Zweifel ins Unheil führen.
Parallel entfalten sich mehrere Erzählebenen: ein Mann kehrt aus dem Krieg zurück, brutale Kriegsszenen werden geschildert und veranschaulichen wie Kriegstraumata die Zivilgesellschaft unterwandern. Zwei Callboys, die bei dem Ehepaar die Rolle des Sohnes übernahmen, unterhalten sich, einer der beiden wird in einer Bäckerei ermordet. Schmerz und Trauer pervertieren in Gewalt.
Omer Fast verweigert jegliche lineare Erzählstruktur, negiert Erwartungen und bietet durch Wiederholungen einzelner Szenen aus unterschiedlichen Blickwinkeln einen Facettenreichtum an Interpretationsmöglichkeiten an. Fast sagt, die Illusion benutze er als Werkzeug.


Omer Fast: August, 2016
Ein-Kanal-Videoinstallation, 3D-Projektion
Courtesy Galerie Arratia Beer / gb agency / Dvir Gallery / James Cohan Gallery / Filmgalerie 451
© Omer Fast


Insgesamt sind 7 Videoarbeiten zu sehen, die älteste von 2002, die neusten von 2016. Die abgedunkelten Ausstellungsräume mit jeweils einer Installation alternieren mit 3 hellbeleuchteten Räumen, die bis ins kleinste Detail als Warteräume gestaltetet sind: der Wartebereich eines Flughafens, der Warteraum der Ausländerbehörde, das Wartezimmer des Arztes. Orte zum Nachdenken, zum Zeitverschwenden, zum Spielen sagt Fast und verweist auf biografische Bezüge. Auf kleineren Monitoren sieht man frühere Arbeiten des Künstlers. Beispielsweise im Warteraum der Ausländerbehörde das Video"CNN Concatenated" von 2002, bei dem tausende von Filmschnipseln des Fernsehsenders CNN in schneller Folge über den Bildschirm flimmern. So schnell, dass die Kommentatoren jeweils nur ein Wort sagen und sich daraus Sätze bilden. Die Entstehungszeit des Videos schließt den 11. September 2001 mit ein, es wird zum bruchstückhaften Monolog über die Zeit und eröffnet im Subtext durch den Effekt der Verfremdung einen neuen Blickwinkel auf die Berichterstattung.


Omer Fast: CNN Concatenated, 2002
18 Minuten, Monitor, im Loop
Courtesy Galerie Arratia Beer / gb agency / Dvir Gallery / James Cohan Gallery /
Installation View, Wexner Center of Art
© Omer Fast


Fast, der das Lineare in der Erzählstruktur seiner Videos immer wieder konterkariert, überträgt das Nicht-Lineare auf die Ausstellungssituation. Denn auch die Wirklichkeit lässt sich nicht linear erfassen. Erst durch das Bruchstückhafte entsteht ein Bild, in dem sich Erinnerungsmomente zu Fiktionalem und Realem vermischen.

Omer Fast (* 1972 in Jerusalem) gehört zu den bekanntesten Film- und Videokünstlern seiner Generation. Er wuchs in Israel und New York auf und erhielt seinen B.F.A. bei einem Doppelabschluss-Programm der Tufts University und des Museum of Fine Arts, Boston im Jahr 1995 und seinen M.F.A im Jahr 2000 vom Hunter College in New York City. Zu sehen waren seine Arbeiten u.a. bei der dOCUMENTA (13), der 54. Biennale Venedig sowie jeweils bei der Whitney Biennial 2002 und 2008. Darüber hinaus hatte er Einzelausstellungen im Stedelijk Museum in Amsterdam, im Stockholmer Moderna Museet, im CaixaForum Barcelona, im Musée d‘art contemporain de Montréal, im Museum für Gegenwartskunst Krakau, im Dallas Museum of Art, im Cleveland Museum of Art, im Museum of Contemporary Art Denver und imArt Institute of Chicago. Fast erhielt 2009 den Preis der Nationalgalerie für junge Kunst.

In der Ausstellung: Reden ist nicht immer die Lösung sind folgenden Videoinstallationen zu sehen: CNN Concatenated von 2002, Looking Pretty for God (nach G.W.) von 2008, 5000 Feet is the Best von 2011, Continuity von 2012, Everything That Rises Must Converge von 2013, und Spring von 2016 sowie eine neue Arbeit mit dem Titel August von 2016.

Omer Fast
»Reden ist nicht immer die Lösung«
18. November 2016 – 12. März 2017

Martin-Gropius-Bau
Niederkirchnerstraße 7
10963 Berlin
Tel +49 30 254 86-0
gropiusbau.de

chk

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Titel zum Thema Omer Fast:

Bruchstückhafte Wirklichkeiten. Omer Fast: Reden ist nicht immer die Lösung
Dieses Wochenende ist die letzte Gelegenheit, die Ausstellung »Reden ist nicht immer die Lösung« mit Videoinstallationen von Omer Fast zu sehen: Ausstellungsbesprechung

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