19 Uhr: Archivpräsentation. Werner Heegewaldt (Direktor des Archivs der AdK). Lesung mit Erdmut Wizisla (Literaturwissenschaftler) und Mathias Bertram (Kurator). Galerie Pankow | Breite Str. 8 | 13187 Berlin
„Künstler dieser Art haben ständig Ambitionen im kosmischen Ausmaß“, erfahren wir in der Arbeit „Heruntergerissene Landschaft“ von Ilya Kabakov aus dem Jahr 1977/91. In seiner raumgreifenden Installation reflektiert der Russe das Verhältnis von moderner Kunst und Diskurs. Beziehungsweise die Diskrepanz zwischen Werk und Interpretation.
In einer Ausstellung zwar nicht kosmischen, aber durchaus beachtlichen Ausmaßes haben die Kuratorinnen Anna-Catharina Gebbers und Gabriele Knapstein im Hamburger Bahnhof Werke „dieser Art“ zusammengetragen. Entstanden ist die Ausstellung „Moving is in every direction. Environmens. Installationen. Narrative Räume“. Die Kuratorinnen arbeiten unter anderem die Begriffsgeschichte der Installation auf. Dabei gehen sie von einer Publikation Allan Kaprows aus. In seinem Buch „Assemblage, Environments & Happenings“ hatte dieser 1966 die Entwicklung der Kunstformen dokumentiert, die oft für einen einzigen Moment und Ort konzipiert waren.
„Environments müssen begangen werden“, hatte der amerikanische Künstler gefordert. Dieses Postulat ist Gabriele Knappstein zufolge auch der „kleinste gemeinsame Nenner“, der dieser Schau zugrunde liegt. Tatsächlich gibt es viel zu begehen auf einem Parcours von 3.500 Quadratmetern Fläche. Der Besucher braucht gutes Schuhwerk, denn der gesamte Westflügel sowie die Rieck-Hallen sind mit Arbeiten von Altmeistern wie Joseph Beuys, Marcel Broodthaers und Bruce Nauman, aber auch einigen interessanten zeitgenössischen Positionen, bespielt. Dabei haben die Kuratorinnen fast ausschließlich auf die Bestände des Hauses zurückgegriffen.
Sie hätten sich gegen ein chronologisches und für ein thematisches Konzept entschieden, erläutert Gabriele Knapstein. Der Titel „Moving is in every direction“ beziehe sich auf ein Zitat von Gertrude Stein. So habe die Schriftstellerin für eine nicht-lineare, offene Erzählform plädiert. In diesem Sinn ist auch die Ausstellung angelegt, die dem Besucher verschiedene Möglichkeiten bietet, die skulpturalen Anordnungen, Bildfolgen und räumlich inszenierten Narrationen zu lesen.
Besonders reizvoll in seiner puren Form ist die Arbeit „War Damaged Musical Instruments (Shellac)“ der Schottin Susan Philipsz. In ihrer Klanginstallation ließ die Künstlerin eine Melodie mit Musikinstrumenten aus militärhistorischen Sammlungen in Großbritannien einspielen. Allesamt waren diese Instrumente im Ersten und Zweiten Weltkrieg sowie dem Krimkrieg in den 1850er-Jahren beschädigt worden. Wenn der Besucher nun durch den Raum schreitet, ertönen Fragmente von „The Last Post“, einem militärischen Hornsignal, das heute häufig bei Bestattungen gespielt wird. In den hohen Rieck-Hallen hat diese ebenso poetische wie schlichte Installation einen perfekten Rahmen gefunden, in dem sie sich entfalten kann.
Mit Wäscheleinen durchzogen ist der Raum, in dem Thomas Schütte „The Laundry“ präsentiert. An den Tüchern sind immer nur Teile von Wörtern zu erkennen, die der Besucher sinnvoll vervollständigen und verknüpfen kann. Vor allem jedoch sind die Tücher in ihrer bunten Farbigkeit und Haptik ein sinnliches Erlebnis.
Sinnlich geht es auch bei Bunny Rogers zu. Hier rieselt leise der Schnee, wenn der Besucher den Raum mit einer Videoinstallation betritt, in dem die Künstlerin das nationale Drama eines Amoklaufs in einer amerikanischen Schule aufarbeitet.
Mit aktuellen gesellschaftspolitischen Fragen setzen sich das Kollektiv Christopher Kulendran Thomas und Annika Kuhlmann in der Arbeit „New Ealam“ auseinander. Der Titel bezieht sich auf den von tamilischen Separatisten geforderten Staat, der den Nord- und Ostteil Sri Lankas umfassen soll. Es ist eine postkapitalistische und postnationale Vision, die das internationale Team teilt.
Eigentlich ist das Kollektiv ein Start-up Unternehmen, das Modelle des neuen, nachhaltigen Wohnens erprobt. Und so ist in der Ausstellung eine Modellwohnung zu besichtigen - das Muster eines „genossenschaftlich organisierten Subskriptionsmodells“, wie Annika Kuhlmann erklärt. Konzipiert für die globalen Nomaden der Gegenwart: „ Wer daran teilnimmt, kann für eine Weile in den Großstädten weltweit leben und zahlt lediglich eine günstige Flatrate.“ Das Nachhaltige daran ist zum Beispiel eine „Aquaponik-Anlage“, die Fischzucht und Urban Farming miteinander verbindet. Auf diese Weis subventionieren frische Tomaten und Basilikum die Unterhaltskosten der Wohnanlage.
Moving is in every direction, postulierte einst Gertrude Stein. Bei New Ealam ist die Richtung klar: Es geht nach morgen.
Ausstellungsdauer: 17. März 2017 – 24. September 2017
moving is in every direction. Environments – Installationen – Narrative Räume
Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin
Invalidenstraße 50/51
10557 Berlin
www.smb.museum/museen-einrichtungen/hamburger-bahnhof/home.html
Titel zum Thema moving is in every direction:
„Künstler dieser Art“: Ausstellung „Moving is in every direction“ zeichnet Geschichte der Installationskunst
Ausstellungsbesprechung: „Künstler dieser Art haben ständig Ambitionen im kosmischen Ausmaß“, erfahren wir in der Arbeit „Heruntergerissene Landschaft“ von Ilya Kabakov aus dem Jahr 1977/91. In seiner raumgreifenden Installation reflektiert der Russe ...
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