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Wofür wird hier eigentlich geworben?

von Anna Wegenschimmel (26.08.2017)
vorher Abb. Wofür wird hier eigentlich geworben?

Ausstellungansicht „Käthe-Kollwitz-Preis 2017. Katharina Sieverding“, Foto: © Anna Wegenschimmel

Wer die aktuelle Ausstellung „Käthe-Kollwitz-Preis 2017. Katharina Sieverding“ in der Akademie der Künste betritt, findet sich in einem abgedunkelten Raum vor einer über 30 Meter langen, strahlenden Bilderwand wieder. In der Arbeit „Testcuts 1966 – 2010 führt Katharina Sieverding die uns umgebende Bilderflut aus Internet, Fernsehen und Smartphone eindrucksvoll vor Augen. Auf neun Kanälen werden jeweils 580 Aufnahmen wie Bildschnipsel aus dem persönlichen Archiv der Künstlerin per Zufallsgenerator projiziert. Es ist eine sehr schnelllebige Arbeit, die nur selektives Betrachten von wenigen Details erlaubt: Als würde man durch eine überdimensionierte Google-Bildsuche „Kunstwelt in Deutschland nach 1960“ scrollen.

Katharina Sieverding (geb. 1944 in Prag) will irritieren und aufrütteln. Das hat sie mit der Namensgeberin des Kunstpreises gemeinsam, den Sieverding am Dienstag verliehen bekam. Der seit den 1960er-Jahren jährlich vergebene Käthe-Kollwitz-Preis, mit dem auch schon Mona Hatoum, Martin Kippenberger oder Miriam Cahn ausgezeichnet wurden, ist mit 12.000 Euro und einer Einzelausstellung in der Akademie der Künste dotiert. Die Jury setzte sich zusammen aus Jochen Gerz, Karin Sander und Klaus Staeck – ein Preis also, der „von Künstlern an Kollegen vergeben“ wird, wie Gerz bei der Pressekonferenz betont.
Die Beuys-Schülerin und dreifache Documenta-Teilnehmerin Sieverding ist längst in den Kanon der Nachkriegskunst eingeschrieben. Monumentale Selbstporträt-Serien aus ihrem Frühwerk wie „Stauffenberg-Block“ (1969) oder „Transformer“ (1973) wurden vielfach ausgestellt und waren jüngst auch in ihrer Retrospektive in der Bundeskunsthalle Bonn zu sehen. Immer wieder arbeitete die Künstlerin mit Passbildautomaten und verfremdete ihr Gesicht bis ins Unkenntliche.


Ausstellungansicht „Käthe-Kollwitz-Preis 2017. Katharina Sieverding“, Foto: © Anna Wegenschimmel

In der Akademie der Künste sind überraschend wenig Selbstporträts zu finden, eine Ausnahme bildet die neue Arbeit „Kunst und Kapital“, auf der die Künstlerin in strenger Pose und mit ihrem zum Markenzeichen gewordenen strengen Zopf, der Sonnenbrille, dunklen Lippen und schwarzer Kleidung posiert. 19 Plakate aus dem Zeitraum zwischen 1978 und 2017 werden in einem Einheitsmaß von etwa 2,5 x 3,5 Metern in der großen Halle der AdK gezeigt. Sechs blockartige Wandeinbauten strukturieren den Raum. Die von der Kuratorin Anke Hervol und der Künstlerin selbst zusammengestellte Schau fokussiert – passend zu Käthe Kollwitz – auf Arbeiten aus dem sozio-politischen Kontext. Auf Basis von eigenen Aufnahmen, Pressefotos oder Filmstills, die von der Künstlerin nicht nur groß aufgezogen, sondern auch mittels Montage und Computerprogrammen verfremdet wurden, sind Kommentare zu Ereignissen und Themen wie der Neutronenbombe, der RAF, dem G8-Gipfel im Jahr 2007 oder dem Kosovo-Krieg zu finden. Einige der Werke wurden zu ihrer Entstehungszeit im öffentlichen Raum plakatiert und lösten heftige Debatten aus. „Deutschland wird deutscher“ war etwa 1992 an 500 Orten in Berlin zu lesen, dahinter eine verschleierte Frau, umgeben von Klingen eines Messerwerfers. Ein Werk, das auch ein Vierteljahrhundert später aktueller nicht sein könnte.
Inhaltlich weniger zugespitzt und dadurch weniger überzeugend erscheinen hingegen die neuen Arbeiten mit dem Titel „Global Desire“. AM FALSCHEN ORT steht in weißen, dicken Lettern über einer Montage aus zwei Pressefotografien: Das Flüchtlingslager Zaatari in Jordanien, das bis zu 100.000 Flüchtlinge beherbergt, aus der Vogelperspektive fotografiert und überblendet mit einer Aufnahme von zwei russischen Soldaten, die ein Kampfflugzeug mit Sprengstoff beladen. Die beiden Soldaten sind jedoch quasi unmöglich zu erkennen – lediglich angedeutet, wie ein vager Schleier wurden sie über die rasterhafte Abbildung des Flüchtlingslagers gelegt. Recht beliebig wirkt hier der Umgang mit Pressefotos rund um die Flüchtlingskrise, deren Thematisierung in der zeitgenössischen Kunst aus nachvollziehbaren Gründen en vogue ist, dabei aber allzu häufig erzwungen wirkt und dieser Krise von globalem Ausmaß nicht gerecht wird.


Ausstellungansicht „Käthe-Kollwitz-Preis 2017. Katharina Sieverding“, Foto: © Anna Wegenschimmel

Mit der Wahl des Großformats, der Präsentation im öffentlichen Raum und der Verbindung von Text und Bild übernimmt Sieverding Elemente aus der Werbung, stellt aber zugleich die Frage „Wofür wird hier eigentlich geworben?“. Die Präsentation im Ausstellungsraum entzieht den Plakaten eines ihrer wichtigsten Elemente: das Spannungsmoment, das erzeugt wird, wenn Menschen im öffentlichen Raum anstatt herkömmlicher Werbung mit irritierenden Botschaften konfrontiert werden. Geballt präsentiert in einer Kunstinstitution wird den Plakaten vieles von dieser Kraft genommen. Was bleibt, sind ästhetisch ansprechende, monumentale Montagearbeiten, die vom exzeptionellen Umgang der Künstlerin mit fotografischen Bildern zeugen.

„Käthe-Kollwitz-Preis 2017. Katharina Sieverding“
12.7. – 27.8.2017
Akademie der Künste
Hanseatenweg 10, 10557 Berlin
adk.de

Öffnungszeiten und Eintrittspreise:
Di – So: 11–19 Uhr
Eintritt: 5/3€
bis 18 Jahre und dienstags von 15–19 Uhr Eintritt frei

Publikation:
Käthe-Kollwitz-Preis 2017. Katharina Sieverding
Akademie der Künste, Berlin 2017
dt., 48 Seiten,
13 Farbabbildungen
ISBN 978-3-88331-221-7, € 10

Anna Wegenschimmel

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Titel zum Thema Katharina Sieverding :

Wofür wird hier eigentlich geworben?
nur noch dieses Wochenende: Katharina Sieverding in der Akademie der Künste --> zu unserer Besprecheung

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