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Handlung und Einflussnahme. Fragen zur Performativität künstlerischer Interventionen

von Barbara Borek (23.12.2017)
vorher Abb. Handlung und Einflussnahme. Fragen zur Performativität künstlerischer Interventionen

Raumansicht,(c) Grzegorz Karkoszka

Die Galerie des Polnischen Instituts am Hackeschen Markt gleicht einem Versuchsaufbau: ein Wald aus Schlagbäumen, Videoinstallationen, unterschiedliche Raumelemente in den Nationalfarben rot und weiß, Sprach- und Musikaufnahmen. Die Nähe der geraden Linie lautet der Titel der Ausstellung, die sich anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Avantgarde in Polen auf die Spuren der Bildhauerin Katarzyna Kobro begibt und das Verhältnis zwischen Mensch und Raum auslotet.

Ein dichtes Gefüge, schmale Passagen, diverse Blickachsen, Informationstafeln- und blätter – die Besucher_innen benötigen ein wenig Zeit zur Orientierung. Sie müssen sich einlassen auf ihre Verortung innerhalb der künstlerischen Positionen. „Die Skulptur ist Gestaltung des Raumes …“, so Katarzyna Kobro (1898-1951), deren komplexe und mathematische Konzeptionen von Plastik über den materiellen Rahmen hinausgingen, Raum und Zeit erfassten. Und die in ihren künstlerischen Experimenten nicht alleine die individuelle Wahrnehmung und Bewegung mit einschloss, sondern darüber hinaus nichts Geringeres als die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Zuständen und Perspektiven.


Raumansicht,(c) Grzegorz Karkoszka

Diese Gedanken der Avantgardistin nimmt die aktuelle Ausstellung auf. Ewa Partun (*1945) realisiert 1971 aus dem Plac Wolności in Lódź eine Installation aus dicht zusammengestellten Straßenschildern, die in ihrer Dichte und widersprüchlichen Aussage die Absurdität von Regeln thematisiert (Ewa Partum, Legalność przestrzeni, 1979). 2012 wiederholte die Künstlerin ihre Arbeit in modifizierter Form, erweiterte die Aussage auf die Kontrollmechanismen der Volksrepublik. In Berlin hängen nun Fotografien der Aktion zwischen Schlagbäumen und bilden ein doppeltes Grenz-Szenarium.

Der Künstler Józef Robakowski (*1939), der zu den polnischen Pionieren der neuen Medientechnologien zählt, bezieht sich in seiner Arbeit Raumkompositionen Katarzyna Kobros (35mm Film, übertragen auf DVD, 9:45 min, 1971) unmittelbar auf die Werke der Künstlerin. Während der Film Entwürfe, Modelle und realisierte Konstruktionen aus den Jahren 1920 bis 1933 zeigt, wird zeitgleich aus Texten der Künstlerin gelesen: „Es gilt, sich entschlossen und für immer unwiederbringlich, bewusst zu machen, dass die Skulptur weder Symbol noch eine individuelle psychische Emotion ist. Die Skulptur ist einzig die Formgebung des Raumes.“ Oder: „Die Aufgabe der Raumkomposition ist die Gestaltung aller Formen, die in Kraft treten sollen … Ihr Rhythmus wird zum Rhythmus der Menge der Individuen.“

Auch die Akademia Ruchu (dt. Bewegungsakademie), eine Gruppe von Performancekünstler_innen, die 1973 in Warschau gegründet wurde und mehr als 600 Happenings veranstaltet hat, u.a. auf der documenta 8, stellt in ihrer Filmarbeit Stolpern (16mm Film, übertragen auf DVD, 0:42 min, 1977) die Interventionen der Individuen im öffentlichen Raum in den Mittelpunkt. Die Aktion bestand aus einer Serie unerklärlichen Stolperns, welche die Passanten zu diversen Reaktionen zwang und die Straße zu einer Bühne machte.


Raumansicht,(c) Grzegorz Karkoszka

Es ist diese Wechselwirkung zwischen individueller und gesellschaftlicher Aktion und Reaktion, die das zentrale Thema der kleinen, sehr dichten Ausstellung bildet. Etwas mehr Orientierung und auch Raum für die Besucher_innen wären dabei hilfreich gewesen und hätten ihr gut getan. Doch als Einladung, sich mit den künstlerischen Konzepten unseres Nachbarlandes zu beschäftigen, bieten die Ausstellung und das Rahmenprogramm eine spannende Gelegenheit.

Künstler_innen:
Piotr Andrejew, Akademia Ruchu, Oskar & Zofia Hansen, Przemek Kamiński, KwieKulik, Paweł Kowzan, Natalia LL, Ewa Partum, Józef Robakowski, Ryszard Waśkound Piotr Zarębski / Franciszka und Stefan Themerson

Zu der Ausstellung findet ein Begleitprogramm mit Vorträgen und Performances statt, z.B. im Februar Screenings von Neo-Avantgarde Filmen und Diskussion (01.02. und 15.02.2018, jeweils 19 Uhr, Berlinische Galerie) sowie Some Other Things – Performance von Przemek Kamiński (17.02. und 24.02.2018, jeweils von 13 bis 16 Uhr, Polnisches Institut).

Die Nähe der geraden Linie. Performativität der Avantgarde
bis 28.02.2018

Polnisches Institut
Burgstraße 27
10178 Berlin
Di-Fr 10-18 Uhr, Sa 12-18 Uhr (21./22. sowie 27.-29.12. geschlossen)
polnischekultur.de

Barbara Borek

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Ausstellungsbesprechung: Die Galerie des Polnischen Instituts am Hackeschen Markt gleicht einem Versuchsaufbau: ein Wald aus Schlagbäumen, Videoinstallationen, unterschiedliche Raumelemente in den Nationalfarben rot und weiß, Sprach- und Musikaufnahmen.

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