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Trotz des Lärms - ein Wunder an Poesie.

von Barbara Borek (26.08.2018)
vorher Abb. Trotz des Lärms - ein Wunder an Poesie.

Ernst Ludwig Kirchner: Straßenbahn und Eisenbahn, 1914
Öl auf Leinwand, 71 x 81 cm
© Die Lübecker Museen, Museum Behnhaus Drägerhaus
Reproduktion: Michael Haydn


1908 erschien das Buch des Architekten und Philosophen August Endell: Die Schönheit der großen Stadt. Unter diesem Titel lädt nun das Stadtmuseum Berlin zu einer Ausstellung in den Ephraim-Palais, zeigt bekannte historische Ansichten und weniger bekannte Arbeiten, blickt auf graue Fassaden und in bunte Straßenzüge.

Über drei Stockwerke zieht sich die Ausstellung, rund 700 qm Ausstellungsfläche stehen zur Verfügung und führen die Besucher_innen in thematische Räume. Dieses Konzept von Dominik Bartmann und seinem Team ermöglicht es, sich ganz auf die Sujets einzulassen, die Stadt und ihre Bewohner_innen unabhängig von Zeitgeschichte oder Kunstrichtung unter Überschriften wie Über den Dächern, Stille Stadt, die Stadt der Arbeit oder Großstadtimpressionen zu entdecken.


Barbara Quandt, Berlin Sinfonie, 1976
Eitempera auf Nessel, 170 x 125 cm
Erworben vom Verein der Freunde und Förderer des Berlin Museums
© VG Bild-Kunst, Bonn 2018 | Stadtmuseum Berlin
Reproduktion: Hans-Joachim Bartsch


Und so hängen im 1. Obergeschoss die Arbeit Am Bahnhof Friedrichstraße (1888, Deckfarben auf Papier) von Lesser Ury (1861-1931) neben dem Porträt Margot (1924, Öl auf Leinwand) von Rudolf Schlichter (1890-1955) und der Stadtansicht Berlin Sinfonie (1976, Eitempera auf Nessel) von Barbara Quandt (*1947). Sie zeigen die vielschichtige Dichte von Mensch und Verkehr in der Millionenstadt Ende des 19. Jahrhunderts, eine Prostituierte als Blick in die gesellschaftliche Realität nicht nur der 1920er Jahre sowie die Ansicht auf das Brandenburger Tor und die Siegessäule im geteilten Berlin – von Quandt mit dem Schriftzug BERLIN in den Himmel verbunden. „Gestaltbar ist nur das Heute“, schrieb Endell, „nur wer den Rhythmus der heutigen Stadt fühlt, kann eine Stadt bauen so, wie wir sie brauchen“. Eine Aussage, die über 100 Jahre später durchaus aktuell bleibt.

Auch die weiteren Exponate sind thematisch geordnet und spiegeln das jeweilige Zeitgefühl wider. Die Stadt als Metapher beispielsweise versammelt expressionistische Arbeiten von Ernst Ludwig Kirchner (1880-1938) und Ludwig Meidner (1884-1966). Letzterer veröffentlichte 1914 seine Anleitung zum Malen: „Malen wir das Naheliegende, unsere Stadt-Welt. Die tumultartigen Straßen, die Eleganz eiserner Hängebrücken, die Gasometer …“ Vor allem Kirchner überzeichnet im Gemälde Nollendorfplatz (1912, Öl auf Leinwand) den großstädtischen Platz als Gleichnis für das gesellschaftliche Pulsieren der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts. Otto Nagels (1894-1967) Blick auf die Grünthaler Straße bei Regen (1940, Öl auf Sperrholz) in den Kriegsjahren oder Harald Metzkes (*1929) Knaackstraße im Morgenlicht (1974, Öl auf Leinwand) sind weitere Beispiele der Ansichten auf und in städtische Konstellationen.


Lesser Ury: Bahnhof Nollendorfplatz bei Nacht, 1925
Öl auf Leinwand, 72,5 x 102,5 cm
© Stadtmuseum Berlin
Reproduktion: Oliver Ziehe


Knapp 200 Exponate, der größte Teil stammt aus dem Besitz des Stadtmuseums, führen durch die Jahrzehnte der Großstadt: von Spreeathen über die Jahrhundertwende in die zwanziger und später die Kriegsjahre, dann weiter in das geteilte und das wiedervereinigte Berlin. Im 3. Obergeschoss kann mit Eduard Gaertner (1801-1877) noch einmal über die Dächer von Berlins alter – neuer Mitte geblickt werden. Mit der Aussicht vom Dach der Friedrich-Werderschen Kirche auf das Friedrichs-Forum (1835, Öl auf Leinwand) porträtiert der Chronist das historische Berlin. Dass hier aktuell hochpreisige Eigentumswohnungen sehr eng an der Kirche hochgezogen wurden, gehört auch zur Realität der Stadt.

Zwischen Gaertners Panoramablick und der Sicht über die Großbaustelle Potsdamer Platz (1993/95, Öl auf Leinwand) von Rainer Fetting (*1949) liegen mehr als 150 Jahre. Die Millionenstadt hat etliches erlebt und durchgestanden, nach wie vor ist ihre Schönheit und Anziehungskraft jedoch ungebrochen. Und so bietet die Ausstellung einige Entdeckungen, vielleicht keine großen Überraschungen, aber das lohnenswerte Wiedersehen mit vielen Bekannten und eine interessante thematische Anordnung.

Der Katalog, herausgegeben von Paul Spiel und Dominik Bartmann, ist im Verlag M erschienen und für 29,90 Euro an der Museumskasse erhältlich. Das Museum bietet im Rahmen der Ausstellung ein umfangreiches Begleitprogramm an: verschiedene Führungen, Gespräche, Vorträge und andere Veranstaltungen. Die Website informiert über die Termine. An jedem 1. Mittwoch im Monat ist der Eintritt frei.

Die Schönheit der großen Stadt
Berliner Bilder von Gaertner bis Fetting
verlängert bis 28.10.2018
Stadtmuseum Berlin
Museum Ephraim-Palais
Poststraße 16
10178 Berlin
Di, Do - So 10-18 Uhr

stadtmuseum.de/schoenheit

Barbara Borek

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Titel zum Thema Museum Ephraim-Palais:

Trotz des Lärms - ein Wunder an Poesie.
heute am Sonntag letzte Gelegenheit, um die Ausstellung Die Schönheit der großen Stadt.Berliner Bilder von Gaertner bis Fetting zu sehen.

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